Samstag, 30. Januar 2010

20. Oktober 1859: Karl Bames, der erste Bildertanz-Blogger


Für uns Bildertanz-Blogger müsste Karl Bames so etwas sein wie unser Urvater. Denn der "Präzeptor" aus Balingen, ein Schuhmacher-Sohn, hat sich vor 150 Jahren hingesetzt und angefangen, ein Tagebuch über Reutlingen zu schreiben. Er wohnte in Pfullingen, war dort 16 Jahre Lehrer, wechselte dann nach Reutlingen. Aber sein Wohnort blieb Pfullingen, denn er war mit einer Pfullingerin verheiratet.
Die Eingangsverse zu seinem Werk sind so schön, dass wir sie Ihnen unbedingt einmal präsentieren wollen.


Am Bubenschulhaus in Pfullingen, der alten Lateinschule, lehrte Bames von 1830 bis 1846, bevor der dann ans Lyzeum nach Reutlingen versetzt wurde. Bames lebte von 1806 bis 1875. Sein Todestag jährt sich am 15. Februar zum 135. Mal. 1859 entschied er sich, die Reutlinger Chroniken zu verfassen. Bildertanz-Foto: Helmut Bader
Über sich selbst schreibt er:
Ich, Karl Bames, bin ein Schuh-
machers Sohn, Poet dazu,
Aus Balingen ein Bürgerssohn,
Präzeptor dreißig Jahre schon;
Zu Pfullingen zuerst ich war
Im Amte über sechzehn Jahr,
Auch bin ich jetzt noch Bürger dort,
Denn meine Frau ist aus dem Ort;
Seit 13 Jahr hier angestellt
bin ich, so lang es Gott gefällt
.
Reutlingen, den 20. Oktober 1859
Karl Bames

Vorrede

Wie jedes Land und jeder Staat
Seine eigene Geschichte hat,
So sollte man in jedem Ort Geschichten,
die sich begeben, jederzeit berichten
Und schreiben jährlich in ein kleines Heft,
Das ist fürwahr kein allzu großes Geschäft;
Auf dass die Mit- und Nachwelt auch erfahre,
was sich verändert im dem Lauf der Jahre,
Was man gebaut, was wiederum verbrannt,
Und wie es hier in diesen Tagen stand.
Oft streitet man, wann etwas sei geschehen,
Oft wettet man und kann es nicht erspähen,
Und traurig ist’s für eine größ’re Stadt,
wenn die gar keine Geschichte hat,
Wenn man nicht finden kann in alten Schriften,
wer dieß gebaut, wer jenes thäte stiften,
Wie sich entwickelt Handel, Industrie,
Wenn auf die Frage, wer, was, wann, wo, wie?
Die richtige Antwort man muß schuldig bleiben;
Da wird man fragen: Konnten sie nicht schreiben?
Und fehlte ihnen Sinn, Talent und Zeit,
Uns zu berichten solche Kleinigkeit?
Die ein Jahrhundert kaum vor uns gewesen,
Vielleicht sie konnten gar nicht einmal lesen.
Doch nein! Geschichten haben wir hier schon
Von Gratianus, Gailer, Fizion,
In Prosa und in Versen vorgetragen;
Nur eines haben wir hier zu beklagen,
Daß Niemand hier hat Hand und Fuß gerührt
Und ihre Arbeit treulich fortgeführt –
Weil ich nun diesen Fehler, diese Lücke
In der Geschichte dieser Stadt erblicke,
So hab’ ich, wenn auch ziemlich schon betagt,
Mich an das Unternehmen doch gewagt
Und will hiermit in meinen Mußestunden
Ergänzen, was ich mangelhaft gefunden,
Und weiter schreiben, was zu meiner Zeit
Geschehen, weil’s gewiß die Nachwelt freut;
Ich will die Sache meist in Verse bringen
Und wie einst Fizion die Stadt besingen.
Vielleicht findet sich nach meinem Tod ein Mann,
der besser diese Chronik führen kann,
Der durch die Sachen, die er hier berichtet,
Die Bürger dieser Stadt zum Dank verpflichtet,
Wohlan, so sey’s! ich greife zu dem Kiel
Und schreibe Euch, wer weiß, wie lang, wie viel,
Was sich Merkwürdiges in meinen Tagen
In dieser Stadt und Gegend zugetragen.

Keine Kommentare: