Montag, 24. Oktober 2016

Anonyme Gedanken zu einem Bauwerk, das wir Rathaus nennen und ein Denkmal ist...

... gab es jetzt zu einem Bild, das wir im März 2016 veröffentlicht haben. Es ist eine kleine Liebeserklärung, in der uns leider der Name des Autors verschwiegen wird. Fast schon wehmütig der Unterton, schon deshalb wert, dass der Text nicht nur in einen Kommentar untertaucht zu einem Blogeintrag, der schon eine Weile zurückliegt. Auf jeden Fall ist er es wert, dass wir ihn goutieren. Danke, lieber Anonymos. Das Foto ist von Richard Wagner.(DER URSPRÜNGLICHE BEITRAG: HIER)


"Man kann über das Rathaus ja denken, was man möchte. Auf jeden Fall ist es einfach und wohlfeil, seine Architektur, seine Größe, seine Schlichtheit oder - je nach Gemütslage - Hässlichkeit zu kritisieren und zu verspotten. Auch mag es populär sein, die ehemals vorhandenen Gebäude zu vermissen und zu beklagen, die dem Neubau weichen mussten. Alles gut so weit. Ich jedoch gestehe freimütig: Ich möchte das Rathaus nicht missen. Nein, schön im eigentl
ichen Sinne ist es nicht. Aber das sind auch das Centre Pompidou, der Eifelturm und mach andere Wahrzeichen nicht. Aber was ist schön? Gerade dieses Foto zeigt, was das Rathaus faszinierend mach, seine geradlinige Konstruktion, die nicht s versteckt und nichts vorgibt was sie nicht ist. Eine Architektur, die zeigt, was im Inneren vor sich geht, die die Struktur der Arbeit nach außen hin verdeutlicht. Die transparent ist, nichts Protzerisches hat, die vor allem den Zeitgeist ihrer Entstehung versinnbildlicht. Einer Epoche, in der der Fortschrittsglauben unbändig war, in der - später zwar - auch möglich erschien, in Mittelstadt ein Atomkraftwerk zu errichten. Architektur muss auf die Zukunft hin angelegt sein, das ist klar. Insofern muss sie - auch - ein wenig visionär sein. Nur weiß niemand, wie die Zukunft aussieht. Schaut man sich das an, was in den Sechzigern als futuristisch galt, wird man erkennen, dass sich vieles niemals erfüllt hat, gar ganz anders gekommen ist. Darum müssen wir auch damit leben, dass manches, das visionär geplant und ausgeführt wurde, heute als daneben empfunden wird. Und können es dennoch, aus dem Kontext der Entstehung heraus, schön finden. Und immerhin hat Reutlingen damit einen weithin sichtbaren Gegenentwurf zu den allenthalben aus dem Boden schießenden und leidlich dahinvegetierenden Shopping Malls. Einen denkmalgeschützten obendrein."

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