(Kommentar) So richtig gefreut wird sich unsere OB ganz bestimmt nicht.
Nach 15 Jahren Engagement für diese Stadt ist Reutlingen im Ansehen der Bürger
nichts anderes als Mittelmaß - und das auf der Basis von nahezu 10.000 ausgefüllten
Fragebögen. Barbara Bosch, Oberbürgermeisterin von Reutlingen, war gestern bei
der Präsentation der Umfrageergebnisse zum Markenbildungsprozess eher
zurückhaltend. Und auch das Begleitprogramm um Helge Thun sprühte nicht mehr
mit so viel Esprit wie noch bei der Erstpräsentation am 16. Januar 2018 in der
Stadthalle. Es herrschte Ernüchterung. Die Bruddler, die zu Jahresbeginn noch
als eine Minderheit angesehen wurden, waren plötzlich mehrheitsfähig.
Da gingen selbst die Bielefelder, deren Umfrageergebnisse
mit denen der Reutlinger verglichen wurden, empathischer mit ihrer Stadt um. Dabei
gehört Bielefeld zu Westfalen, das mit rheinischer Frohnatur so wenig zu tun
hat, wie Schwaben mit Baden. In Bielefeld, einer Großstadt mit 300.000
Einwohnern, hatten 2016 die Bürger rund
5.500 Fragebögen ausgefüllt. Sie hatten ihrer Stadt mehrheitlich mit einer Zustimmung von
mindestens sieben von zehn Bewertungspunkten Stärken wie "facettenreiche
Kultur", "Stadt der Bildung und Wissenschaft", "starke
Wirtschaft" und "lebenswerte Großstadt" attestiert. Vier Big
Points, aus denen man etwas machen kann, um die Außenwirkung dieser
ostwestfälischen Großstadt zu stärken. Alles Dinge, alles Themen, in denen sich
auch das Eigenengagement der Bürger manifestierte.
Und nun Reutlingen. Hier musste die Schwelle von Mittelmaß
in Richtung Stärke auf sechs Bewertungspunkte gesenkt werden, um wenigstens mit
drei Themen oberhalb der Linie glänzen zu können. Ganz hoch oben stand dabei die "attraktive
Lage", ein Punkt, den man von der Natur geschenkt bekam. "Starker
Wirtschaftsstandort" und "entspannte Einkaufsstadt" sind die
zwei weiteren Themen, mit denen Reutlingen in der Außendarstellung reüssieren
konnte. Es gab da noch einen vierten Punkt, das "Bildungsangebot",
das sogar an zweiter Stelle lag, aber außen vor blieb, weil es nach Meinung der
Markenforscher zu wenig "Treiberwirkung" entfalte. Das war schon ziemlich
ernüchternd. Und das tat ganz bestimmt auch weh. Unsere Oberbürgermeisterin
wirkte schon ein wenig kleinlaut, als sie am Schluss der Präsentation von Helge
Thun interviewt wurde. Kein Knüllerabend. Da half auch nicht mehr die
Spaßebene, kein Dodokay, kein TauschRausch.
Besonders enttäuschend war, dass das
"Kulturangebot" der Stadt das zweitschlechteste Ergebnis (nach
"Familie und Wohnen") bekommen hat - das waren ja die Themen, denen
sich unsere Oberbürgermeisterin in den anderthalb Jahrzehnten ihrer Amtszeit besonders
verpflichtet sah. Und die hohe Beteiligung, die diese Umfrage zumindest nach
der Zahl der ausgefüllten Fragebögen auswies, lässt mutmaßen, dass sich eine
Menge Frust aufgestaut hat.
Hatten wir vom Bildertanz, die ja bis in die Leserkommentare
auf Facebook hinein eine eher kritische Einstellung zu dieser Stadt in der
Vergangenheit hatten, mit unserer distanzierten Haltung zu etlichen Projekten doch
recht? Ist Reutlingen tatsächlich nicht
so gut, wie das handelnde Establishment bislang meinte? Oder sind es wir, die
Bürger, die die Stärken dieser Stadt einfach nicht objektiv sehen und
"Reutlingen unter Wert verkaufen"?
Nach dem Krieg nannte sich diese Stadt jahrzehntelang "das Tor zur
Alb", werbetechnisch kein schlechter Spruch, über dessen
Selbstgefälligkeit man auch ein wenig lächeln konnte. Wer hinauf auf die Alb wollte, musste
durch Reutlingen durch. Und jetzt geht der Weg durch den Tunnel des Scheibengipfels.
