Ein Kommentar von Katrin Korth
Viel wird dieser Tage darüber gesprochen, was Reutlingen vielleicht
ist oder sein könnte, wie sich die Stadt präsentieren sollte und was getan
werden müsste, damit ihre Potenziale sichtbar werden. Die "Köpfe für
Reutlingen" zerbrechen sich darüber den Kopf, wohlwollend begleitet durch
die Verwaltungsspitze, der Gemeinderat macht sich dazu möglicherweise auch seine
Gedanken, die Oberbürgermeisterin hat einen Markenbildungsprozess angekündigt -
natürlich mit Bürgerbeteiligung, was dann sicher heißt, dass die Bürgerschaft
ein Konzept vorgestellt bekommt und noch ein paar Ergänzungen einbringen kann.
Was
heißt das alles? Das Interesse und das Bedürfnis ist - zumindest bei einigen -
groß, mehr aus Reutlingen machen zu
wollen. Dabei scheint vor allem wichtig zu sein, dass DIE Bürger doch bitte
endlich aufhören mögen mit ihrem ewigen
Gemeckere, sie endlich auch ein bisschen stolz auf ihre Stadt sein sollen und obendrein auch noch die Frage beantworten
sollen, was jeder Einzelne und jede
Einzelne für Reutlingen tun könne. Und schließlich gibt es ja wirklich wichtigere Dinge als das bisschen Dreck vor
der Haustüre. Und schlussendlich: Die
Stadt ist gut, also braucht es jetzt nur noch eine Marke, mit der man das
gewinnbringend verkaufen kann (Die kursiv geschriebenen Worte geben in freier
Erinnerung verschiedene Berichte und Kommentare des GEA der letzten Wochen
wieder, die die Autorin dieser Zeilen in Verwirrung zurückließen.
Bild: Rathausbrunnen: Baden war hier mal erlaubt, bis es die Rathausmitarbeiter störte
Warum
wird in Reutlingen offensichtlich GEMECKERT, so dass das sogar Erwähnung in der
Zeitung findet, und was ist überhaupt MECKERN? Doch das blendet man aus. MECKERN
ist Ausdruck von Unzufriedenheit, aber eben auch einer Anteilnahme an dem, was
um einen rum passiert. Und das kleine oder auch etwas größere Umfeld in der
eigenen Straße, dem Stadt- oder Ortsteil oder der Stadt ist schließlich das,
was jeden Menschen jeden Tag umgibt. Das ist der Alltag und damit mit das
Wichtigste, was Menschen haben. Und deshalb muss man das MECKERN ernst nehmen
und nicht kleinreden. Die Autorin dieser Zeilen hat in ihrer Reutlinger Zeit übrigens
immer wieder die Erfahrung gemacht, dass, wenn man offen auf Menschen zugeht
und sich für ihre Bedürfnisse, Wünsche und Unzufriedenheiten interessiert und
miteinander Ideen und Lösungen entwickelt, tatsächlich so etwas wie einen Stolz
auf die Stadt gibt.
Und es könnte ja interessant sein, die Bürgerinnen und Bürger mal ohne vorherige Richtungszuweisungen und vorformulierte Antworten zu fragen, was sich eigentlich an ihrer Stadt gut finden und wie und wo sie eine Entwicklung sehen und wünschen. So etwas macht aber nur Sinn, wenn man die Ergebnisse ernst nimmt. Es darf deshalb ernsthaft bezweifelt werden, ob ein aufgesetzter Top-Down-Prozess für eine MARKE REUTLINGEN die richtige Antwort für die Bürgerschaft ist, oder ob es nur eine nette Marketingaktion als Vorbotin des kommenden OB-Wahlkampfes wird. Eine MARKE zu kreieren ohne zu wissen, wohin sich die Stadt entwickeln soll, macht ohnehin wenig Sinn An dieser Stelle sei angemerkt, dass es schon einmal eine Marke gab "Reutlingen, das Tor zur Alb" - verschwunden auf Nimmerwiedersehen. Und Fragen zum "Wohin der Stadtentwicklung" gab es auch schon mal, das Forum Reutlingen hat sie formuliert, doch dieser von Teilen der Bürgerschaft initiierte Prozess war wohl nicht gewünscht.
