Donnerstag, 28. Juni 2018

NACHTWANDERUNG AM HELLICHTEN TAG


Also es braucht schon eine kleine Weile ,bis man sich zurecht gefunden hat auf diesem Bild. Das Bild hat uns Nina Mareen Engelhardt zur Verfügung gestellt. Danke,Nina. Und einen großen Wunsch haben wir,glaube ich, alle: Mehr davon!
Bildertanz-Quelle: Nina Mareen Engelhardt

Mittwoch, 27. Juni 2018

Textilhaus Faiss, aber fast noch spannender...

... sind die beiden Mädchen vor dem Haus. Heute steht hier ein modernes "Textilhaus Faiss". 
Bildertanz-Quelle: Familie Faiss

Dienstag, 26. Juni 2018

Verdichtung und Wahrheit - Reutlingen



Vor drei Jahren, 2015, hatte Reutlingen 112.452 Einwohner, etwas weniger als 2012. Und plötzlich fing die Stadt an zu wachsen - weil sie so attraktiv sei, heißt es. Im Mai 2018 waren es 115.877 Einwohner, 3000 mehr als 2015. Demnach leben inzwischen 1378 Menschen auf einem Quadratkilometer, 57 mehr als 2016. Das sind vier Prozent mehr. Seit 2016 hat sich das Wachstum in unserer Stadt verlangsamt. Von 1000 Einwohner mehr pro Jahr kann nicht mehr die Rede sein. Es sind jetzt 600 pro Jahr - mit abschwächender Tendenz: Im September 2017 waren 115.600, im Mai 2018 waren es gerade mal 277 mehr. Ob das am fehlenden Wohnungs-Angebot liegt oder am Nachlass der Zuzugsströme wie zum Beispiel Flüchtlinge, werden wir in den nächsten Monaten sehen. Dass es eng ist auf dem Wohnungsmarkt, ist unbestreitbar. 
Im Unterschied zu anderen Städten vergleichbarer Kategorien hat Reutlingen schon einen hohen Wert, aber im Vergleich mit echten Großstädten ist noch sehr viel Luft nach oben. Die Frage ist: Wie gestaltet man diese Verdichtung? Da sind sich die Architekturkritiker und die Architekten selbst ziemlich einig: Wirklich gelungen sei es ihnen nur in den allerseltensten Fällen.
 


Bildertanz-Quelle: Recherche Raimund Vollmer (Quellen: u.a. Bundes-und Landesanstalt für Statistik und andere Quellen im Internet.Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen

Malerisches Tübingen - Stadt mit vielen Blick-Winkeln

Im Unterschied zu Reutlingen muss man in Tübingen seine Kamera nicht sonderlich angestrengt auf ein Objekt richten, um es wenigstens als Solitär in seiner Schönheit zu erfassen, sondern diese Stadt knipst sich von ganz allein. Dabei ist nirgendwo aufgeklebtes Fachwerk zu sehen, sondern Tübingen ist einfach nur eine Stadt, die ganz selbstverständlich und vielleicht auch selbstvergessend sich selbst lebt. (Bilder sind vom Juni 2018.) 













Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Montag, 25. Juni 2018

Wollen wir eine tote Stadt?




Reutlingens Stadtrat Hagen Kluck schreibt auf Facebook an den Bildertanz-Reutlingen:

»Reutlingen war nicht nur eine schöne Stadt, sondern ist es heute immer mehr. Wenn eine Stadt sich nicht verändert, ist sie tot. Auch der Listplatz hat sich verändert. Früher mag er eine Parkanlage gewesen sein, heute ist er Treffpunkt von Menschen, die Schwierigkeiten mit sich selber und ihrem Umfeld haben. Auch die haben ein Recht, sich auf Reutlingens öffentlichen Plätzen aufzuhalten. Oder soll man die mit Polizei-Hundertschaften vertreiben? Glaubt Ihr wirklich, dass früher alles besser und schöner war? Weil man auch samstags arbeiten musste, weniger Leute ein Auto hatten und sich nur wenige ihre Freizeit nach eigenen Wünschen gestalten konnten? Ich schaue lieber nach vorne als zurück. Ich will keine "falsche" Stadt mit aufgeklebtem Fachwerk auf Betonmauern. Ich will keine nostalgische Architektur, die alte Zeiten nachahmt. Ich lebe gerne in unserem modernen, dynamisch wachsenden Reutlingen. Wäre es keine schöne Stadt, würden doch kaum jedes Jahr fast 1000 Leute mehr hier leben wollen...«


"Niemand ist gut genug, einen anderen ohne dessen Zustimmung zu regieren."
Abraham Lincoln (1809-1965), amerikanischer Präsident


Antwort von Raimund Vollmer

In seiner über alle Selbstzweifel erhabenen "Wenn-Dann-Dialektik" schreibt unser Freund Hagen: "Wenn eine Stadt sich nicht ändert, ist sie tot." Mit derselben Inbrunst könnte man auch schreiben: "Wenn die Architektur sich nicht ändert, ist sie tot." Und da Hagen ja dazu neigt, sein "Ich will" zum "Singularis Majestatis" zu erheben, zum allgemeingültigen Prinzip, bedarf es schon einmal einer Entgegnung, die sich auch der unerschütterlichste aller Stadträte vielleicht zu Herzen nimmt.

Erstens: Also den Alleinanspruch auf Zukunft hat unser Hagen nicht, wenn er sagt, dass er lieber nach vorne schaut als nach hinten. Die Zukunft besteht eben nicht aus dem totalen Bruch mit dem Alten, wie es in Reutlingen gerne praktiziert wurde. Hochhäuser waren im kernstadtnahen Bereich die Ausnahme, jetzt werden sie zum Allgemeinprinzip - und zwar ganz klar mit dem Effekt einer radikal anderen Sicht auf unsere Stadt und in unsere Stadt. Und das ist eine Zukunft, die sich im wahrsten Sinne des Wortes über die Köpfe der Menschen hinweg errichtet. Ohne deren ausdrückliche Zustimmung. 

Kürzlich ging in Hamburg der 14. BDA-Tag zu Ende, zu dem der Bund Deutscher Architekten eingeladen hatte. Das Motto lautete: "Effizienz ist nicht genug". Hier herrschte offenbar unter den Profis die Meinung, dass der Wert deutscher Städte und Städte und Dörfer erhalten bleiben solle und nicht noch mehr der Effizienz geopfert werden darf.

Folgt man Hagens Argumentation, dann war das, was einmal in Reutlingen war, nicht sehr viel wert. Die Architekten sind aufgewacht und haben festgestellt, dass sie offensichtlich schuld daran sind, dass in den letzten Jahrzehnten der Wert dieser Städte gesunken ist - gerade durch die Abrisse und Neubauten, die sie geschaffen haben unter dem Druck von Investoren und Generalunternehmern, die jegliche Kreativität unterbinden.  

Wenn sie dann wenigstens Kosmetik haben betreiben dürfen, dann gehörten ihre "aufgeklebten Fachwerke auf Betonmauern" zu ihren kleinsten Sünden, sie sind eher ein Kuriosum, über das man lächeln kann, als ein Ärgernis. Nein, wir glauben nicht, dass früher alles besser und schöner war, aber es hatte seinen Wert - wie zum Beispiel der historisch sehr bedeutsame Zwiefalter Hof, der in den siebziger Jahren einem Effizienz-Gebäude, einem Parkhaus, weichen musste. Solche unbekümmerten Abrisse im Namen der Moderne gab es jede Menge in Reutlingen. Auch die alte Straßenbahn hatte ihren Wert (und wäre heute eine Attraktion, um die uns Tübingen und Metzingen beneiden würden). Bequem war sie bestimmt nicht, aber sie wäre heute das, was das nicht minder unbequeme Cable-Car in San Francisco ist - Teil einer Marke. Und in der Zeit, die noch vergehen wird, bis die Stadtbahn kommt (wenn der technische Fortschritt sie nicht schon bald für obsolet erklärt), hätte der Brunnen weiterbestehen können. Wahrscheinlich hätten ihn die Bürger sogar privat finanziert - was natürlich für Stadt und Stadtverwaltung eine ziemliche Blamage wäre. Aber die haben sie ja jetzt auch. Und der Brunnen hat früher niemanden vom Listplatz vertrieben, und er würde es auch heute nicht tun. 