So ist es gewollt, so ist es erwünscht und erkämpft. Von unserer Stadt bekommt
man da als Durchreisender gar nichts mehr mit. Reutlingen ist verschwunden. Eine
Tatsache, die uns erst noch bewusst werden muss. Weshalb soll man nach
Reutlingen rein? Zum "entspannten Einkaufen", das so lange
"entspannt" sein wird, solange es noch Geschäfte gibt? Und die niedrige Arbeitslosigkeit in unserer Stadt ist weniger ein Zeichen der wirtschaftlichen Stärke, sondern dem fehlenden Angebot an Arbeitsplätzen. Fragen Sie mal in Ihrer Umgebung, wer tatsächlich in Reutlingen arbeitet? Reutlingen ist als Schlafstadt ein Stück Stuttgart.
Unsere Stadt braucht einen mächtigen Schub. Die Marketiers von "brandmeyer", die den Markenbildungsprozess leiteten und präsentierten, sind damit überfordert, wie sie auch gestern sehr dezent andeuteten. Das muss Reutlingen selbst leisten. Noch haben wir die Kraft dazu. Der Stadt fehlen nur die Ideen. Hoffentlich ist diese Botschaft
im Rathaus angekommen.
Da muss übrigens deutlich mehr her als nur die "Fan-Projekte",die unsere OB gestern anregte - eine Idee, die übrigens aus Bielefeld importiert wurde.
Da muss übrigens deutlich mehr her als nur die "Fan-Projekte",die unsere OB gestern anregte - eine Idee, die übrigens aus Bielefeld importiert wurde.
Bildertanz-Quelle:RV
6 Kommentare:
Wenn dieser Turm beim Mediamarkt fertig ist und der weitere Klotz gegenüber der AOK steht , dazu , vielleicht das Hotel an der Stadthalle wird Reutlingen noch trostloser . Schön ist anders .
Man muss hier unterscheiden. Hier geht es um Stadtmarketing nicht um Stadtentwicklung...diese Hochhäuser haben nichts mit dem aktuellen Prozess zu tun.
Ich gebe zu bedenken, dass eine gute, interessante und Publikum (einheimisches als auch auswärtiges) doch sehr wohl das Marketing einer Stadt ganz wesentlich beeinflusst - sowohl positiv als auch negativ.
Die Unterscheidung von Stadtentwicklung und Stadtmarketing ist eine Frage der Organisation der Stadtverwaltung. Die Marke Reutlingen ergibt sich aus vielen Aspekten. Dass dazu bei der Befragung das Ansehen der Stadtverwaltung und des Stadtrats nicht gehörte, empfand ich als einen eklatanten Mangel. Ansonsten nahmen die Fragen ja keine Rücksicht auf institutionellen Unterscheidungen. Uns als Bürger sollte das Wer & Was interessieren, nicht das Wie. Dafür haben wir doch die Profis.
Weniger Noblesse und wieder mehr Wohnen, so muss laufen!
Mittlerweile merkt doch jeder politisch interessierte Bürger in Reutlingen, dass er in dieser Stadt nichts zu melden hat. Besonders katastrophal die vielen Architektenwettbewerbe und Jurys, in denen oft dieselben mitwirken und gewinnen , da kann man ja nur zweifeln. Anstatt die Stadt für Familien attraktiver zu machen, mit tollen Velo-freundlichen Inennstadt-Fahrradwegen, tollen kleinen Läden etc, bricht man die halbe Katharinenstraße ab um PLatz für INternationale Ketten - Shops zu machen, .... so traurig. So billig. Einfach nur dumm, dass Leute in andere Städte ziehen, in denen man wieder mehr wert auf Schönheit legt, und dazu gehört halt auch der Altbau und der Erhalt von alten Häusern.
Auch etwas störend sind die Attitüden vieler bzw. mancher Asylbewerber, die hier mit teuersten NIKE Schuhen durch die Wilhelmstraße laufen (Beweise vorhanden), und sichtlich genauso viel Geld bekommen wie ärmere Leute, die sich das Wohnen in der Innenstadt nicht leisten können.
Keine Diskussion darüber in der Stadt.
WG
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