Vor dem Krieg war das Olympia-Theater offensichtlich unter dem Namen "Kurbelkasten" bekannt.
Nach dem Krieg war es so etwas wie die Stadthalle
Reutlingens. Die Listhalle zerstört, an eine Stadthalle war noch lange nicht zu
denken, übernahm das Olympiatheater in der Federnseestraße die Aufgabe, kultureller
Treffpunkt der Menschen in Reutlingen zu sein. Hier fanden auch politische
Veranstaltungen statt. Vor allem aber gaben sich die bereits damals oder auch
später berühmtesten Künstler ein Stelldichein. Schauspieler wie Horst Buchholz
oder Marika Rökk traten hier ebenso auf wie Horst Tappert, der zuerst mit
"Die Gentlemen bitten zur Kasse" und dann als Derrick in die Annalen
der Fernsehgeschichte für immer und ewig einging. Die Reutlinger
Geschichtsblätter beschäftigten sich vor zwanzig Jahren mit diesem Gebäude. Der
Reutlinger Kunsthistoriker Thomas Braun widmet diesem in der Nazizeit
entstandenen Bau einen längeren Beitrag. Wir zitieren:
"Substanzverbesserung und Verschönerung war ein bedeutender Aspekt des architektonischen Umganges mit der Altstadt während der 30er Jahre. Ein zweiter wichtiger Aspekt war, dass Versuche unternommen wurden, die Altstadt mit neuen Strukturen zu versehen. Der Bau des Lichtspielhauses "Olympia-Theater" in der Federnseestraße stellt einen solchen Versuch dar.
Der Plan entstand auf Anregung der NS-Kulturgemeinschaft zunächst in Hinblick auf einen Kontert- ujnd Theatersaal. Als Bauplatz wurde das Areal in der Federnseestraße ausersehen, auf dem noch ein aus dem 16. Jahrhundert stammendes Fachwerkhaus stand. Dieses sollte abgebrochen werden, ein erstaunlicher Befund, wenn man sich die Liebe zur 'urdeutschen Bauweise' noch einmal vor Augen führt. Mit der Planung wurde der parteigebundene Architekt Fritz Klonk beauftragt. Zur problematischen Bauplatzwahl stellte die Presse (Reutlinger Tagblatt, 8.5.1936) fest: 'Zu der Tatsache, dass dieses neue Bauwerk mitten in die Altstadt gesetzt wird, kann nur gesagt werden, dass städtebaulich es geradezu erwünscht ist, derartige Zweckbauten in die Altstadtviertel hineinzubekommen.' Klonk beabsichtigte, seinen Entwurf 'auf die altdeutsche Bauform des 15- und 16. Jahrhunderts abzustimmen. Es entstand ein traufständiger Bau mit Satteldach. Relativ kleine, gekuppelte und vor allem im Erdgeschoss in der Zahl beschränkte Fenster gliederten die Fassade. Etwas aus der Symmetrie gerückt befand sich der Haupteingang als Rundbogenportal ausgebildet. Wie die Fenster war es aus Gewänden von Gönninger Tuff eingefasst.In der Höhenentwicklung blieb das Gebäude hinter seinem Vorgänger, der giebelständig gewesen war, zurück. Der Entwurf blieb im Rahmen des Traditionalismus. Während der Kinobau der zurückliegenden Jahre "unter dem Drang zur Sensation" stand und sich dann als sachlich-funktionelle Bauaufgabe des neuen Bauens entwickelte, sollte dieser Bau nicht wesentlich mehr sein als ein Anpassungsbau. Die künstlerische Dekoration aber sollte sehr aussagekräftig sein. Neben einem Lichtbringer von Rudolf Rempel , Stuttgart, aus dem Schlussstein des Portals gemeißelt, war der Sgrafittoschmuck bemerkenswert. Wie die Tympanon-Gemälde der Spitalkirche stammte es von Anton Geiselhart. Unter den Darstellungen von Amor, Thalia, Terpsychore und Komödia "'marschieren (...) die Gestalten des Sports , der Hitlerjugend (Fahnenschwinger), der Familie (Ehepaar) (...), des Bauernhauses (Bauer mit Pferd) kurz die symbolisierten Ausschnitte aus den Tonwochenschauen.' Welche Bedeutung dem Film innerhalb der NS-Propaganda zukam, zeigte sich hier am Schmuck der Gebäudefront, wenn auch einigermaßen zurückhaltend. In der Altstadt Reutlingen befand sich nun seit 1936 eine Einrichtung, wo 'der Staat und die Bewegung vor das Volk treten' und wo 'kein Volksgenosse mit seiner Bereitwilligkeit zur Übernahme dieser tragenden und die Seele stark machenden Tonfilmdokumente zurückhalten darf. Der Bau bestand bis 1969.Quelle: Reutlinger Geschichtsblätter, 1995, Thomas Braun: "50 Jahre Kriegsende, Bauen in Reutlingen im Zeitraum 1930-1950"
Bildertanz-Quelle: Reutlinger Geschichtsblätter 1995, Reutlingen 1930-1950, Wolf-Rüdiger Gassmann,
Im Juli 2012 hatten wir eine kleine Werbeanzeige des Olympiatheaters
veröffentlicht, der informative Kommentare folgen. HIER
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