Donnerstag, 10. Dezember 2015

Neue Ortsmitte: Altenburg auf dem Weg zur Avantgarde?


(Kommentar) Endlich mal kein kalter GWG-Bau. Endlich mal eine Ortsmitte, in der es sich leben lässt. Endlich mal ein Dorfplatz, der zum Dorfleben einlädt.  Es ist fast zu schön, um wahr zu werden. Altenburg, seit 43 Jahren Teil der Stadt Reutlingen, bekommt eine Ortsmitte, die endlich die Kaltbauten der Nachkriegszeit hinter sich lässt und dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Altenburg wird Avantgarde.

Gestern tagte der Bezirksgemeinderat von Altenburg. Zum zweiten Mal hintereinander wegen des großen Interesses im Bürgersaal, der dann auch tatsächlich mit rund 30 Besuchern gut gefüllt war. Und alle, auch die Mitglieder des Ortschaftsrats, waren überrascht von dem, was ihnen da Architekt Gerhard Schulz aus Pfrondorf präsentierte. Seit 20 Jahren bemühen sich die Altenburger darum, den leeren Platz an ihrer breiten, allzu breiten Donaustraße als neue Ortsmitte zu füllen. Vergeblich, bis jetzt die GWG das Grundstück von der Stadt erwarb. Das heißt: Anfänglich war die Sorge groß, dass in Altenburg alte Konzepte aus den Schubladen hervorgekramt werden würden und so etwas wie eine Außenstelle der Rommelsbacher Ödbauten entstehen würde.
Doch seitdem Klaus Kessler in der Geschäftsführung der GWG ist, hat der Mut zum Experiment, zum Neuen, stark zugenommen. In der Stadtplanung hatten die Altenburger mit Sabine Freitag zudem eine starke Protagonistin für ein eher dörfliches Konzept. Deshalb kann die GWG jetzt den wohl deutlichsten Bruch mit den kalten Zweckbauten der Vergangenheit vollziehen. Dafür steht die  Entscheidung für das Konzept, das Gerhard Schulz gestern präsentierte.

Die Architekten  Gerhard Schulz und Sokrates Molochidis, der vor allem den großen Ent-Wurf wagte

Da wird nicht ein Dorf zu Tode geklotzt, sondern mit einer "kleinteiligen Körnung" zu neuem Leben erweckt. 17 Zwei-Zimmer-Wohnungen, zwischen 55 und 78 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf drei Gebäudekomplexe sollen hier entstehen. Hinzu kommt noch eine 100 Quadratmeter große Maisonette-Wohnung. Ingsesamt wird es 1200 Quadratmeter Wohnfläche geben, die zur Miete, zu einer "bezahlbaren" Miete, angeboten werdem. Und der ganze Komplex soll bereits 2018 fertiggestellt sein. Hinzu kommen 28 Stellplätze auf einem Vorplatz, der durchaus zu einem Dorfplatz umfunktioniert werden kann. Und hier könnten Veranstaltungen stattfinden, die ohne feuerpolizeiliche Probleme 300 Menschen verkraften können. Und da es sogar eine kleine Tiefgarage gibt, wäre diese sogar bei schlechtem Wetter für kleine "Events" nutzbar.
Alles wirkt durchdacht. Alles ist zugeschnitten auf ein echtes Dorfleben. Und die frei finanzierten Wohnungen, die also ohne öffentlichen Zuschuss errichtet werden, sind so konzipiert, dass altersgerechtes Wohnen durchaus möglich ist - was dem Namen GWG eine neue Bedeutung als Geriatrische Wohn-Gemeinschaft zukommen ließ. Oder anders formuliert: Altenburg bekommt eine Alten-Burg. So die wohlwollenden Späße am Rande der Präsentation, die allerdings auch deutlich machten, dass die Altenburger das Wohnkonzept freudig aufgenommen haben. Am liebsten würden einige Altenburger die Wohnung nicht mieten, sondern kaufen. Doch das ist nicht geplant - auch wegen der Stellplätze nicht, deren Eigentümer im Unterschied zum Mieter kaum dazu zu verpflichten wären, im Falle eines Events den Stellplatz zwei- oder dreimal im Jahr zu räumen.
Aber die Stellplätze sind ohnehin noch ein Thema, das die Architekten mit der Stadt detaillierer aushandeln müssen. Ein großes Hinternis können sie nicht darstellen, da ja auf der anderen Seite der Donaustraße, im tiefen Seitenarm der Neckargasse, Platzmöglichkeiten bestehen.
Natürlich interessierte die Bürger vor allem die Nutzung des Gebäudes als Einkaufsmöglichkeit. Hier hat der Architekt sich eine kleine Markthalle ausgedacht, ähnlich dem in Betzingen in der Steinlachstraße realisierten konzept. Aus 200 bis 250 Quadratmetern ist Platz für drei Geschäfte im lockeren Verbund. Und wer dann hier nicht einkaufen mag, dem ist ohnehin nicht zu helfen.
Es ist ein großer Schritt für Altenburg, aber ein noch größerer für Reutlingen, das nun endlich Schluss macht mit der Lieblosigkeit und Leblosigkeit ihrer Ortsmitten in den Dorfbezirken.
Die Bürger jedenfalls waren sehr, sehr angetan von dem Konzept. Die Baufortschritte sollen übrigens synchronisiert werden mit der Erneuerung der Erlenbachverdolung unterhalb der Donaustraße. Das heißt: auch die Donaustraße soll zeitgleich verengt werden - ein Herzenswunsch nicht nur der Anwohner. 
Raimund Vollmer

Bildertanz-Quelle:RV

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich bin sehr positiv überrascht, dass die GWG und die Stadt Reutlingen es endlich geschafft haben, endlich in Altenburg zu investieren und ein öffentliches Ensemble für die Bürger zu bauen. Der Teilort Altenburg wurde seit den 1970er Jahren als Teilort der Stadt Reutlingen mehr oder weniger ausgenutzt und ausgelaugt: Man hat sich der dicken Gewerbesteuer-Einnahmequellen durch das Indusriegebiet Mahden bedient, man hat dem Ort in den 70er Jahren Wohlstand versprochen, man hat den Ort städtebaulich und naturschutzmäßig sehr vernachlässigt (Verdohlung des Baches), (Zerstörung der alten Ortsmitte und der Strukturen), aber keinen Cent ausgegeben, für eine funktionierende Stadtplanung.

Noch heute ist es für alte Leute unmöglich, die kein Auto haben, irgendwo einzukaufen, da es nur einen Bäcker gibt. Eine Schande für die Stadtplanungsbeamten der Stadt Reutlingen!

Immer wieder gut, dass sich Bürger engagieren und die Stadtplanungsfehler korrigieren, und jetzt endlich gebaut wird. Altenburg - weiter so!

H. S. Reutlingen