Sonntag, 23. April 2017

Geheime Gänge und Brunnenstuben unter der Erde von Reutlingen


 Der Brunnen vor dem Gartentor: Wurde er unterirdisch mit Wasser versorgt?
Bildertanz-Quelle:Familie Lamparter

Rund um die einstige Stadtmauer wurden vor mindestens 500 Jahren unterirdische Gänge errichtet. Sie waren 1,60 Meter hoch, so dass die damals kleinwüchsigeren Menschen bequem aufrecht dadurch gehen konnten. Sie waren zwischen 85 Zentimeter am Ledergraben und 1,75 Meter an der Mauerstraße breit. Sie dienten offensichtlich nicht nur militärischen Zwecken, obwohl sie so geheim waren, dass es keine historische Dokumentation darüber gab. In ihrem Werk "Die Befestigungsanlagen der Freien Reichsstadt Reutlingen" schreibt 1966 Gerda Domes: "Ich möchte jedoch annehmen, dass die unterirdischen Anlagen schon früher, im Zusammengang mit der Zwingmauer angelegt wurden. Es wäre auch denkbar, dass schon vor der Anwendung der Feuerwaffen die Verteidiger der Stadt einen sicher geschützten Verbindungsgang zwischen den einzelnen Befestigungspunkten und vor allem einen verborgenen Ausgang für den Fall einer Belagerung gesucht haben. Mit Hilfe dieses Ganges konnten geheime Boten ausgeschickt und Versorgungsmnittel aller Art in die Stadt gebracht werden." Weiter schreibt Domes: "Bedenken wir die Länge des Ganges um die ganze Stadt herum, so haben wir hier eine beachtliche bauhandwerkliche Leistung." Dem kann man nur zustimmen, zumal die Gänge auch der Wasserzuleitung zu den Brunnen diente und als sogenannte "Brunnenstuben" dienten, in denen Wasser unterirdisch gespeichert wurde. Schreibt Domes: "In den Gängen waren Holzdeicheln angebracht, die wahrscheinlich das Wasser aus dem Quellgebiet der Hegwiesen zu den Brunnen führten. Von der Erdoberfläche wurden dann Röhren in die Gänge geführt, um das Wasser aus den Brunnenstuben, in denen es gespeichert wurde, heraufzuholen. Eine solche Brunnenstube fand man in der Nähe des Gartentores. Halken an den Wänden und ein Rohr, das am Boden des ganzen Ganges entlang lief, lassen vermuten, dass von hier das Wasser zu dem Brunnen am Gartentor geleitet wurde." Es gab aber auch Verbindungen zu den Türmen, die im Wasser des Grabens standen und zu denen es keine überirdischen Brücken gab.
(Raimund Vollmer)
Erstveröffentlichung 11. November 2015

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