Der Krieg war verloren. Kaiser und König hatten abgedankt. Die November-Revolution. Das Entstehen der Weimarer Republik - vor einhundert Jahre hatten die Menschen einen sehr hohen Informations-und Meinungsbedarf. Vieles war ungeklärt, bis in die eigene Meinung hinein. Die Parteien, die mit der Revolution von 1848 erstmals auf den Plan traten, waren in der neuen Verfassung nicht als entscheidender Faktor genannt worden. Das sollte erst mit der Entstehung der Bundesrepublik geschehen, als - eine große Ausnahme im Vergleich zu anderen demokratischen Verfassungen - ihnen ein Mitspracherecht eingeräumt wurde, aus dem sie dann fast ein Monopol kreierten. Kein Radio, kein Fernsehen, kein Internet - allenfalls Zeitungen halfen vor 100 Jahren den Menschen sich über den Stand der Dinge in der Welt zu informieren. Ja, und dann fragt man sich, wenn man Bilder wie dieses sieht, am Marktplatz in Reutlingen, was wohl in den Köpfen der Reutlinger losgewesen war, als sie sich hier trafen,um einem Redner zuzuhören. Haben sie ihn, der ja ohne Mikrophon zu ihnen sprach, überhaupt verstanden? Was mag sie wohl angelockt haben, gleich zu Aberhunderten zum Maximiliansbrunnen zu kommen? Von diesem Bild geht eine Faszination aus, weil man sich heute gar nicht vorstellen kann, dass Menschen aus politischen Motiven heraus ihr Versammlungsrecht derart zahlreich wahrnehmen. Da müsste dann schon jemand kommen, der nicht, weil er eine wichtige Botschaft hat, uns anlockt, sondern weil er Popstar-Status genießt. Das sind jedenfalls so Gedanken, die dem Schreiber dieser Zeilen durch den Kopf gehen.
Bildertanz-Quelle: Adolf Haussmann
1 Kommentar:
Damals wie heute dominierten Social Media die Meinungsbildung - nur, dass die damals noch nicht elektronisch waren, sondern echte "Mund-zu-Mund-Propaganda". Aber auch damals schon gab es Schneeball-Effekte durch schlichtes Weitersagen; nimmt man dann noch das Stille-Post-Prinzip hinzu, war damals auch nicht alles besser
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