Die Architekten haben in Hamburg versucht, ihren eigenen Wert wieder herauszustellen. Zerrieben zwischen Effizienz, die ja angeblich nach Hochhäusern schreit, und ausufernden Regularien, die übrigens mit an Willkür reichender Konsequenz beliebig verändert werden, haben sie den Eindruck, dass sie ihr eigenes Rollenverständnis gründlich überarbeiten müssen - ganz bestimmt nicht im Sinne einer rückwärtsgewandten Architektur.

Zweitens: Lebenswert machen eine Stadt nicht unbedingt die Häuser, sondern die Menschen. Auch das mussten sich die Architekten in Hamburg anhören. Da darf man doch mal die These aufstellen, dass vieles von dem, was in den vergangenen Jahrzehnte gebaut wurde, wunderbar in eine Zeitschrift wie "Schöner wohnen" hineinpasst - mit der Folge, dass man nicht den Eindruck hat, dass da Menschen leben. Sie sind allenfalls Bewohner (oder in einer Stadt Einwohner). Sie sind Beiwerk in der klinisch antiseptischen Umwelt, die ohne uns, die Verunreiniger, besser dastünde. Es kann natürlich sein, dass unser Hagen sich genau diese Art von Stadt wünscht. Sie ließe sich sehr leicht regieren. Aber als Liberaler kann er das doch nicht wollen.  

Drittens: An anderem Ort, aber im selben Zusammenhang, meint Hagen und mit ihm wohl auch die überwältigende Mehrheit seiner Ratskollegen, dass ein Bürgerentscheid über den Bau eines Hotels neben der Stadthalle nicht in Übereinstimmung mit der Gemeindeordnung sei, auch nicht der Bürgerentscheid selbst, weil er auf eine Ja-Nein-Entscheidung hinausläuft. Es geht nicht um den Bau eines Hotels, es geht um die grundsätzliche Gestaltung dieser Stadt. Und nach sechzig Jahren der schleichenden Umgestaltung dieser Stadt sollten die Bürger wohl das Recht haben, darüber mitzuentscheiden. Zu oft wurde gegen den Willen von Bürgern entschieden, ohne dass diese selbst die Chance hatten zu erfahren, ob ihre Meinung mehrheitsfähig war oder nicht.

Aber das ist ja noch nicht einmal das Hauptproblem. Vielmehr geht es hier - bei der Frage nach einem Bürgerentscheid - um die Angst vor Kontrollverlust, dessen Stadtverwaltung und Stadtrat zumindest verdächtig sind. Der Mechanismus dahinter lässt sich vereinfachen auf die Floskel: "Wo kämen wir denn hin, wenn jeder..." Hinter der Angst vor Kontrollverlust steckt aber eine noch größere Angst - die Angst vor der Zukunft. Gerade das Erstellen von immer mehr Regularien ist ein Zeichen dafür, dass man Veränderung nicht will und der Zukunft Steine in den Weg legt. Nun ist Hagen als Liberaler bestimmt kein Freund von immer mehr Regularien, aber er will sie auch nicht überwinden. Ein Bürgerentscheid könnte zum Beispiel lauten: Dürfen in Reutlingen künftig keine Gebäude mehr errichtet werden, die höher als sechs Stockwerke sind? Die Antwort wäre Ja oder Nein. Ein klares Urteil, eine klare Direktive.

Natürlich gälte dies dann fürs ganze Stadtgebiet und nicht nur für die Kernstadt. Und da liegt dann der Verdacht nicht fern, dass genau dies unserem Stadtrat und unserer Stadtverwaltung nicht gefällt. Denn würde sie die Frage auf die Kernstadt beschränken, wäre der Aufruhr in den Vororten garantiert.

Hagens liebstes Killerargument für Hochhäuser lautet: der fehlende Platz erzwingt den Bau von Hochhäusern.

