Freitag, 18. März 2011

2011: Die Rebellion von Ohmenhausen...

... ist zwar noch nicht ausgebrochen,
aber es könnte schon dahin kommen.
Denn das, was sich dort momentan abspielt,
hat möglicherweise beispielhafte Bedeutung
für viele Ortschaften der Großstadt Reutlingen.



Tatort ist die Waldschule Ohmenhausen: Vor 50 Jahren war sie von Oberbürgermeister Oskar Kalbfell persönlich eingeweiht worden. Das war am 11. März 1961. Dahinter stand eine vernümftige Idee. Und so sah die Schule auch aus. Sie war im sogenannten Pavillonstil am Rande von Ohmenhausen errichtet worden. Nüchtern, ohne Schnörkel, kühl, modern. Entstanden war sie vor dem berühmten Pillenknick, also diegeburtenstarken Jahrgänge bildeten den Hintergrund und Planungshorizont. Die Waldschule sollte - wie viele andere Neubauten der fünfziger und frühen sechziger Jahren - den verstärkten Schülerandrang meistern, der durch den Zuzug von vielen Neubürgern (Donauschwaben) noch verstärkt wurde.
Jetzt soll die Waldschule, die übrigens historisch gesehen die vierte Schule in Ohmenhausen ist, die einzige in dem Ort werden. Der rationale Grund: Gab es 1958 noch 300 Schüler in Ohmenhausen, so sind es heute nur noch 170.
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Die 1831 eingeweihte, alte Dorfschule von Ohmenhausen

Nahezu 60 Jahre davor, im November 1902, war als historisch dritte Schule, die Käppelerschule, eingeweiht worden. Sie löste die vor 180 Jahren, 1831, erbaute Dorfschule ab.

Wurde im November 1902 eingeweiht: die Käppelerschule, besser auch Dorfschule genannt. Sie löste die alte Dorfschule ab.

Die Käpplerschule wurde also die neue Dorfschule. Sie soll nun geschlossen werden.
Das erbost inzwischen den Ortschaftsrat, der sich gegen diese Schließung wehrt. Denn die alte Schule ist nicht nur ein Stück Dorfgeschichte, sie ist auch einer der verbleibenden Reste des alten Dorfkerns. Und mit der Schließung der Dorfschule, so befürchten Bürger, wäre auch deren Abriss vorherbestimmt. Das wäre fatal. Denn diese Schule zeichnet noch etwas Drittes aus: Sie ist ein Beispiel für Solidarität und Bürgerengagement - für Privatinitiative.

Bevor die Stadtverwaltung ihren Willen gegen den jetzt erlassenen Beschluss des Ortschaftsrates durchsetzt, sollte sie deshalb einmal in die Geschichtsbücher hineinschauen und sich vergegenwärtigen, dass dieses Gebäude ein Beispiel für das Bekenntnis der Bürger damals zu Wissen und Bildung war. Hinter der Schule stand privates Engagement - trotz damals wirklich grassierender Armut. Wir blicken dabei tief in das 19. Jahrhundert hinein:
"Nach einem langen Kampf entstand mit Hilfe der Gminder'schen Stiftung die Käppelerschule, die im November 1902 eingeweiht wurde. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die furchtbaren Kriegslasten, lange Hunger- und Notjahre und andere Vorkommnisse die Gemeinde sehr verarmen ließen. Trotzdem erstellte sie im Zeitraum von 70 Jahren die Dorfschule, das Armenhaus, die heutige Kirche, die Käppelerschuler und baute zweimal das Rathaus um", schrieb am 1. April 1961 ein Dorfchronist (Quelle: vermutlich im GEA / Dokumentation: Margarethe Ankele).
Kommentar: In Ohmenhausen gibt es die Meinung, dass hinter dem Ganzen eine Strategie stünde, die darauf hinausläuft, den Ortskern verwahrlosen zu lassen, um ihn dann mit Neubauten wiederauferstehen zu lassen. Was dann daraus wird, wissen die Rommelsbacher beim Blick auf ihre neue Ortsmitte sehr genau. Dort leidet die Ortsmitte unter Fehlplanung (Parkplätze) und mangelnde Akzeptanz. Und auch hier hat man eingangs Kniebisstraße jahrelang eine Art "Geisterdorf" ertragen müssen. Durch den Abriss wurde bislang auch nichts schöner. Rommelsbach war übrigens heute ebenfalls in den Focus des GEA geraten. Hier erinnert der Bürger Hermann Beck daran, wie es 1974 bei der Eingemeindung war. Was der GEA allerdings verschweigt, ist, dass es vor 40 Jahren der Ort Oferdingen war, der das Gegenkonzept zur Eingemeindung nach Reutlingen zu Fall brachte. Geplant war ein neuer Ort namens Neckarerlebenbach (?), der sich aus Oferdingen, Altenburg, Sickenhausen, Degerschlacht und Rommelsbach zusammenfügen sollte. Durch das Ausscheren von Oferdingen, das mit seiner Eingemeindung ein Enklave Reutlingens geworden wäre, war das Gegenkonzept hinfällig geworden. Als dann Rommelsbach 1974 den Kreisfeuerwehrtag feierte, war dies auch das letzte Fest als selbständige Gemeinde.
Vielleicht sollten sich die Ortschaftsräte (nicht nur die Bürgermeister) mal zusammentun, um gemeinsam die Zukunft ihrer Dörfer unter der Herrschaft Reutlingens zu diskutieren. Das würde nicht nur der Stadtverwaltung verdammt imponieren, sondern auch den Bürgern. Es mag ja stimmen, dass die Ortschaftsräte keine formale Macht mehr besitzen, aber sie können, wenn sie nur wollen, die natürliche Autorität der Bürger hinter sich haben. Und sie - niemand anders - sind in einer Demokratie der Souverän.
Raimund Vollmer

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