Dienstag, 20. Oktober 2015

Reutlingen: Der Krieg, die Zerstörung, der Wiederaufbau (1)


Ein Zeitdokument aus dem Jahre 1953: Auf dem mittleren Bild (links) kann man übrigens noch sehen, dass die Straßenbahn bis vor den Hauptbahnhof fuhr. Das hatte etwas Großstädtischeres an sich als heute. Gibt es dazu noch andere Fotos? (RV)
Bildertanz-Quelle: Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein
(Erstmals im Bildertanz-Blog erschienen am 22. Januar 2011)

LESEPROBE
1050 Wohnungen zerstört
»Das war die Bilanz des totalen Krieges: 1050 Wohnungen in der Stadt Reutlingen zerstört, viele hundert schwer beschäfigt. Allein beim ersten Luftangriff wurden 6000 Bürger obdachlos. 16 Fabriken sanken in Schutt und Asche. Evakuierte und Vertriebene verstärkten die Wohnungsnot. Es gab kein Telefon, kein Wasser, kein Gas, keinen Strom. Trümmer bedeckten meterhoch die Straßen. Bomebentrichter reihte sich an Bombentrichter. Der Reutlinger Bahnhof war zerstört, die Brücken gesprengt. Die Verwaltung verfügte nur über zwei fahrbereite Lkw. Die notwendigen Lebensmittel konnten nicht herbeigeschafft werden; Reutlingen war von der Umwelt abgeschnitten. Maschinendemontagen, Wohnungsbeschlagnahmungen, Requisitionen am laufenden Band vergrößerten die Not der Bevlkerung. Hinzu kamen Plünderungen, Vergewaltigungen, Verhaftungen. Die Lebensmittelrationen wurden kleiner und kleiner, das Geld immer wertloser. Der 'schwarze Markt' blühte. In Scharen zogen die Reutlinger auf die Alb und zum Oberland, um sich wieder einmal satt essen zu können. Gab es überhaupt einen Ausweg aus der Not, konnte Reutlingen je wieder aufgebaut werden? Hoffnungslosigkeit hatte die Menschen erfasst, die Verzweiflung griff mehr und mehr um sich. Und doch war der Leistungswille den Reutlingern verblieben.«

4700 Wohnungen neu gebaut
»Bald nach dem Einmarsch der französischen Truppen begann in Reutlingen der Wiederaufbau. Im Mai 1945 lief die Enttrümmerungsaktion an, die Eisenbahnbrücken wurden instand gesetzt, die Reutlinger Spende mit einem Aufkommen von rund 3,5 Millionen RM ermöglichte die unentgeltliche Abgabe von Möbeln an 972 ausgebombte Familien. Die große Holzaktion Sigmaringen brachte der Bevölkerung 7500 fm Nutzholz und 1400 rm Brennholz. Die kanalisation wurde wieder hergerichtet, Straßen wurden gebaut, die Eisenbahnbrücken konnten wieder befahren werden. 125.000 ebm Schutt wurden vor der Währungsreform beseitigt. Die beschädigten Gebäude konnten wieder hergerichtet werden. Im Jahre 1948 wurde der Wohnungsbau intensiv in Angriff genommen. 186 Neubauwohnungen wurden in dem halben Jahr nach der Währungsreform erstellt. 1950 kamen 579 neue Wohnungen hinzu. Bis heute sind in Reutlingen 4700 Neubauwohnungen geschaffen worden. Aber noch immer fehlen mehr als 2000 Wohnungen, denn die Einwohnerzahl vergrößert sich ständig. Siet dem Jahre 1946 hat die Einwohznerzahl unserer Stadt um 38 Prozent zugenommen. 6400 neue Industroearbeitsplätze wurden geschaffen. Reutlingen blüht wieder!«
Anmerkung: Brillant getextet.

1 Kommentar:

Matthias hat gesagt…

"Reutlingen blüht wieder!"

Tja, und inzwischen ist die Blume (abermals?) verblüht. Von den großartigen Nachkriegsplänen blieb letztendlich... wenig.