Es ist nur seltsam, dass eine Stadt wie Paris eine Verdichtung von 21.000 Menschen pro Quadratkilometer hat und Reutlingen eine von 1300. Dazwischen liegt noch ein weites Feld der Möglichkeiten zur Nachverdichtung. Und Paris hat sich, um seinen Wert als beliebteste Stadt der Welt zu erhalten, entschieden, weitere Hochhausprojekte rigoros einzudämmen - auf Druck der Bevölkerung.

Es gibt so viele Aspekte, die bei der Gestaltung unserer Stadt Reutlingen zur Klärung anstehen, dass es geradezu unverantwortlich ist, ohne unsere Zustimmung zu regieren. Dazu wäre es notwendig, dass Stadt und Stadtrat aus ihrer doch sehr defensiv anmutenden Haltung herauskommen. Wer Stadtrat ist, darf keine Angst vor den Bürgern haben, denn sie sind die Zukunft dieser Stadt. Wie sehr das stimmt, musste diese Stadt in den letzten Jahren zu ihrer eigenen Überraschung feststellen. Noch zu Beginn dieses Jahrzehnts meinte sie, alle Planung auf eine schrumpfende Stadt ausrichten zu müssen. Plötzlich drehte sich alles. Man wollte in Reutlingen wohnen, obwohl man in Stuttgart arbeitet. Hier in RT ist zwar die Arbeitslosigkeit niedrig, aber das liegt daran, dass es die Arbeitsplätze gar nicht gibt. (Von meinen drei Töchtern arbeitet keine in Reutlingen, auch nicht ihre Partner).

Wichtig wäre es herauszufinden, was die Ursachen sind für das Wachstum unserer Stadt. Wenn ich von Bad Cannstatt, einem Ortsteil Stuttgarts, bis in die Innenstadt 40 Minuten brauche, dann kann ich auch nach Reutlingen ziehen. Dann ist das nur eine Frage der Effizienz und nicht nach der Schönheit oder Attraktivität. Dass RT potthässlich sei, wie mancher hier in Facebook anzumerken wünscht, ist natürlich eine ähnliche Übertreibung wie Hagens Behauptung, eine Stadt sei tot, wenn sie sich nicht ändert. (Wobei wir ja eigentlich alle die Änderung wollen!!!)

Im übrigen wäre es sehr aufschlussreich für uns Bürger gewesen, wenn im Rahmen des Markenbildungsprozesses auch danach gefragt worden wäre, inwieweit Stadtrat und Stadtverwaltung zur Markenstärke beitragen. Aber das hat man sich nicht getraut. Dabei gehören Offenheit und Selbstbewusstsein zu einem "modernen, dynamisch wachsenden Reutlingen", wie es sich Hagen Kluck wünscht.


PS. Eines sei Hagen Kluck zugestanden: Er trägt zur Markenbildung Reutlingens mit seiner Offenheit und Direktheit auf jeden Fall bei.
 
Bildertanz-Quelle: RV / Archiv Bildertanz

Samstag, 23. Juni 2018

ALTENBURG: NECKARGASSE JETZT GESPERRT.

Altenburg am Neckar: BILDER EINER BAUSTELLE: WOCHE 3 - Neckargasse ist ...:



 Wer meinte, die Großbaustelle in
Altenburg umfahren zu können, indem er sich durch die schmale
Neckargasse mogelt, hat nun ein Problem mit den Verkehrsregeln. Ein
neues Schild verbietet allen Autos und Motorrädern die Durchfahrt. Nur
Anlieger haben hier ein Recht. Die große Frage ist jetzt nur noch, ob
die Fahrzeuge, die hier geparkt wurden, um als Hindernis den
Durchfahrern zu dienen, nicht auch verschwinden müssen. Denn die
Feuerwehr wird so nicht dadurchkommen.
Und da es in der Neckargasse vor einigen Jahren gebrannt hat und schon
damals Probleme gab, wird die Feuerwehr hier möglicherweise die
Situation besonders aufmerksam studieren. So ganz ist das Kapitel also
noch nicht zu Ende. Derweil gibt es die ersten Löcher in der Betondecke
über den Erlebenbach. Dessen Neuverdolung ist ja der Hauptgrund für die
Riesenbaustelle, die den Ort bis Ende 2019 beschäftigen wird. Mit der
Sanierung entsteht aus der Donaustraße eine verkehrsberuhigte und die
Bürger hoffentlich beruhigende Zone. Viele Anwohner litten in den
vergangenen Jahren unter der Verkehrsbelastung auf dieser Straße. Die
Ortsdurchfahrt entstand in der ersten Hälfte der siebziger Jahre und
legte den Ort für etwa drei Jahre lahm. Was damals gut und richtig
schien, hat sich heute zu einer Belastung für den Ort entwickelt. Nicht
nur wurden die Autos immer mehr, sondern auch die Lastwagen immer
schwerer. Aber diese Stiry noch lange nicht zu Ende.

