Samstag, 13. Februar 2016

Die Samstagsstory: Das Bad, die Hochzeitsgelage und das Kronprinzenhotel


Ja, so war'n die alten Reutlingersleut: 

Wie es vorher war, ist wohl unbekannt, aber zwischen dem 14. Jahrhundert und dem 30jährigen Krieg gab es drei Badehäuser in der Stadt. Das eine stand beim Tübinger Tor, war vermutlich in der Katharinenstraße und wurde Mettmannsbad genannt. Das andere nannte sich Spiegelbad und lud dort ein, wo heute die Oskar-Kalbfell-Turnhalle steht. Das Kutzinbad lockte mit seinen Badezubern in der Mauerstraße am Gartentor. Nun war man alles andere als schüchtern und verklemmt im Reutlingen des Mittelalters. Denn die Badezuber standen offen in einem Saal und man unterhielt sich von Wanne zu Wanne. Man spielte Karten, man tafelte oder ließ sich rasieren. Wer wollte, ließ sich (vom Bader) schröpfen, also Blut abzapfen, um sich so von irgendeinem Wehweh zu befreien. Aus dem Jahr 1540 ist bekannt, wie teuer denn das Bad war. Sechs Kreuzer zahlte man auf Beschluss des Stadtrates für ein Solo in der Wanne. Wer sich den Zuber mit jemand anderem teilte, der musste acht Kreuzer für das Doppel hinlegen. Dabei gab es offenbar keine Trennung nach Geschlechtern. Zumindest in Reutlingen war es den Herren im Rat egal, ob das Pärchen miteinander verheiratet war oder nicht.
Da das Kutzinbad an der Mauerstraße besonders großzügig angelegt war, konnte man dies auch während der Feierlichkeiten für Hochzeitsgesellschaften mieten - und zwar für zwei Badezeiten. Da es 18 Zuber gab, hatten also 36 Hochzeitsgäste den Badespaß. Wer unter einer ansteckenden Krankheit litt und deshalb isoliert lebte, durfte sich trotzdem alle drei Wochen ordentlich waschen. Dann stand den Siechen das Bad zur Verfügung. Mit dem Großen Brand von 1726 verschwand auch das Kutzinbad. Doch vier Jahrzehnte später lebte es als Schradinsches Bad wieder auf. Jetzt war es sogar Kurbad. Dort badete man im Schwefelwasser des Heilbrunnens. Der Ulmer Arzt Dr. Frank hatte nachgewiesen, dass das übelriechenden Wasser aus den "Äußeren Rietwiesen" gut war gegen alle möglichen Plagen wie "Haimorrhiden, Stein, Gicht Hysterie, Stockungen des Unterleibs und daher rührende Hypochondrie", heißt es bei Hans Kungl in den Reutlinger Geschichtsblättern. Der Arzt sah aber auch Heilwirkungen gegen "Flechten, Kretze, Ulcus und veraltete syphilitische Leiden". 
 Links das Hotel Kronprinz, rechts geht es dort, wo heute der Kaufhof steht, am Gasthof Löwen in die Gartenstraße hinein, durch die auch - man sieht es an den Gleisen - die Büschelesbahn fuhr.

Ganz schön mondän war das nicht nur zuhause weltberühmte Kurhotel zum Kronprinzen. Im Hintergrund sehen wir den Reutlinger Hauptbahnhof.

Hier sehen wir eine Uraltaufnahme des 1835 errichteten Hotel Kronprinz. 

Und wo Kuren möglich sind, da ist dann irgendwann auch ein Kurhotel fällig. Das entstand 1835 am heutigen Listplatz. "Zum Kronprinzen von Württemberg" ward es genannt (und wurde 110 Jahre später Opfer des II. Weltkrieges). Das Heilwasser wurde über eine sogenannte Deichelanlage auf die zwölf Badekabinette verteilt. Und hier konnte man dann unterschiedliche Badekuren exerzieren. Da gab es neben dem einfachen Säuberungsbad das Kräuter- und das Solebad. Bald war diese Anlage so berühmt, dass es zu den angesehensten Einrichtungen in Deutschland gehörte. Es gab sogar einen mehrsprachigen Prospekt. Natürlich gab es auch ein mehr oder minder anspruchsvolles Kulturprogramm. Inwiefern Kurschatten eine Rolle spielten, ist nichts bekannt. Auf jeden Fall muss Reutlingen damals so etwas wie eine Kur- und Kulturstadt gewesen sein. Das auch noch ohne Stadthalle...

Bildertanz-Fotos: Sammlung Fritz Haux
Bildertanz-Text: Raimund Vollmer auf der Basis der im sogenannten "Tapetenalbum" gesammelten Beiträge (erstmals veröffentlicht am 26.4.2014)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr schöne Bilder, interessante Informationen - Danke.
pe.