Dienstag, 5. Juni 2012

Das Rathaus, die Stadthalle und andere Bauten der sechziger, siebziger Jahre...


... standen gestern und stehen heute auf dem Programm einer Tagung des Bundes für Heimat und Umwelt, zu der Architekten, Denkmalpfleger und Kunsthistoriker aus ganz Deutschland nach Reutlingen kamen. Tagungsort ist der Ratssaal des Reutlinger Rathauses. Natürlich ist die neue Stadthalle, vorgestellt von Projektmanager Klaus Kessler und Baubürgermeisterin Ulrike Hotz, kein Bau der siebziger Jahre, aber steht in einer starken Affinität zu dieser Epoche. Mein Job war es - ich bin weder Architekt noch Historiker - eine Gruppe durch die untere Wilhelmstraße in Richtung Listplatz zu führen, wobei ich versucht habe, nicht die offizielle Meinung über Reutlingens jüngste Geschichte, sondern die Meinung der Normalbürger widerzugeben. Und da gab es die umstrittenen Bauten wie das Rathaus, den Ersatz für den Kronprinzenbau oder das spätere Parkhotel und - am Ende des Rundgangs die neue Stadthalle. Hochinteressant war, wie sehr den jungen Leuten (alle in den Zwanzigern)
- das Gebäude der Dresdner Bank, dann Commerzbank und nun ohne Namen am Listplatz
- der Rathauskomplex
- und die neue Stadthalle
gefiel, während den älteren Leuten vor allem die neue Stadthalle eher unangenehm auffiel.
Es war eine spannende, kontroverse Diskussion in dieser Gruppe, die leider bei der späteren Präsentation durch Kessler und Hotz nicht weiter aufgegriffen wurde. Vielleicht waren deren Vorträge auch zu glatt, zu wenig eine Einladung zu einer Debatte. Aber vielleicht hat es die an anderen Stellen während der Veranstaltung gegeben. Beim Abendessen meinte zumindest zumindest ein Gast aus der Schweiz über den Eidgenossen Dudler: "Es ist seltsam, dass Herr Dudler in seiner Werk-Liste kein Gebäude in der Schweiz nennt." Bei der Führung meinte derweil ein recht bekannter Architekt aus der Region: "Die Gebäude von Dudler sind sehr streng, fast abweisend - umso größer ist dann die Überraschung, wenn man in die Halle hineinkommt." Ich muss sagen, dass ich genau diesen Überraschungs-Effekt erlebt habe, als ich im März erstmals die Halle von innen sehen durfte.
Alles in allem: ein Bau, der fast 50 Millionen Euro gekostet hat und nicht kontrovers diskutiert wird, ist von vornherein sein Geld nicht wert. Schade ist nur, dass die Stadt nicht durch eine zweite Abstimmung, einem Bürgerentscheid, der - wie versprochen - der Planung die Zustimmung durch die Bürger erteilt, diese Diskussion im Vorfeld noch einmal angeheizt hat. Die Umfrage, die der GEA durchgeführt hat, war dafür kein Ersatz, weil ihr diese leidenschaftliche, die ureigene Entscheidung treffende Diskussion nicht vorsausging. Irgendwie fühlen sich die Bürger nämlich in der Auseinandersetzung mit der Halle, die das Stadtbild dramatisch verändert, bis heute ziemlich alleingelassen. Das ist jedenfalls bis heute mein Eindruck.
Es reicht nicht, dass man alles schön und widerspruchsfrei darstellt und das Wörtchen Bürgerbeteiligung hie und da einstreut. Das ist alles zu glatt, womit man weder der Stadthalle und dem Architekten, noch den Bürgern gerecht wird.

Auch über das alte Nordsternhaus gerieten die jungen Teilnehmer ins Schwärmen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es war auch von jungen Leuten schon Kritik an der Stadthalle zu hören. Allerdings ist die meist der Nutzung geschuldet, als das man die neue Halle vornehmlich den Philharmoniker gewidmet hat, städtischen Festen und klassische Veranstaltungen. Dagegen wurden Konzerte o. bspw. Aufführungen von Kabarettisten, gerade für die jüngere Generation, schon mehrfach ein Riegel vorgeschoben.

Nicht umsonst spottet man auch gerne vom bosch'en Denkmal, ist doch die Philharmonie ihre große Passion...