Mittwoch, 1. Juli 2015

Reutlingen - eine Traumstadt



Reutlingen vor 30 Jahren: 1985
Von Raimund Vollmer

Im Mittelalter gehörten Wohnen & Arbeiten zusammen. Es war die Industrialisierung, die im 19. Jahrhundert begann, die nach und nach Wohnen und Arbeiten immer weiter auseinander riss. Vor 35 Jahren sah der amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler eine Zeit beginnen, in der beides wieder zusammenkommen würde. Heute steht in der FAZ, dass die Stadt Berlin in einem neuen Wohnungsbauförderungsprogramm das "hybride Wohnen" unterstützt. In einem Interview mit der Stadtplanerin Regula Lüscher erklärt sie, was darunter zu verstehen ist. "Hybrid bedeutet in diesem Fall, Wohnen und Arbeiten nicht mehr räumlich voneinander abzugrenzen - sondern Räume geschaffen werden, in denen gewohnt und gearbeitet werden kann und die auch öffentlichen Nutzungen zur Verfügung stehen."
Warum - so fragt man sich - hat es 35 Jahre gedauert, bis Politik & Verwaltung endlich begreifen, wohin die Reise geht, den der demografische und der technologische Wandel angestoßen haben.
- Seit 100 Jahren entwickelt sich die Familie von der Großfamilie über die Kleinfamilie hin zum Einpersonenhaushalt.
- Seit mehr als 50 Jahren wissen wir, dass wir immer älter werden und die Lebensarbeitszeit verlängern müssen.
- Seit mindestens 25 Jahren merken wir, dass der technologische Wandel immer mehr Menschen die Chance bietet, von zuhause aus arbeiten zu können.
Geht man nun ins Google-Netz und gibt dort "hybrides Wohnen" ein, so werden einem unter anderem Bilder von Gebäuden angeboten, in denen diese "neue" Form der Lebens(ge)wohnheiten möglich sein soll. Es sind dieselben architektonisch kalten Gebilde, wie wir sie seit langem kennen und die jenen kühlen Apple-Look haben, den alle brauchen, die zeigen wollen, dass sie "Professionals"  sind, Menschen, die sich selbst und alles andere auch unter Kontrolle haben. Aber eigentlich sind sie nur Ausdruck von Distanz sowohl zur Arbeit als auch zum Wohnen. Diese Gebäude sind Ausdruck für hybrides Leben, das zu allem Abstand hält - besonders zu Gefühlen.
Vor 50 Jahren erschien ein Buch, dessen Titel längst zu einem geflügelten Wort avancierte: Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Autor war der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich. Darin rechnet er ab mit den unpersönlichen, uniformen Nachkriegsbauten, mit Städten, die all gleich monoton und öde aussehen.
Auch unser Reutlingen gehört zu diesen Städten, die ihre Unverwechselbarkeit allein jenen Gebäuden zu verdanken haben, die lange vor der Industrialisierung entstanden sind.
Wie schön wäre es, wenn jetzt eine GWG daherkäme und sagen würde, wir wollen etwas einzigartiges schaffen. Wir wollen Lebensräume schaffen, in denen gewohnt, gearbeitet und geträumt werden kann. Dann, ja dann könnte Reutlingen endlich eine Großstadt werden - eine große Stadt, eine großartige Stadt.



Bildertanz-Quelle: Luftbild aus Atlas Reutlingen

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