Montag, 22. September 2014

Videoreihe "Zeitzeugen": Als Wachsoldat für Zwangsarbeiter



90 Jahre alt ist Günther Fauser. Wer ihm zuhört, mag gar nicht denken, dass das, was ihm als jungem Mann widerfuhr, bereits 70 Jahre und mehr zurückliegt. Vor allem die Erinnerung an ein Lager mit Zwangsarbeitern, darunter auch Juden aus dem KZ, sind es, die einen erschüttern. Gar nicht so weit weg von seiner Heimatstadt Reutlingen, in Herrenberg sollte ein Flughafen entstehen.
Auch wenn man erfährt, wie diese jungen Menschen in der Wehrmacht hin und her geschubst wurden, wie sie in ständiger Angst davor leben mussten, nach dem Ende des Krieges in Gefangenschaft zu geraten, um dann verschleppt zu werden, ist etwas, das uns so viele Jahrzehnte später aufwühlt. Dass es Günther Fauser nicht so ging, sondern nach seiner Heimkehr in Reutlingen bleiben durfte, hat er einem Zwangsarbeiter zu verdanken. Und seinen Großeltern...

Auf jeden Fall müssen wir den Zeitzeugen unendlich dankbar dafür sein, dass sie bereit sind, uns ihre Erlebnisse weiterzugeben. Und wir vom Bildertanz sind stolz darauf, dass man uns diese Geschichten anvertraut. Vielleicht helfen sie ja mit, das Geschehen vor siebzig, achtzig Jahren besser zu verstehen. Vielleicht denken wir auch einmal daran, dass diesen jungen Menschen nur in den seltensten Fällen geholfen wurde, ihre teilweise ja traumatischen Erfahrungen zu bewältigen. Sie wurden damit ganz alleingelassen.
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Auf Facebbook kommentierte Eberhard Luik den Beitrag wie folgt:
Ich bin heute 51 Jahre alt. Mein Vater war im gleichen Alter wie Herr Fauser. Er war in Russland in Minsk, gerade vielleicht 20 Jahre alt, und irgendwann auch in englischer Kriegsgefangenschaft und kehrte Jahre nach dem Krieg heim nach Reutlingen.

Ü
ber das was er im Krieg erlebte hat er nie groß gesprochen. Er versuchte irgendwie wieder Fuß im Leben zu bekommen, aber er war innerlich gebrochen wie so viele seiner Generation.

Es kam schnell die Aufbruchszeit, Wirtschaftswunder und so konnte man einigermaßen die seelischen Wunden der Zeit zwar verdrängen aber nicht aufarbeiten.

Der Krieg hat eine ganze Generation traumatisiert und mit auch die nachfolgende -unsere- Generation. Weil wir sind mit Vätern aufgewachsen die eine große seelische Last auf sich trugen aber die uns nichts erzählen konnten, weil der Erinnerungsschmerz wohl viel zu tief saß und zu bedrohlich war.

Ich erinner mich noch als ich eines Sonntag morgens im Alter von vielleicht 5 oder 6 Jahren mit meinem Vater zusammen sonntags vorm Frühschoppen im Maienwald (irgendwo zwischen Reutlingen und Metzingen) spazieren war. In dem Alter hatte ich nur eine vage Vorstellung von der Welt ausserhalb Reutlingen. In meiner kindlichen Naivität hab ich gefragt:

"Papa, was kommt wenn man da in die Richtung immer weiter läuft?"
"Dann kommt Metzingen"
"Und was kommt danach?"
"Dann kommt irgendwann Ulm..."
"Und dann?"
"Dann kommt Bayern..."
"Und was kommt danach?"

Mein Vater wurde in dem Moment sichtlich nachdenklicher und nach ein paar Momenten seines Schweigens sagte er sichtlich bedrückt:
"Dann kommt Russland...."

Damals hab ich nicht richtig verstanden was er damit ausdrücken wollte. Aber heute habe ich eine leise Ahnung davon was er meinte....

Krieg ist ein rechter Scheissdreck! Krieg tötet Menschen, zerstört Infrastruktur und traumatisiert Generationen.

Eberhard Luik


ZWISCHEN KRIEG UND UNFRIEDEN

Was wir bisher veröffentlicht haben... (Fortsetzung folgt) 

1. Weimar, Nazizeit und Krieg 
Adolf Haussmann // Günther Fauser // Walter Siemes (Betzingen) // Willi Raiser (Rommelsbach) // Richard Walker (1) // Anneliese Siemes (Betzingen) //

2. Die Bomben: Als Feuer vom Himmel fiel
 Knut Hochleitner //  Ruth Haussmann (1) // Adolf Haussmann (1) // Inge Schäfer (Gönningen) //

3. Der Einmarsch: Die Franzosen kommen
Anneliese Siemes (Betzingen) // Helmut Thumm (Rommelsbach) //

4. Nachkrieg, Flucht und Heimkehr
Lieselotte Fischer //Helmut Pauler (Altenburg)  // Herbert Fuchs // Hans Weimar (1) // Hans Weimar (2)

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