War ja irgendwie auch eine Form von Stadtbahn: der Schienenbus

Bildertanz-Quelle:Max Henker

Donnerstag, 21. Juni 2018

Was verbirgt sich wohl hinter diesem Grüngürtel?


Sie werden es nicht glauben: Aber es ist Reutlingen. Verschwunden in der Versenkung des Echaztales. Kein Wunder, dass der Drang zum Hochhaus immer größer wird...

Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Mittwoch, 20. Juni 2018

DER BÜRGERENTSCHEID - MIT DEN FÜSSEN


1997: »Eine Ansammlung von Gebäuden macht noch keine Stadt.«
John Simpson (*1954), britischer Stararchitekt

1992: »Moderne Architektur entfaltet vor allem auf Fotos oder als Modell ihre ästhetische Kraft.«
Nils Aschenbeck (*1963), deutscher Architekturkritiker

Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
Das Parkhotel - wie es wohl einmal aussehen soll. Nicht nur im Computer. Auch die Schnurbäume haben sich erholt...

Ob Reutlingen und die Stadthalle ein weiteres Hotel brauchen oder nicht, ist vor allem eine unternehmerische Frage. Dahinter stehen dann privates Knowhow,  private Gelder und privates Risiko. Das gilt auch dann, wenn dieses private Engagement in ein Grundstück investiert wird, das der Stadt gehört und von ihr an den Unternehmer verpachtet wird. Diese Nutzung zu erlauben oder zu verwehren, ist Aufgabe des Stadtrates. Da ist er gefragt. So weit wäre auch alles okay, wenn wir an das Prozedere bei dem Investitionsvorhaben "Parkhotel" neben der sich in öffentlicher Hand befindlichen Stadthalle in Reutlingen denken. Für solche Entscheidungen haben wir den Stadtrat gewählt und ihn zum Beispiel bei der Planung der Stadthalle auch mit unserer Bürgerentscheidung (wohlgemerkt "BÜRGER"-Entscheidung) schon vor langer Zeit ausdrücklich ermächtigt.

Aber da gibt es noch eine andere Dimension, die weit über die planerischen und unternehmerischen Herausforderungen hinausreicht. Es geht um das Gestalterische. Ist das, was schlussendlich gebaut werden soll, auch das, womit wir, die Bürger, uns identifizieren können?

Das wäre eigentlich etwas, das durchaus eines BÜRGER-Entscheids würdig wäre, gerade wenn dieses Gebäude sehr markant sein will und im öffentlichen Raum eine herausragende, ja identitätsstiftende Bedeutung besitzen soll. Dann übersteigt es den rein unternehmerischen Charakter und den seiner funktionalen Bestimmung. Dann ist es ein Thema, das uns als Bürger unmittelbar angeht. Dies gilt insbesondere in einer Stadt wie Reutlingen, die demnächst gar als Marke glänzen will. Mit großer Bürgerbeteiligung wurden hier die vielfältigsten Themen die Straße rauf und runter gefragt. Aber mitentscheiden sollen diese Bürger möglichst nichts. In Reutlingen herrscht das Top-Down-Prinzip und die, die sich dem unterwerfen, denen geht es ja dann auch gut.

Es ist immer noch unsere Stadt und nicht die Stadt der Investoren, die zumeist gar nicht aus Reutlingen kommen, ja, noch nicht einmal die Architekten sind von hier. 
Bei Gestaltungsfragen duldete man bei der Stadthalle wenigstens eine "Bürgerbefragung", auch wenn sie in einem Akt liebevoll inszeniertem vorauseilendem Gehorsam vom Reutlinger General-Anzeiger durchgeführt wurde - und nicht, wie eigentlich verabredet, von der Stadt selbst. Bei dem der Stadthalle nun assoziierten Hotel, das das Referenzgebäude deutlich überragt und auch überleuchten wird, ist selbst eine Befragung nicht anvisiert. Ein kaltes Projekt. So kalt wie die Architektur.