Und es könnte ja interessant sein, die Bürgerinnen und Bürger mal ohne vorherige Richtungszuweisungen und vorformulierte Antworten zu fragen, was sich eigentlich an ihrer Stadt gut finden und wie und wo sie eine Entwicklung sehen und wünschen. So etwas macht aber nur Sinn, wenn man die Ergebnisse ernst nimmt. Es darf deshalb ernsthaft bezweifelt werden, ob ein aufgesetzter Top-Down-Prozess für eine MARKE REUTLINGEN die richtige Antwort für die Bürgerschaft ist, oder ob es nur eine nette Marketingaktion als Vorbotin des kommenden OB-Wahlkampfes wird. Eine MARKE zu kreieren ohne zu wissen, wohin sich die Stadt entwickeln soll, macht ohnehin wenig Sinn An dieser Stelle sei angemerkt, dass es schon einmal eine Marke gab "Reutlingen, das Tor zur Alb" - verschwunden auf Nimmerwiedersehen. Und Fragen zum "Wohin der Stadtentwicklung" gab es auch schon mal, das Forum Reutlingen hat sie formuliert, doch dieser von Teilen der Bürgerschaft initiierte Prozess war wohl nicht gewünscht.
Doch was ist denn nun das Besondere an Reutlingen? Man darf sich
dazu ja durchaus mal Gedanken machen.
Ist es die Reichsstadt? Wirklich? Oder ist es das prägende
industrielle Erbe, welches bis zur Unkenntlichkeit verschwunden ist, als würde
man sich dessen schämen. Sind es die Feste und Veranstaltungen wie Weindorf,
Neigeschmeckt-Markt und Garden Life? Die fast vergessene große Tradition des
pomologischen Institutes und seine Wiedergeburt im Streuobstparadies? Zusammen
mit dem in der Stadt wenig beachteten Biosphärengebiet könnte das so etwas wie
eine kleine informelle Marke sein (das Tor zur Alb lässt grüßen, ist aber eben
doch recht ländlich und wenig großstädtisch). Ist es die Kultur? Wobei ja schon
seit Jahren fast verzweifelt versucht wird, eine überregionale Kulturstadt zu
werden, die Reutlingen bei aller Sympathie wohl (trotz der wundervollen Württembergischen
Philharmonie und einiger ganz netter Museen) nicht werden wird und vielleicht
auch gar nicht werden muss.
Um also nicht nur zu MECKERN (die mahnende Worte der Frau Oberbürgermeisterin
zeigen prompt Wirkung), wagt die Autorin des Beitrags mal einen kleinen und
selbstverständlich aus eigener Erfahrung geprägten Blick auf eine wirkliche
Besonderheit der Stadt.
Diese Besonderheit sind die Brunnen. Nur wenige Städte der Größe Reutlingens haben mehr davon (die Nachbarstadt, mit der man sich ja nicht vergleichen sollte, hat 42).
Diese Besonderheit sind die Brunnen. Nur wenige Städte der Größe Reutlingens haben mehr davon (die Nachbarstadt, mit der man sich ja nicht vergleichen sollte, hat 42).
Angesichts der aktuellen Eröffnung eines weiteren Brunnens auf dem
Weibermarkt und auch des Wasserspiels im Bürgerpark, welche - trotz Störfeuer
einiger verbissener Hygienefanatiker – möglicherweise eine neue Ära im Umgang
mit dem manchmal ungeliebten Thema eröffnen könnten, lohnt sich also ein
wohlwollender Blick.
Fast 90 Brunnen schmücken Reutlingen, städtische und dörfliche,
große und kleine, alte und ganz neue – mit unglaublichen Geschichten, die viel
mit der Geschichte der Reichsstadt Reutlingen zu tun haben, geliebt von den
Bürgerinnen und Bürgern (im Bildertanz immer wieder zu erleben, offensichtlich
vergessen von den Stadtoberen - außer natürlich bei Einweihungen- trotz
widriger finanzieller Bedingungen sorgsam gehegt von der Reutlinger
Grünpflegeabteilung.
Bild: Maximilianbrunnen: Brunnen als
Begegnungsort für Frauen
Da ist der Maximilianbrunnen auf dem Marktplatz, ein prachtvoller
Renaissancebrunnen, 1570 zu Ehren des Kaisers Maximilian II. errichtet, um ihn
zu bewegen, der Stadt die Zunftrechte zurückzugeben. Diese waren der
widerspenstigen Stadt entzogen worden, die protestantisch bleiben wollte und
sich den Rekatholisierungsversuchen erfolgreich zur Wehr setzte. Es ging um das
Prinzip, und der Preis war hoch, denn Zunftrechte waren seinerzeit die Basis
für Wohlstand. Die Lehre daraus: Wie macht man sich die Mächtigen gefügig, denn
der Plan ging auf. 1578 erhielt Reutlingen die für die Stadt so wichtigen
Zunftrechte zurück.
