"Charley", sagt der Vollmer zu mir, "bist du eigentlich für oder gegen Stuttgart 21?" Ich recke mich und strecke mich, gähne herzhaft in die Welt hinein und sage gar nichts. "Ich rede mit dir", stupst mich mein Boss an, "hast du meine Frage nicht verstanden?" Ich will aber nicht antworten und bleibe stumm. Der Vollmer wird sauer: "Hast Du keine eigene Meinung?"
Zum Thema "Stuttgart 21" ist ja nun wirklich alles gesagt, und meine Meinung ist bestimmt auch dabei. Warum soll ich die hier auch noch äußern? Mit deiner Meinung machst du dir weder neue Freunde noch selbst Freude. So gucke ich meinen Chef nur treuherzig an. Der lässt nicht locker und fragt gereizt: "Wenn du mir schon deine Meinung nicht sagen willst, gehst du denn wenigstens zur Volksabstimmung?"
Nun gut, denke ich, darauf kann ich ihm antworten. "Da halte ich es mit der Bergpredigt", erkläre ich dem Vollmer, wohl wissend, dass er nun nach Luft schnappen wird, weil er nichts mehr hasst als das Bildungsgeprotze von anderen. "Was genau meinst du denn da?"
Ach, Chef, seufze ich in mich hinein, du machst es mir heute aber sehr einfach, dich aufs Glatteis zu führen. Und so antworte ich ihm. "Jesus sagt: Diese Volksabstimmung ist vom Übel." Ich sehe, wie die Hand meines Meister zur Maus zuckt und er im Internet nach dem Zitat googeln will, deshalb setze ich geschwind nach. "Nein, nein, Chef", fahre ich dazwischen, "er hat das natürlich nicht wortwörtlich so gesagt".
"Aha, wie dann?" Der Chef spürt jetzt wieder Oberwasser, ein Gefühl, das er stets besonders zu schätzen weiß. "Was hat er denn dann gesagt, mein Freund?"
Nichts an ihm (also meinem Chef, nicht an Jesus) ist so herablassend gemeint wie der Ausdruck "mein Freund". Und so antworte ich ihm wie ein braver Schüler, der seine Hausaufgaben vorliest: "Jesus hat gesagt: Deine Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein - alles andere ist vom Übel." - "Ja und, was hat das mit der Volksabstimmung zu tun?" Manchmal ist der Vollmer schon sehr begriffsstutzig.
"Mein Freund", sage ich zu ihm, und jeder Buchstabe ist reinste Gönnergabe und kommt aus tiefstem Herzen, "bei der Volksabstimmung musst du doch Ja sagen, wenn du Nein meinst, und du musst Nein sagen, wenn du Ja meinst." - "Richtig", wird mein Chef ganz nachdenklich. Nun hat er es begriffen: "Deine Rede sei also Ja, Nein oder Nein, Ja. Und das ist nun wirklich von Übel"...
Irgendwie muss man zu dieser Volksabstimmung Nein sagen, auch wenn man trotzdem hingeht.
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