Der Reutlinger General Anzeiger berichtet nun über die Haltung des Gemeinderates zum Thema Bürgerentscheid "Hotel",  der von der WiR-Fraktion angeregt wurde. Seltsamerweise rückt er dabei allein die Frage, ob Hotel oder nicht, in den Mittelpunkt - und nicht das für uns Bürger weitaus wichtigere Thema nach der baulichen Identifikation. Hier - wie auch bei der Stadthalle - gärt es unter uns Bürgern am meisten, wie jeder weiß, der in den letzten Jahren die verflixten Facebook-Kommentare oder die Leserbriefe im GEA gelesen hat.

Es geht nicht um das "Was", wie GEA und Gemeinderat uns zu vermitteln versuchen, sondern um das "Wie". Das Thema wird von Meinungsführern kurzerhand auf den Anfangspunkt zurückgelegt, nicht auf das Ergebnis. Und das, was da jetzt nach den bei sich selbst abgekupferten Entwürfen des Architekten Max Dudler entstehen soll, ist zumindest umstritten. Es geht an das Grundverständnis einer Stadt, an ihre Identität.

Die Neugestaltung unserer Stadt, wie sie vor allem in der Ära Bosch/Hotz betrieben wird, hat inzwischen eine Dimension angenommen, bei deren Weiterführung wir, die Bürger, schon ein Wörtchen mitzureden hätten. Es geht dabei zentral um die Frage, welches Weltbild hinter dieser Neugestaltung steht.

Der eingangs zitierte britische Stararchitekt John Simpson (Jahrgang 1954) meinte 1997 in der Tageszeitung "Die Welt": "Die moderne Architektur wird nur noch von kommerziellen und bürokratischen Organisationen ausgenutzt, die schnell und billig bauen wollen - ohne auf das Allgemeinwohl zu achten. Dies kann so nicht weitergehen - schon gar nicht in einer Demokratie."

In Reutlingen wird in allen wichtigen, von der Öffentlichkeit besonders beobachteten Gebäuden moderne Architektur gepflegt. Dass billig gebaut wurde, wollen wir nicht unterstellen. Hier arbeiten Schwaben, auch wenn sie das, was sie bauen, oftmals nicht entworfen haben. Die prämierten Entwürfe moderner Architektur kommen gerne woanders her. Das gehört zum Image der Weltläufigkeit, das man sich gerne geben möchte. 
Das Parkhotel: 1954 errichtet, in den achtzigern (?) abgerissen.

Meines Erachtens ist nie darüber entschieden worden, ob das, was man Moderne Architektur nennt, wirklich das ist, was wir aus unserer Stadt gemacht sehen wollen. Niemand weiß, ob dieser Ansatz von der breiten Mehrheit der Bürgerschaft (also zumindest der Menschen, die auch wählen gehen) getragen wird. Dabei ist die Diskussion über die Moderne - seit dem Bau des bis heute umstrittenen Rathauses - mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Es ist schon ein Thema, was uns zutiefst bewegt.

Wir alle wissen, dass nach heutigem Standard das Rathaus abgerissen werden müsste. Asbestverseucht, wahrscheinlich auch billig produziert und allein auf den Zweck gerichtet, müsste es sogar nach dem eigenen Standard der Moderne abgerissen werden. Denn deren legitimer und ehrlich vorgebrachter Anspruch war es ja, nicht mehr für die Ewigkeit zu bauen, sondern für eine gewisse Zeit, für dreißig bis fünfzig Jahre. Es wurde zu einer Zeit gebaut, als in fast allen Großstädten und solchen, die auf dem Weg dahin waren, Sozialdemokraten regierten und das "moderne Deutschland" (Willy Brandt) schaffen wollten. Sie sahen in der Moderne den radikalen Gegensatz zur "Ewigkeitskultur" der Nationalsozialisten. Angesichts unserer Geschichte war das auch durchaus verständlich. Nein, für die Ewigkeit wollte man nicht bauen. Das moderne Deutschland war rational.

