Mittwoch, 5. Oktober 2016

Daumen runter für Hochhäuser


Ein Dinosaurer entsteht: Das Hochhaus an der Karlstraße, 1958 eröffnet.
Kommentar
Heute fand ich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. April 1997 einen Beitrag des deutschen Architekturprofessors Andreas Gottlieb Hempel. Vor dem Hintergrund, dass dieser Artikel mit seiner vernichtenden Kritik an Hochhäusern und anderen Investoren-Lieblosigkeiten fast zwanzig Jahre alt ist, fragt man sich, warum Reutlingen heute immer noch einer Strategie nachgeht, die gekennzeichnet ist von "wahren Dinosauriern des technischen Fortschritts" (Hempel). Vielleicht liegt es auch daran, dass die Rolle des Architekten und der Stadtplaner, wie es Hempel in diesem Artikel aufführt, angesichts der Geldmacht der Investoren auf einen einzigen Satz reduziert ist: "Er wickelt ab." Auch bei anderen Gelegenheiten warnt Hempel vor Projekten, die das genaue Gegenteil zu sein scheinen, was eine Stadt zum Beispiel im Vergleich zum ländlichen Raum ausmacht: ihre Vielfalt. Die Stadt der Zukunft wie die Stadt der Vergangenheit zeichnet sich durch folgende Eigenschaft aus, sagt er: "Es ist die urbane Vielfalt aus den unterschiedlichsten Nutzungen, Funktionen, Lebensbereichen und Menschen". Vielleicht redet unsere Stadtverwaltung und deren Stadträte lieber mit Investoren als mit uns, womit eigentlich schon alles gesagt sein könnte: Wir sind denen viel zu vielfältig  - (und sie uns zu einfältig).
Raimund Vollmer




1997: »Konzentration von Kapital und gängigem Know-how und die Übernahme von Gesamtverantwortung zu festen Preisen und Terminen sind in Zeiten gefragt, in denen sich der eigenverantwortliche Bauherr verabschiedet hat. An seine Stelle sind Investoren getreten, die nicht nur für sich selbst, sondern für sogenannte meist noch nicht bekannte Nutzer oder Endverbraucher bauen.
Verantwortung reduziert sich dabei auf justitiable Parameter, vor allem gegenüber Banken und Geldgebern. Verantwortung dagegen für die Gesellschaft, die Umwelt und die Baukultur ist ebenso hinderlich für das Management des reibungslosen Abwickelns einer Bauaufgabe wie technische und künstlerische Innovationen, von denen Architektur seit jeher bestimmt war. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass Oberflächenästhetik von sogenannten Stararchitekten als besser vermarktbare Corporate Identity Baustrukturen überzieht, die, gemessen an den heutigen Möglichkeiten innovativen, ressourcenschonenden und nachhaltigen Bauens, wahre Dinosaurier des technischen Fortschritts sind.
Selbst schon die vergangen geglaubte Epoche der Hochhäuser als Energieschleudern und des antiurbanen Lebensgefühls mit dem Effekt von Verkehrsmagneten konnte im Schutz des Investorenkapitals wiedererstehen.«
Andreas Gottlieb Hempel, Stadtplaner und Architekturprofessor
 

Bildertanz-Foto:Erich Holder

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Die Zeit der Hochhäuser ist doch längst vorbei. Und nach Reutlingen passen die einfach nicht.