Wohlthätigkeits-Anstalten und Stiftungen.
Ein Spital zum heiligen Geist hat zunächst die Bestimmung für die Armuth zu sorgen. Sein Ursprung ist nicht bekannt, geht aber auf jeden Fall über das 14te Jahrhundert hinaus. Mit der Anstalt wurden um die Zeit der Reformation ein Kloster der Meisterin und Sammlungs-Schwestern, so wie auch die, gleichwohl unbedeutenden, Einkünfte des 1535 aufgehobenen Franziskaner Klosters vereinigt. Durch ersteres gelangte der Spital zu dem Besitz von vier dreytheiligen Erblehenshöfen, nämlich drey zu Dußlingen und einem zu Sickenhausen; durch letztere erhielt er verschiedene Gefälle. Schon vorher aber besaß er die Dörfer Wannweil, Omenhausen und Stockach, den Gaisbühlhof und einen dreitheiligen Hof nebst der Hälfte des großen Zehnten und dem Fischwasser im Neckar zu Kirchenthälinsfurth, und viele andere theilige Güter und Gefälle, wozu später noch eine nicht unbedeutende Summe von Geld-Capitalien kam.Sein jährliches Einkommen wurde im Jahr 1802 auf ungefähr 16.000 fl. berechnet.
Der Spital führte sein eigenes Siegel, war übrigens dem Stadtmagistrat unterworfen. Früher wurden sogenannte Pfründer aufgenommen, welche sich darein einkauften; seitdem jedoch im Jahr 1801 die große Spitalscheuer mit allen ihren Vorräthen abgebrannt ist, wird keine eigene Ökonomie mehr geführt, und das Pfründwesen hört allmählig auf.
Das Armenhaus, insgemein Waisenhaus genannt, ist eine zur Aufnahme von unvermöglichen Bürgern in gesunden und kranken Tagen bestimmte Anstalt. Das Haus liegt am Ende der untern Vorstadt, und besteht in zwey Wohngebäuden, worin in der Regel 80 Personen verpflegt werden. Die Verpflegung wird im Abstreich verakkordirt. Ursprünglich war das Haus ein Sonder-Siechenhaus, welches von der Landgräfin Elisabeth, Gemahlin Ludwigs von Thüringen, die im Jahr 1231 starb, gestiftet worden seyn soll, erweislicher Maßen wenigstens schon 1248 bestand, und allmählig sich ein ansehnliches Vermögen erwarb, so daß es bey dem Übergang an Würtemberg ein jährliches Einkommen von ungefähr 7000 fl. und ein Activ-Kapital von 42.000 fl. besaß. Im Jahr 1752 wurde mit der Anstalt ein Waisenhaus verbunden und zu dem Ende ein neues Gebäude dabey aufgeführt. Unter Würtemberg wurde das Waisenhaus wieder aufgehoben, und mit der allgemeinen Waisen-Anstalt vereinigt.
Ein Bettelhaus, auch Armenhaus genannt, ist eine kleine Krankenanstalt für ansteckende und auf dem Schub gebrachte Kranke, welche von dem Waisenhaus verköstigt werden. Außerdem besitzt Reutlingen noch folgende besondere Stiftungen:
- Bey der Stadtpflege angelegt:
400 fl. Knorersches Stift zur jährlichen Zinsvertheilung unter die Mitglieder des Stadtraths;
25 fl. Jakob Wucherersches Stift, wovon die Zinse dem Musik-Collegium abgereicht werden;
2000 fl. von verschiedenen Stiftern, zur Unterhaltung der Stadtbibliothek.
- Bey der Kirchenpflege:
100 fl. für Kalbfellsche Waisen.
200 fl. Stiftung, wovon die Zinse armen Reutlingischen Pfarr-Wittwen zukommen;
100 fl. für arme Schulknaben der Wuchererschen Familie gestiftet;
5976 fl. von verschiedenen Stiftern für studierende Reutlinger Bürgers-Söhne;
300 fl. für Studierende besonderer Familien.
- Bey der Spitalpflege:
20 Pfd. Heller, Kaplan Gregorius Zieglersches Stift, jährlich an zwey arme und keusche Jungfrauen bey ihrer Verheirathung auszutheilen.
Jährlich auszutheilende kleine Stifte für Arme im Spital von verschiedenen Stiftern.
Die besonders bestehende Bechtenpflege mit einem eigenen Verwalter und mit 4705 fl. Fonds, wovon die Zinse auf Studierende von der Familie bis auf 10 fl. verwendet werden, welche alle Jahre dem Fond zuwachsen. Der Senior der Familie hat die Oberaufsicht.
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