Unser altes Parkhotel am Listplatz musste dieser Maßgabe weichen. Es wurde nach einem Vierteljahrhundert abgerissen, weil es nicht mehr den Ansprüchen genügte. Und auch das neue Parkhotel basiert ja auf einem auf 30 Jahre erst einmal begrenzten Pachtvertrag. Einen "Ewigkeitsanspruch" auf noch nicht einmal die maximal möglichen 99 Jahre hat es nicht. Nichtsdestotrotz wird es stilbildend sein, ja, es setzt die "Perlenkette" der Moderne fort, die sich am guten, alten Ledergraben bildet.

Unsere Stadthalle mitsamt dem demnächst an- und aufgepflanzten Hotel könnte man von "weitem wie eine Skulptur genießen", wie es Simpson über die Berliner Philharmonie ausdrückte. Aber die Berliner Philharmonie habe um sich "eine Ödnis kreiert, die die Menschen nicht einlädt", sagt er. 
Stimmt, genau so ist es dem Schreiber dieser Zeilen gegangen, als er jüngst auf dem Weg zur Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin sowohl tagsüber als auch nachts an diesem stummen Gebäude vorbeikam. (Obwohl es bestimmt inzwischen besser ist als 1997.) 
In Reutlingen strengt man sich sehr an, um dieses Gefühl der "Ödnis", das der Bürgerpark im Umfeld von Stadthalle und Hotel immer noch ausstrahlt, zu kompensieren. Aber es sind dann nicht die Gebäude, die die Attraktion ausmachen - eher dieses kleine, harmlose, aber völlig vereinsamte Krankenhäusle. Es macht den Platz ein wenig heimelig. Und der Brunnen gibt dem Platz durchaus Charme. Das gesamte Ensemble aber heilen müssen auf Dauer die schnurgerade aufgestellten Schnurbäume, wenn deren Wipfel sich eines fernen Sommertages zu einem grünen Dach der Überlebensfreude vereinen und Hochhaus und Halle vergessen machen. 
Das Krankenhäusle - für die Ewigkeit gebaut?

"Jede Stadt ist wie ein großes Gebäude, die Zimmer sind Plätze, Straßen, Alleen. Diese Räume gehören allen Einwohnern", sagt der Architekt Simpson. Diese Räume sind voller Leben, wenn sie uns gefallen. Sie sind unser Leben. Und deshalb wollen wir (und das meine ich jetzt ohne Bezug auf eine Fraktion) da auch mitreden. Und wenn man das Quorum nicht erreicht, dann wissen wir auch, dass der überwältigenden Mehrheit dieses Thema egal ist - mit der Folge, dass aus der Marke Reutlingen nie etwas Echtes werden kann.

So aber, wie der Stadtrat sich über alle Fraktionen hinweg gegen den Antragswunsch der WiR-Kollegen aufzustellen scheint, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass wir als Bürger zuerst einmal ziemlich abgekanzelt werden.

Wenn der Reutlinger General-Anzeiger seine Qualitätsjournalisten hinausschickt, damit sie sich bei der Bevölkerung nach Stimmungen und Stimmen umhorchen, dann ist dies zuerst einmal lobenswert. Er scheint auch daran interessiert zu sein, was die Bürger, seine Leser, denken. Aber er fragt nicht nach dem Stil, nicht nach dem "Markencharakter", den dieses Gebäude für Reutlingen haben sollte, sondern er fragt nur nach der Sinnhaftigkeit des Projektes. 

Darum geht es doch gar nicht. Das ist eine, wie eingangs gesagt, zutiefst unternehmerische Entscheidung. Es geht darum, ob dieses Hotel an seinem prominenten Platz in seiner modernen Gestalt zur Geschichte und Zukunft dieser Stadt passt. Das ist die spannendste Frage überhaupt und gilt für alle Stadtplanung. Hier bestand die Chance, dies mit den Menschen zu diskutieren.

