Als die Stadt protestantisch wurde und schließlich bettelarm:
»Wenn man von einem Land oder Gemeinwesen sagen kann, dass in ihm die neue Lehre nicht befohlen, sondern von Anfang an ureigene Sache des Volkes gewesen sei, so trifft das auf Reutlingen zu. Sie kam ganz der lebhaften demokratischen Bewegung entgegen, die in der Stadt seit Jahrhunderten zur guten Tradition gehörte. Die stattlicher Liste Studierender der Stadt an Universitäten Prag, Wien Heidelberg, Erfurt, Tübingen, Wittenberg in den Jahren 1368 bis 1520 beweist hinlänglich die Aufgeschlossenheit ihrer Bürger für die Wissenschaften und die Weltanschauung ihrer Zeit. (...)
Unerschütterlich hielt die Bürgerschaft an ihrem Glauben fest und ließ im Vertrauen auf den Sieg ihrer Sache alle Demütigungen und Plackereien über sich ergehen
Eine Rückkehr zum alten Glauben kam nicht mehr in Frage. Lieber wanderten die protestantischen Prediger aus, also dass sie sich mit dem Interim, der Wiederkehr des früheren Zustandes abfanden. Im Januar 1552 erschien auf Befehl Karls V. sein Kommissär Haas mit dem Auftrag, die demokratische Verfassung aufzuheben und an ihre Stelle eine aristokratische zu setzen. Mit diesem "Hasengericht" stand den Reutlingern das Schicksal der Stadt Konstanz drohend vor Augen, die 1548 sich dem Kaiser ergeben, der Reformation entsagen und auf ihre Reichsfreiheit verzichten musste. Aber auch diese schweren Jahre gingen vorüber. Im Jahre 1577 stellte Maximilian II. die alte Verfassung wieder her, die mit unwesentlichen Änderungen bis zur Auflösung der Stadtrepublik geblieben ist.
Wie andere Städte griff auch Reutlingen nach der längst hergebrachten Befugnis der Reichsstände zu dem Rechte, sich in Einungen zusammenzutun. Und diese Bündnisse haben denn auch die äußeren Verlauf der Reformation bestimmt. Nach dem Augsburger Relgionsfrieden von 1555 hat die Stadt Territorialherrin endgültig für sich und ihr Gebiet die Augsburger Konfession festgelegt.
Wenn auch die Relgionskriege ihre Schatten voraus warfen, der Wohlstand der Stadt erlitt kaum eine Einbuße. In einer regen Bautätigkeit, vor allem in den Klosterhöfen, der Verwaltungsgebäuder der auswärtigen Niederlassungen entfalteten sich tüchtige Kräfte. Dem Bau eines neuen Spitals am Markt folgte 1562 das neue Rathaus in endler Renaissance. Prächtige Monumentalbrunnen, den Linden-, Kirch-, Markt- und Löwenbrunnen, zierten die öffentlichen Plätze. Da kam der 30jährige Krieg, der mit seinen politischen, wirtschaftlichen und sittlichen Folgen den Zerfall des Gemeinwesens brachte, von dem es sich nicht mehr erholte.
Die vielen Kriegssteuern und Quartierlasten machten die Stadt bettelarm. Mit der einheitlichen Macht der Reichsstädte, ihrer lediglich auf die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit gerichteten Politik war es zu Ende...«
Aus dem Buch "Reutlingen" (leider fehlen in diesem Buch die Anfangsseiten, wer kann weiterhelfen?"
Bildertanz-Quelle: Bert Wagner (Foto-Sammlung)
1 Kommentar:
Ich bin im Besitz dieses Buches und könne mit den fehlenden Seiten aushelfen. R.
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