Da ist der Kaiser-Friedrich-Brunnen, ebenfalls ein
Renaissancebrunnen von 1561 mit einer streng dreinblickenden, abweisenden
Figur, die an den Verleiher der reichsstädtischen Rechte im Jahr 1180 erinnert.
Herrscher mussten noch nie freundlich sein, das ist heute ein bisschen anders.
Bild: Lindenbrunnen - vor der Kompletterneuerung in den 50er Jahren
Da ist der Lindenbrunnen, ein kunstvoller gotischer Dreipfeilerbrunnen, der einzige seiner Art, der sich nördlich der Alpen erhalten hat, 1544 errichtet, als das gotische Zeitalter schon lange überwunden und der Moderne der Renaissance gewichen schien. Doch man war in Reutlingen offenbar schon immer besonders traditionell.
Da ist der Brunnen im Volkspark, der erst 80 Jahre nach seiner Planung gebaut wurde - die Landesgartenschau machte es möglich. Vorher wollte man zwar mit einem spektakulären Entwurf groß hinaus, endete aber doch schwäbisch pietistisch beim Sparen, befördert durch schwere Zeiten.
Bild: Der Gerberbrunnen, der in den 20er Jahren den Löwenbrunnen ersetzte
Da ist der Gerberbrunnen, in einer Zeit entstanden, als Wichtigeres anstand als Brunnenbau, und der an die große städtische Tradition der Gerber und Färber erinnert und deshalb wohl auch wichtig für die Stadtgesellschaft war. Gerberbrunnen und Gartentorbrunnen dienten übrigens lange Zeit zum Gautschen, diesem feinen Ritus zum Ende der Lehrzeit, bei dem die frisch gebackenen Gesellen von ihren Unarten und Schandtaten freigesprochen werden. Eine Tradition, untergegangen mit den Berufen der Gerber, Färber und Buchdrucker. Schade eigentlich.
Da ist der Lindenbrunnen, ein kunstvoller gotischer Dreipfeilerbrunnen, der einzige seiner Art, der sich nördlich der Alpen erhalten hat, 1544 errichtet, als das gotische Zeitalter schon lange überwunden und der Moderne der Renaissance gewichen schien. Doch man war in Reutlingen offenbar schon immer besonders traditionell.
Da ist der Brunnen im Volkspark, der erst 80 Jahre nach seiner Planung gebaut wurde - die Landesgartenschau machte es möglich. Vorher wollte man zwar mit einem spektakulären Entwurf groß hinaus, endete aber doch schwäbisch pietistisch beim Sparen, befördert durch schwere Zeiten.
Bild: Der Gerberbrunnen, der in den 20er Jahren den Löwenbrunnen ersetzte
Da ist der Gerberbrunnen, in einer Zeit entstanden, als Wichtigeres anstand als Brunnenbau, und der an die große städtische Tradition der Gerber und Färber erinnert und deshalb wohl auch wichtig für die Stadtgesellschaft war. Gerberbrunnen und Gartentorbrunnen dienten übrigens lange Zeit zum Gautschen, diesem feinen Ritus zum Ende der Lehrzeit, bei dem die frisch gebackenen Gesellen von ihren Unarten und Schandtaten freigesprochen werden. Eine Tradition, untergegangen mit den Berufen der Gerber, Färber und Buchdrucker. Schade eigentlich.
Bild: Gartentorbrunnen: Gautschen, eine
wundervolle und längst vergessene Reutlinger Tradition
Da waren die 1980er Jahre, eine große Zeit für die Reutlinger Brunnen. Der feinsinnige
Baubürgermeister ließ viele neue errichten. Ein Beispiel dafür ist der
Handwerkerbrunnen in der Altstadt. Brunnen waren wichtig für die Bürger, er hat
es erkannt.
Bild: Wasserspiel Bürgerpark: wer hätte
gedacht, dass ein Platz so voll von Menschen sein kann
|
In den letzten Jahren zwei neue Anlagen, beide nicht unumstritten, aus Sicht der
Autorin beide notwendig. Der im Bürgerpark steht für ein modernes, junges
Reutlingen, der auf dem Weibermarkt verbindet die Geschichte der Stadtbäche mit
neuen, zeitgemäßen Raumaneignungen.
