Eine vorwahlgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
So, jetzt habe ich die Online-Umfrage zum
"Super-OB" (Reutlinger General Anzeiger von heute) ausgefüllt. Das war kurz und
schmerzlos. Und danach habe ich mich gefragt, ob ich das, was hier fachmännisch gefragt wurde, auch gefragt hätte.
Ich meine, nicht öffentlich, sondern vor mir selbst. In einer Art
Gewissenserforschung. Das Ergebnis: einige Fragen blieben bei mir ziemlich
offen.
Da wäre...
... zum Beispiel die Frage, ob Mann oder Frau. Sollte eigentlich
egal sein im Rahmen von "Political Correctness", aber das gilt ja nur
gegenüber Dritten. Mir selbst darf ich ja die Frage wohl stellen. Keine Tabus.
Ergebnis: Bei der Erstwahl unserer scheidenden OB, vor bald 16 Jahren, war das
gar kein Thema gewesen für mich. Ich habe sie einfach gewählt, weil ich es so
wollte.
... zum Beispiel die Frage, ob alt oder jung. War damals,
2003, überhaupt kein Kriterium für mich. Aber nun, da ich 16 Jahre älter
geworden bin. im Rentenalter, ist das plötzlich doch ein Thema. Weil ich einen
Favoriten habe, einen, der übrigens zu einer Partei gehört, die ich noch nie
gewählt habe. Nicht etwa deshalb, weil es diese Partei vor acht oder 16 Jahren
noch gar nicht gab, sondern weil mir damals deren Politik auf den höheren Ebenen ihrer
Wirkungskraft nicht gefiel. Und diese höhere Politik spielte auch jetzt bei meinen Überlegungen
keine Rolle, sondern nur die Persönlichkeit. Er ist übrigens ein Er, aber dafür kann er ja nichts. Er ist in
der zweiten Hälfte seines Lebens. Dafür kann er auch nichts. Das Alter ist mir
offensichtlich auch egal. Ich würde ihn wählen, weil ich es so will.
... zum Beispiel die Frage nach dem Aussehen und der
Ausstrahlung. Auch wenn 2003 die Kandidatin mit dem Honoratiorenschwäbisch
weitaus attraktiver war als der Amtsinhaber, dessen Ausstrahlung durchaus
bestimmt wurde von der Wichtigkeit seines Amtes (das war jetzt ein Euphemismus
für die so von mir empfundene Arroganz), spielte diese Frage nach Aussehen und Ausstrahlung allenfalls
unterbewusst eine Rolle. Als wirklich charismatisch habe ich beide nicht gesehen.
Es war eigentlich auch nicht wichtig. Ich würde die Person meiner Wahl nehmen, so wie sie ist.
... zum Beispiel die Frage nach dem Kultur- und Kongresszentrum
(KuK), aus dem dann die Stadthalle wurde. Natürlich ist das bei der kommenden
Wahl kein Thema mehr. Vor 16 Jahren war dies der Stoff, aus dem OBs gemacht
wurden. Wer für das sauteure KuK war, der wählte den Amtsinhaber, wer dagegen
war und damit für eine andere, kleindimensioniertere Lösung, der wählte die
Herausforderin. So war das. Damals. Und dann, so frage ich mich, war Dir das 2003
wirklich wichtig? Wie gut warst Du informiert, um Dir überhaupt eine Meinung
bilden zu können? Auf jeden Fall wolltest Du keine "Kaiser- und Könighalle",
kein KuK. Die "Kaiserhalle" gab's doch schon. Mit bekanntermaßen sehr
antifeudalem Anstrich. Bekommen haben wir dann die Königshalle, die Nummer
kleiner (oder größer, je nach Perspektive). Es ist die "Halle für alle",
die bestimmt in den nächsten Jahren als "Barbara-Bosch-Halle" getauft
wird.
Was aber wäre das Thema heute? Der
"Markenbildungsprozess", wie von den "Klugen Köpfen" des Marketings so
eigenneugierig gefragt wurde? Wenn 9500 Menschen mitmachen, wie bei der
diesbezüglichen Umfrage, dann muss uns doch dieses Thema sehr bewegen. Also,
ich zum Beispiel, habe an dieser Umfrage nicht mitgemacht, weil ich davon
überzeugt wäre, dass Reutlingen eine Marke bilden müsste, sondern weil ich vom
Gegenteil überzeugt bin. Eine Marke bildet sich selbst.
Irgendwie hatte ich den
Eindruck, dass der uralte Spruch "Das Tor zur Alb" immer noch der geheime
Favorit ist. Marke genug. Die Frage ist nur: Wie offen ist dieses Tor?
Und so kommen wir zu einer Frage, die die "Klugen
Köpfe" schlauerweise nicht gestellt haben, die aber trotzdem auf Deiner
Tagesordnung auftauchte.
... die Frage nach der Auskreisung, die ja - politisch korrekt - die Frage nach
der Bildung eines eigenen Stadtkreises ist. Die Frage ist mir in der Umfrage nicht
aufgefallen. Die Fragesteller scheinen entweder schon das Ergebnis zu kennen
oder als ein Thema zu empfinden, das keine Relevanz hat. Sind halt kluge
Köpfe. Oder doch nicht? Eine Frage wäre auch: Wie halten es die Kandidaten mit den Vororten? Was für eine Stadt soll Reutlingen denn werden - unabhängig von allen selbstverständlich wichtigen Fragen nach Wohnungen, Arbeitsplätzen, Kindertagesstätten...
"Menschen werden eingestellt wegen ihrer Qualifikation
und gefeuert wegen ihrer Persönlichkeit", hat mir mal ein kluger Kopf, der
nicht aus Reutlingen kam, erklärt. Und so sind die Fragen, die uns unsere
eigenen klugen Köpfe konkret stellen, auch tatsächlich eher auf die Qualifikation
gerichtet als auf die Persönlichkeit. Da wird direkt oder indirekt nach der
Verwaltungskompetenz gefragt, da ist das Thema Präsenz in den "sozialen
Medien" ein Abfragekriterium, aber bei den Tugenden sollen wir selber
unsere Favoriten nennen. (Ich habe hier nur ein einziges Kriterium hingeschrieben, das ich aber ansonsten für mich behalte.)
Also, bei aller Kritik an Frau Bosch (und da gab es ja
gerade hier in unserer Internet-Präsenz keinen Mangel) hat mir die Beherztheit,
der Mut unserer scheidenden OB immer imponiert. Vielleicht habe ich sie deshalb
auch 2011 wiedergewählt. Einen Nachfolger mit persönlichem Mut, den wünsche ich
mir jetzt auch - mehr denn je. Ein OB ohne Mut ist gar kein OB. Und wenn wir
viel Glück haben, bekommen wir jemanden, der Kritik auch als ein ehrliches Kompliment
versteht. Ob nun OB-SIE oder OB-ER, der/die Gewählte sollte genau wissen, dass er/sie
kein "Super-OB" sein kann, kein OB aus dem Fragekatalog und wenn er
von noch so klugen Köpfen entwickelt wurde. www.köpfefürreutlingen.de
Nichtsdestotrotz: Gönnt Euch den Spaß und macht mit bei
diesem Ratespiel! Denn es bringt Euch garantiert auf eigene Gedanken, die niemand erraten kann. Dann wollen wir am Wahlsonntag,
3. Februar 2019, mal gucken, wer was daraus geworden ist. Aus unseren Antworten
- auf Fragen, die wir uns selbst gestellt haben.
Bildertanz-Quelle:RV
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