Aber diese Frage scheint die Stadt und viele ihrer Räte gar nicht zu interessieren. Vielleicht haben sie aber auch Angst davor. Einen "Schmarrn" nannte jüngst Stadträtin Regine Vohrer in einem FB-Kommentar ein Essay des Autors zum Thema Stadtentwicklung (RTopia). "Schmarrn" meint "ohne künstlerischen Wert".

Gut, diskutieren wir also über "künstlerischen Wert". Vor allem das neue Hotel, auch wenn es vom Stararchitekten Max Dudler kommt, ist ein "Schmarrn". Es ist ein Gebäude, das an Künstlichkeit und Unwirklichkeit - um es provokativ zu formulieren - unsere Stadthalle übertrifft, weder originell ist, sondern einfach nur modern daherkommt. Aber auf der Website des Max Dudler wird es ein Schmuckstück sein, wie all seine Werke. Und hier präsent zu sein, das schafft schon Prestige. 
Geheilte Echaz zwischen Stadthalle und ZOB

Es ist ein Gebäude, das für den Augenblick geschaffen wurde - für den Augenblick, in dem ein Investor bereit ist, Geld zu investieren, für den Augenblick, der sich aus einem irgendwie ermittelten kurzfristigen Bedarf ergibt, für den Augenblick, der alle Geschichte verdrängt. So wird es sich uns nach Fertigstellung präsentieren. Wir werden wenig damit anfangen können. Hoffentlich wird wenigstens der Hotelier damit glücklich, sonst fallen dem Stadtrat die vier Sterne noch auf die Füße.

Zugegeben - im Unterschied zu den Städten des 19.Jahrhunderts und auch noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts ist an dem, was heute in Städten produziert wird, nichts Schaulustiges mehr. Alles ist heute Dienstleistung, selbst das Handwerk. Die Schaufenster haben sich trotz immensen Aufwandes in ein Nirwana der Werbung verwandelt. Aber das ist ein anderes Thema von kaum minderer Bedeutung. 

Seltsamerweise werden die Gebäude, die mit eingebautem Verfallsdatum erdacht werden, so konstruiert, dass sie ihre inneren Funktionen jederzeit ändern können. Heute noch eine Anwaltskanzlei, zieht morgen ein Finanzdienstleister ein. Wenn dann irgendwann der Augenblick kommt, in dem ein Gebäude wie unser Rathaus unpraktisch und sehr teuer in jeder Beziehung wird, dann stellt man es unter Denkmalschutz - und erklärt es zur Geschichte, zu etwas, was es in seinem Gegenentwurf zu den Bauten der Nazis, nie sein wollte: ein Ewigkeitsbau. Man stolpert über den eigenen, vorhersehbaren Widerspruch. Denn in einem Rathaus wird eigentlich immer Geschichte geschrieben. 


"Rechneten unsere Vorväter in Jahrhunderten, so schon die Moderne der zwanziger Jahre nur noch in Jahrzehnten", schrieb vor zehn Jahren der Architekturkritiker Dieter Bartetzko (1949-2015) in der FAZ. Vor allem die Architekur der sechziger und siebziger Jahre mit ihrer "in Beton gegossenen Bauwut" (Bartetzko) sind heute umstrittener denn je. Der "Glanz der modernen Architektur ist vergänglich", hieß es 1992 ebenfalls in der FAZ. "Sobald Umbauten den Rhythmus der Fassade verändern, erscheint ein Meisterwerk des Neuen Bauens wie eine hingestellte Baracke," schreibt ein anderer Architekturkritiker, Nils Aschenbeck (*1963). Dem Rathaus ist dieses Schicksal bis heute erspart geblieben. Im Gegenteil - das Alexandre bringt Leben unter den Ratsaal. 


PS. Es gibt in Reutlingen sehr geglückte Architektur. Da wimmelt es auch im Innern stets von Leuten. Das ist unsere Stadtbibliothek. Sie wird niemals eine Barache sein. Hier wird jeden Tag abgestimmt. Mit den Füßen.


Bildertanz-Quelle: Raimund Vollmer / Hotelentwurf: Max Dudler / Parkhotel am Listplatz: Familie Lengwin

Siehe auch hier: Der Sonntagsstaat für die Sonntagsstadt