Montag, 6. Februar 2017

Reutlingen um 1800: Die Stadt der Arbeit und nicht des Luxus und der Bildung



Nach den Wirren der Französischen Revolution flüchteten rund 6000 Adelige ins Ausland. So kam auch Graf Francois-Hercule de Serre (1776 bis 1824) als junger Mann hierher. In seinen Briefen aus Reutlingen schrieb er, der spätere Botschafter und Justizminister Frankreichs, zwischen 1789 und 1800 über die hiesigen Verhältnisse: "In dieser kleinen Stadt, wo alle gleich sind, ist die Arbeit eine Ehre, und jeder, der sich nützlich macht, wird geschätzt. Ich finde großen Gefallen an den Sitten dieser Leute: einfach, gerade, ohne Umstände." Allerdings gab es für ihn auch Grund zum Klagen: "Es gibt keinen Luxus hier und darum auch keine Ausgaben für Toilette." Doch seine stärkste Kritik richtete sich an die Eltern, die aus Geiz und Gier nicht bereit waren, ihren Kindern eine gute Erziehung zu ermöglichen. Alles sei auf unmittelbaren Nutzen ausgerichtet. Sparen galt als höchste Tugend. Auch Friedrich List hatte sich dann später über den Bildungsmangel der Bürger seiner Heimat aufgeregt und die Reutlinger "halbe Mumien" genannt.



Bildertanz-Quelle: Zitiert nach Reutlinger General Anzeiger, Oktober 1962, Adolf Reitz: "Arbeitsfreudiges Reutlingen" und andere Quellen

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