Dienstag, 3. Juli 2012

Der Scheibengipfeltunnel: Ein Modellversuch







Gestern in Rommelsbach Wittumhalle. Nicht gerade überfüllt war der Saal, als die Stadt Reutlingen abends den Nordraum zu Vortrag und Diskussion über die Auswirkungen des Scheibengipfeltunnels einlud. Und zehn Minuten vor dem offiziell geplanten Schluss um 21.30 Uhr war die Veranstaltung auch schon zu Ende. Dabei wurde durchaus eifrig diskutiert über die erwartete Belastung der Bundes-, Land-, Kreis- und Ortsstraßen im Reutlinger Nordraum. Die meisten Bürger kamen aus Rommelsbach, etwa ein Drittel. Ein Viertel war aus Altenburg. Der Rest kam aus Degerschlacht, Sondelfingen etc. Niemand aus Betzingen, niemand aus Sickenhausen. Und irgendwie war Erste Bürgermeisterin Hotz ein wenig enttäuscht, dass nicht mehr gekommen waren. Immerhin ist es ja ein heißes Eisen - so kurz vor Beginn der Tunnelbohrung. Die Vorträge wirkten profund, die Moderation angenehm, die durchaus kritischen Fragen und Anregungen der Bürger kamen sachlich. Am Ende waren alle irgendwie erleichtert, dass es nach Meinung der Experten in den nächsten 20 Jahren nur eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit für den Bau der umstrittenen Dietwegtrasse gäbe. Denn diese würde eine nicht unerhebliche Mehrbelastung für den Nordraum bedeuten.
Es wurde viel mit Zahlen jongliert, Zahlen über die Verkehrsentwicklung en gros und en detail. Es waren Zahlen aus dem Modellbaukasten des Planungsbüros. Zahlen, die viel über den Ziel- und Quellverkehr, über den Durchgangsverkehr, also über das Woher & Wohin der Autos sagten. Es waren Zahlen aus dem Computer. Simulationen. Ob sie stimmen, werden wir erst in fünf Jahren wissen, wenn der Tunnel eröffnet ist und sich die Verkehrsströme neu konfigurieren. Natürlich wissen die Experten, wie der Verkehr vor 20 Jahren aussah, 1991. Sie wissen auch, wie sich der Verkehr inzwischen entwickelt hat. Aber in ihren Prognosen von damals haben sie sich - das geben sie schon zu (und es ist ja auch keine Schande) - durchaus geirrt. Es gibt mehr Fahrzeuge, und es fahren mehr Fahrzeuge als damals gedacht. Vielleicht sind die Computermodelle heute besser, aber sie basieren dennoch alle auf Annahmen, die weder den gesellschaftlichen, noch den technologischen Wandel berücksichtigen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich die Autos des Jahres 2032 deutlicher von den heutigen unterscheiden als diese von denen des Jahres 1992. Wie hoch ist der Anteil der Elektroautos und wie verändern sie unser Fahrverhalten? Wir wissen nichts über die Energiepreise und deren Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Wir wissen nichts über eine mögliche Stadtbahn oder ganz andere Beförderungtechniken, die sich im Laufe dieses Jahrhunderts noch entwickeln. Wir wissen nicht, wie die Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitsverhältnisse unsere physische Mobilitätsmuster verändert. Und eine Straße - vor allem dann, wenn sie 100 Millionen Euro gekostet hat - muss sich ja über viele, viele Jahrzehnte hinweg rechtfertigen und rechnen.
Also stochern wir letztlich mit Stangen im Nebel herum. Alles, was wir tun können, ist die Zukunft aus dem heraus zu berechnen, was wir heute kennen. Wir blenden jede Menge Zukünfte aus, weil wir sie weder berechnen noch simulieren können. Das wäre eben eine ganz andere Diskussion. So war am Ende dieses Abends nur eines sicher: Der Scheibengipfeltunnel kommt. In welche Zukunft er uns leitet, wissen wir beim besten Willen nicht.
Aber was wir tun können - und da liefen die Bürger bei den Planern offene Türen ein - die ein oder andere Maßnahme einmal auszuprobieren. Das kostet wahrscheinlich sogar gar nicht soviel Geld, man sieht jedoch die Wirkung. Die Planer versprachen jedenfalls, in einem halben Jahr wieder mit uns zu reden. Diesmal dann über Vorschläge. Unsere Vorschläge.

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