"Charley", sagt der Vollmer zu mir. "Was ist da los im Rathaus?" Ich schaue meinen Chef an und weiß erst nicht, was er meint. Dann fällt's mir ein. "Ach, du meinst die Geschichte mit der Ersten Bürgermeisterin, oder?" - "Es ist doch unglaublich, was man da hört und liest", meint der Vollmer. "Meinst du, dass das alles stimmt?"
Ich ahne: Der Boss will tratschen. Kann er haben, aber volle Kanne. Ich werde ihm eine Geschichte erzählen, dass ihm die Spucke wegbleibt.
"Also", sage ich zu ihm. "Das ist doch alles Wahlkampf!" Jetzt ist der Bildermeister perplex. "Wie bitte? Wahlkampf? Wie kommst du denn da drauf?" Er setzt sich. Das ist für mich das Zeichen, dass er eine längere Erklärung erwartet.
"Also", fange ich noch einmal an. "Im Februar war doch bei uns in Reutlingen OB-Wahl." - "Richtig." - "Gewählt wurde unsere Barbara und zwar ohne einen ernstzunehmenden Gegenkandidat." - "Richtig." - "Wer wäre denn ein ernstzunehmender Gegenkandidat gewesen?" -
Mein Meister (er nennt sich bloß Mister, meint aber Meister) stutzt einen Augenblick: "Meinst Du etwa Frau Ulrike Hotz?" - "Genau." - "Aber die CDU hat doch auf einen Gegenkandidaten verzichtet." - "Eben!" - "Was meinst Du damit?"
"Also", versuche ich es erneut. "Die CDU hat keinen Gegenkandidat aufgestellt, weil sie ihn nicht verheizen wollte. Denn gegen unsere Barbara hat keiner eine Chance." - "Richtig", bestätigt der Bildermeistermister. "Aber übernächstes Jahr...", will ich weitermachen. "... wird die Stadthalle eingeweiht", fällt mir mein Chef ins Wort. "Falsch, das heißt richtig, aber das meine ich nicht", reagiere ich ein wenig unwirsch. "Was dann? Was ist denn 2013?" - "Nun", erwidere ich, und ich muss zugeben, dass ich nun jeden Augenblick genieße, so gespannt schaut mich mein Boss an. "Nun, 2013 sind OB-Wahlen." - "Quatsch", schüttelt der Vollmer den Kopf, "OB-Wahlen sind bei uns erst wieder 2019." - "Wenn Du dich da mal nicht irrst", sage ich zu ihm. "2013 sind auf jeden Fall OB-Wahlen. In Stuttgart." - "Richtig", nickt der Vollmer, "aber was hat das mit uns zu tun?" - "Na, dann wird sich die Präsidentin des baden-württembergischen Städtetages der Wahl stellen."
Der Vollmer schüttelt seinen Kopf. "Du meinst unsere Barbara Bosch wird in Stuttgart antreten?" - "Richtig! Aber zuerst wird sie noch die Stadthalle einweihen." - "Und dann?" - "Ja, und dann wird sie in Stuttgart gewählt." - "Wirklich?" - "Natürlich, sie plakatiert doch jetzt schon dort." - "Ehrlich?" - "Warum ist sie wohl ganz markant auf allen Plakaten zum Thema Stuttgart 21 - und zwar in Stuttgart?" Dem Vollmer fallen die Augen aus. Deshalb zeige ich ihm ein Foto, das ich kürzlich in Obertürkheim, einem Ortsteil von Stuttgart, gemacht habe. "Das ist mein Beweisstück Nummer 1. Und Beweisstück Nummer 2 ist ihr Kostüm. Nur wer ganz besonders auffallen will, trägt so knallige Farben."
Nun habe ich den Vollmer so weit. Wie jeder Journalist, der kritisch tut, aber am Ende jeden Mist glaubt, ist er von meiner Spekulation völlig gefangen. Und so setze ich nach: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Stuttgarter uns unsere OB wegschnappen. Und was machen wir dann?"
"Wir haben dann auch Wahlen", strahlt mich mit überragender Fachkenntnis mein Vollmer an. Und da mir das Schulmeistern meines Meistermisters jetzt so richtig gefällt, setzte ich nach: "Und wer wäre der probate Kandidat?" - "Die Erste Bürgermeisterin, Ulrike Hotz."
Na also. Endlich hat er es kapiert. Die Beamte & Bediensteten im Bauamt und in den anderen Behörden haben das schon lange begriffen, erkläre ich meinem Boss. "Die wollen aber die Hotz nicht, weil die Hotz zu viel motzt und klotzt", kann ich mir ein kleines, billiges Sprachspiel nicht verkneifen. "Die wollen die Hotz fertigmachen..."
"Charley, Charley", sagt der Vollmer. "Wenn das stimmt, dann stimmt aber in Reutlingen eine ganze Menge nicht."
Ich grinse ihn an. "Weißt du, mit Stuttgart 21 kann jeder fertig werden, der schon einmal eine Stadthalle gebaut hat. Aber mit Beamten, die gegen dich sind, bist du verloren..."
2 Kommentare:
Heute ist aber nicht der 1. April - oder doch: Nachtigall ich hör dich tapsen? R.
faz, 03.09.:
ls Barbara Bosch, die Reutlinger Oberbürgermeisterin, kürzlich einen Vortrag im Schloss Hohenheim hielt, registrierten das einige Stuttgarter Kommunalpolitiker sehr aufmerksam. Die Präsidentin des baden-württembergischen Städtetages gilt nämlich als eine mögliche Spitzenkandidatin für die Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl 2013.
Das ist noch lange hin, doch die Diskussion über die Zukunft von Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) ist in den Parteien, vor allem aber in der örtlichen CDU, in vollem Gang. Der Chefsessel im Rathaus gilt als das zweitwichtigste Amt nach dem Ministerpräsidenten, und die Oberbürgermeisterwahl wird der erste Stimmungstest für die grün-rote Landesregierung sein.
aber auch Stuttgarter Nachrichten, 04.11.:
Vor Anfang oder Mitte Januar werde die Öffentlichkeit aber sicher keinen SPD-Bewerber präsentiert bekommen, sagte Perc. Gespräche habe man schon geführt. Noch früher hatte die SPD an die parteilose, aber SPD-nahe Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch gedacht, die auch den Freien Wählern und der FDP vermittelbar sein könnte. Doch Bosch "kandidiert definitiv nicht", sagte am Donnerstag ihr Sprecher.
Ich sage, sie wird es tun!:-)
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