Montag, 10. Juli 2017

1817 - Als Reutlingen mit dem Abbau seiner Stadtmauer begann












Vor 200 Jahren waren die Bürger der alten, aber seit 1802 nun nicht mehr Freien Reichsstadt Reutlingen ihrer alten Gemäuer überdrüssig. Die Wehranlage mit Stadtgraben und Stadtmauern hatte schon lange ihre Bedeutung verloren. Der Große Brand von 1726 hatte diese einstmals so stolzen Gewerke auch nicht schöner gemacht, aber sie waren noch weithin sichtbar und charaktervoll. Aber die Menschen hatten die Nase voll vom Mittelalter. Und so rückten die Bürger bei Nacht und Nebel der Stadtmauer zu Leibe. Die Steine der Bauten, die man nicht zu brauchen vermeint, werden weggetragen und an anderer Stelle für Neubauten genutzt.  Reutlingen verändert sich radikal. Der Ledergraben wird zugeschüttet, wichtige Wahrzeichen der Stadt, das Alb- und das Untere Tor verschwinden bis 1834.
Nur einige Reste der Zwingermauer sind heute erhalten. Sie war zwischen halbrunden Türmen eingespannt, die durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden waren. Dieser Gang soll unter die Häuser der Mauerstraße geführt und seinen Anfang am Albtorplatz gehabt haben. Dieser Gang, der eine Höhe von 1,60 Meter hatte, wurde unterbrochen durch sogenannte Brunnenstuben. Das Mauerwerk diente also nicht nur militärischen Zwecken, sondern auch der Wasserversorgung. Solche ein Brunnenstube soll es am Gartentor gegeben haben. Was immer noch von diesem Gang erhalten sein mag, für uns Normalsterbliche sind diese Stücke nicht zugänglich. Auf jeden Fall wurde vor 200 Jahren ganz schön Raubbau an den Mauern betrieben.
Jahre später kamen die Reutlinger zur Besinnung - und so wurde zum Beispiel das Tübinger Tor vor dem Abriss gerettet. Dennoch kam es - obwohl bei Strafe verboten - immer wieder zu Diebstählen von Steinen. Die Reutlinger hatten das Recycling entdeckt - und sich um eine Touristenattraktion gebracht, die heute jedem Vergleich mit Tübingen oder vielleicht sogar Rothenburg ob der Tauber standgehalten hätte.
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

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