Es gäbe noch mehr zu erzählen. Wen es interessiert, der sei auf das wundervolle Buch von Andrea Anstädt über die Reutlinger Brunnen verwiesen.
Es gäbe noch mehr zu erzählen. Wen es interessiert, der sei auf das wundervolle Buch von Andrea Anstädt über die Reutlinger Brunnen verwiesen.
Natürlich kosten Brunnen Geld, doch sie sollten
es uns wert sein. Brunnen sind eben viel mehr als nur ein bisschen schmückendes
Beiwerk. Sie zeigen Stadtgeschichte im Großen und Kleinen, Geschichten von
Macht und von der Rolle der Menschen in der Stadt, von Begegnungen, auch von
Streit und Versöhnung. Sie sind Zeichen und wichtige Begegnungsorte für die
Stadtgesellschaft, am Brunnen trifft man sich. Das war schon immer so. Nicht zuletzt
deshalb gibt es in einigen Städten Patenschaften und Vereine, die sich um das
Wohlergehen der Brunnen einsetzen, auch finanziell.
An dieser Stelle könnte man enden, gäbe es da nicht den Listplatzbrunnen oder vielmehr das, was übrig ist von ihm.
An dieser Stelle könnte man enden, gäbe es da nicht den Listplatzbrunnen oder vielmehr das, was übrig ist von ihm.
Bild: Listplatzbrunnen bei Nacht, da war die
Welt noch in Ordnung
Wie kaum ein anderer ist er Zeichen für den großen gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Aufbruch nach Kriegsende, ein wundervolles Symbol der 1950er
Jahre. Viele Menschen erinnert gerade dieser Brunnen an ihre Kindheit und
Jugend oder das Ankommen in der Heimat, wenn man aus dem Bahnhof trat. Er war
offensichtlich ungeliebtes Kind der Stadtplanung, die in der Rahmenplanung Nord
lieber freie Sichtachsen und steinerne Plätze propagiert. Für so einen
altbackenen Brunnen war da kein Platz mehr. Für die Autorin war der Beschluss
zum Zuschütten des Brunnens einer der schlimmen Momente ihrer Reutlinger
Berufszeit, sie hätte den Brunnen gern erhalten, doch das hätte eben Geld und
politischen Willen erfordert. Der öffentliche Sturm der Entrüstung war denn
aber doch überraschend, berechtigt war er und Ausdruck einer fatalen
Fehleinschätzung der Bedeutung dieses Brunnens.
In der Zeit danach hat die Autorin einige
Menschen angesprochen, durchaus respektable Persönlichkeiten der
Stadtgesellschaft, ob sie sich nicht eine gemeinsame Aktion zur Rettung des
Brunnens vorstellen könnten. Leider erhielt sie nur Absagen.
So tröstet sie sich mit einem privaten Sponsoring in ihrer Geburtsstadt Magdeburg, mit dem der Betrieb eines feinen kleinen Brunnens gesichert wird. Und immer mal wieder sinniert sie darüber, was denn wäre, wenn sich für den Listplatz Sponsoren finden würden. Ganz im Sinne der "Köpfe für Reutlingen" und ihrem berühmten Zitat von Kennedy: fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, sondern fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt.
Bild: Brunnensponsoring der Autorin, gewürdigt von der Stadtverwaltung Magdeburg
So tröstet sie sich mit einem privaten Sponsoring in ihrer Geburtsstadt Magdeburg, mit dem der Betrieb eines feinen kleinen Brunnens gesichert wird. Und immer mal wieder sinniert sie darüber, was denn wäre, wenn sich für den Listplatz Sponsoren finden würden. Ganz im Sinne der "Köpfe für Reutlingen" und ihrem berühmten Zitat von Kennedy: fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, sondern fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt.
Bild: Brunnensponsoring der Autorin, gewürdigt von der Stadtverwaltung Magdeburg
Die Autorin wäre bereit für ein TUN, wenn sich denn Mitstreiterinnen und
Mitstreiter fänden.
1 Kommentar:
" "Die "Köpfe für Reutlingen" zerbrechen sich darüber den Kopf" "
Nachdem man deren Internetpräsenz angeschaut hat, kann man darüber nur laut lachen. Für Interessierte: Es lohnt sich nicht, das anzuschauen. Lest stellvertretend für das Ganze einfach diesen einen Satz:
"Come-Together bei Sound (Eva Winter-Band), Drink und Fingerfood"
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