Sonntag, 22. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (1)



Freigestellt bereits in den siebziger Jahren...
Bildertanz-Quelle: Karl Vöhringer

Das Tor in die Geschichte

Herausgeputzt wie vielleicht nie zuvor steht heute das Tübinger Tor. Und es ist nach wie vor mindestens ebenso markant wie sein neuestes Gegenüber: die Stadthalle. Wahrscheinlich wird es in seiner geschichtlichen Bedeutung für die Stadt nur noch übertroffen von der Marienkirche. Seine Ursprünge gehen zurück bis in die Ära der Staufer, vor allem zu Kaiser Friedrich II. (1194-1250), der - man weiß es offensichtlich nicht ganz genau - Reutlingen zwischen 1220 und 1240 zur Stadt erhoben hatte. In dieser Zeit wurde auch das Mettmanstor errichtet, das wir heute als Tübinger Tor kennen.

Vor 800 Jahren, am 25. Juli 1215 war Friedrich in Aachen zum Kaiser gekrönt worden. Er war alles andere als ein sympathischer Zeitgenosse, dreimal verheiratet, ein offenbar abscheulicher Ehemann, der ständig einen Harem mit sich führte. Aufgewachsen war er nicht in Schwaben, sondern in Palermo, wo er - vor seiner Krönung - unter eher ärmlichsten Verhältnisse seine Kindheit und Jugend verbrachte. Dass er übrigens täglich ein Bad nahm, wurde ihm übelgenommen: das sei Teufelswerk. Er beherrschte sechs Sprachen, schien von guter Bildung zu sein, war aber mehr seiner Heimat Sizilien zugetan als Deutschland, das nur einen Nebenschauplatz darstellte. Es war eine wirre Zeit, in der sich geistliche und weltliche Macht immer wieder unversöhnlich gegenüberstanden. Es war aber auch die Zeit der "weitreichenden Städtegründungen", wie  Karl Bosl in seinem Buch "Staat, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter" schreibt. Die Staufer zeigten bereits Ansätze einer Wirtschafts- und Handelspolitik. Und sie wussten, dass ihnen die Städte auf Dauer sichere Steuereinnahmen einbringen würden.

Reutlingen lag zwar nicht an den Hauptlinien des Welthandels, aber hatte dennoch eine hohe Bedeutung. Es lag am Ende eines Tales, an einem Fluss, an einer Stelle, an der sich Handelswege kreuzten.

Die Staufer förderten seit Barbarossa das Bürgertum. Der Begriff "Stadtluft macht frei" kam gleichsam in Mode, wer als Leibeigener in einer Stadt Zuflucht fand, hatte die Chance, mit der Zeit ein freier Bürger zu werden.  Es war vor allem Friedrich II., der die Bedeutung der Städte zur Sicherung seiner Macht erkannt hatte. Leider gibt es wohl kaum Informationen über die Stadtgründungen im Schwabenland, aber es deutet einiges darauf hin, dass die Ernennung zur Stadt zwischen 1236 und 1241 erfolgt sein soll. In dieser Zeit sind wahrscheinlich auch die Befestigungsanlagen entstanden. Der Bau der Mauern und Türme muss eine Menge Geld verschlungen haben, was - wie aus anderen Berichten ersichtlich ist - zu Steuerbefreiungen führte. Von Köln wird erzählt, dass die Errichtung der Wehranlagen und die Ausgaben für Verteidigung 82 Prozent der städtischen Einnahmen verschlungen haben.

Auf jeden Fall haben die kaisertreuen Reutlinger 1247 eine erste Belagerung gegen örtliche Mächte überstanden - auch wenn die Mauern wohl eher einem Provisorium geähnelt haben als einem festgefügten Wehr. Heinrich Raspe aus dem Ermstal, der ein Jahr zuvor als Gegenkönig von den geistlichen Führern gewählt worden war, hatte vergeblich versucht, die junge Stadt Reutlingen einzunehmen. Ihm trotzen die Mauer - und das Mettmanstor, das wir heute Tübinger Tor nennen.

Es war als ein Doppeltor angelegt. Wer in die Stadt wollte, "musste zuerst ein Vortor passieren, dann führte ihn sein Weg über eine mit hohen Seitenmauern geschützte Brücke über den Graben, bis er endlich vor das Haupttor gelangte, um in die Stadt eingelassen zu werden", schreibt Gerda Domes 1966 in ihrer Arbeit "Die Befestigungsanlagen der Freien Reichsstadt Reutlingen". Sie berichtet, dass sich vor dem Haupttor die Straße zu einem kleinen Platz erweiterte. Wahrscheinlich war dieser Vorhof überdacht, um Reisenden Zuflucht zu geben, die es nicht mehr geschafft hatten, rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit in die Stadt zu kommen.(Raimund Vollmer)
(Ich versuche alles, nach bestem Wissen und Gewissen aufzuschreiben, bin vor allem aber dankbar für Kritik und Anregungen)
Tübinger Tor: Mit "Vorhof", Schnurbaum und Plastik, 2014
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das "Vorspiel" zu weiteren Umbaumaßnahmen in vielleicht 20 Jahren.