Samstag, 7. Dezember 2013

Alteburgstraße 5: Abbruch der Moderne

Eine kleine Reutlinger Baugeschichte zur Erinnerung an das Gebäude Riehle und Kleinecke an der Alteburgstraße 5, das bald abgerissen wird:

In den 1930er Jahren wurde in Reutlingen an der Alteburgstraße ein modernes Wohn- und Geschäftsgebäude gebaut. Es wurde lange Zeit von der Firma Riehle und Kleinecke betrieben, die unter anderem Gartenzubehör verkauft haben. In den letzten Jahren stand es leer, es wurde von Vandalen im Innenbereich stark zerstört. Damals, zur Bauzeit, war es hochwertig eingerichtet. Es besaß  bereits eine Zentralheizung mit Heizkörpernischen und hochwertige Heizkörperverkleidungen aus Holz, ein "Damen-Büro"... und und.
Sie kennen es sicherlich:
Das Vorbild für dieses Gebäude war unter anderen die "moderne Architektur" der damaligen Zeit: Zum Beispiel die Gebäude von Erich Mendelsohn, einem damaligen "Star-Architekten", der sehr schwungvolle Fassaden mit Rundverglasungen gebaut hatte, wie 1928 das Kaufhaus Petersdorff in Breslau.

Das Gebäude an der Alteburgstraße hatte zwar ein "konservatives" Satteldach. Mit der Rundverglasung am Eingang jedoch war es für Reutlingen in Anbetracht der Tatsache, dass etwa 100 m weiter das Fachwerk-"Klein-Venedig" stand, ultra-modern. Wenn man sich das Gebäude dazu noch mit Flachdach vorstellen mag, bemerkt man, dass es weit und breit eine gestalterische Ausnahmeerscheinung war:

Bild oben: Rundverglasung am Eingangsbereich.

Bild oben: Moderne Fassade mit viel Glas, und ein moderner Schriftzug...

Bild oben: Eingangstor, mit streng geometrischer Gestaltung.... und...die Bezüge zur damaligen Kunst und heutigen Kunstgeschichte: Bild oben rechts: Gemälde von Piet Mondrian, Komposition, 1937-1942.

Bild oben: Schwungvoller Handlauf am Treppenaufgang.

Bilder der Innenräume:
 Bild oben: Ein bisschen künstlerisch: Treppenaufgang vom Obergeschoss ins Dachgeschoss.

 Bild oben: Wir nennen es einfach "Damenbüro".

 Bild oben: Eingang mit Marmorverkleidung.

 Bild oben: Einbau-Küchenschrank.


Bild oben:

Dieses Gebäude hätte man - aufgrund seiner Top-Lage in der Nähe der Stadthalle - gut für einen außergewöhnlichen Laden oder ein Café umnutzen können.

(c) Bilder: M. Kurz

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hervorragender und sehr fundierter Beitrag mit aussagekräftigen Bildern - einen ganz herzlichen Dank an MK!

Was könnte man daraus machen ... und was geht da verloren - nicht zu glauben! Wo bleibt das Gewissen der verantwortlichen Gemeinderäte?

B.M.

H.R. hat gesagt…

Das Gebäude an der Alteburgstrasse war nicht das einzige Gebäude in Reutlingen mit Rundverglasung. Das Hallenbad hatte solche in den Gebäudeteilen des Friseurgeschäftes und der Schau- oder Lehrküche der Stadtwerke. Spätestens bei der "Aussensanierung" wurde diese Verglasung beseitigt. In der Burgstrasse gab es eine Bäckerei Hirschburger (übrigens ein ganz tolles Haus, der Bauherr soll wie mir berichtet wurde, vor Stolz sehr häufig sein Gebäude betrachtet haben) heute ist darin eine Filiale der K U - Bäckerei, hat noch solche Rundverglasungen. Sehr erhaltenswert, sie gehören einfach zu dieser Zeit. Man kann nur hoffen, dass die Eigner ein Herz für derartige Formen haben. Die Stadt als Eigner besitzt solche Sensibilität nicht. Warum auch?

H.R. hat gesagt…

Nachtrag:

Es passt zum gesamten Vorgang (GWG-Verwaltungsgebäude, Geschäftshaus Kleinke, Eckhaus Ebertstrasse/Alteburgstrasse) dass erst jetzt das Inkraftreten des Bebauungsplans im Amtsblatt der Stadt Reutlingen vom 6.12.13 veröffentlicht wird. Also bereits ohne rechtskräftigen Bebauungsplan ging die GWG (mit Einverständnis der Stadtoberen) daran vollendete Tatsachen zu schaffen. Welcher Privatmann darf das. Oder?