Das ist nicht der Neckar, was wir da in Altenburg und
anderswo sehen...
Wenn der Neckar seine Arme ausweitet... (bei Altenburg, Richtung Kfurt) |
Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
Zwischen Kirchentellinsfurt und Mittelstadt soll der Neckar stückchenweise
wieder renaturalisiert werden. Altenburg ist nächstes Jahr dran. 600.000 Euro
für sechs Monate Arbeit sind bereits fest budgetiert.
Bis zum 17. Jahrhundert mäanderte der Neckar durch unser
Tal. 100 Meter nach links, 100 Meter nach rechts - das war sein schwankender
Lauf. Ein richtiger Flächenfresser war er, ausgerechnet dort, wo sich Menschen
schon seit Jahrtausenden gerne niederließen. Der Neckar war eine Verkehrsader,
über die vor allem die Flößer aus dem Schwarzwald ihre Baumstämme Richtung
Rhein trieben. Holz war überall der Werkstoff schlechthin, war gefragt, war
gefordert.
Aus dem Neckar eine gerade Wasserstraße zu machen, lag nahe. Vor allem aber war da die Gefahr des Hochwassers - man glaubte durch Begradigung dieser Plage Herr zu werden. Und so wurde aus dem Necker, einem keltischen Begriff für "wilden Fluss" ein zahmes Gewässer.
Er verlor jegliche Romantik. Er musste schuften, Kies schöpfen, Holz schleppen, Mühlsteine drehen, Strom liefern und Abwässer wegschaffen. Er wurde gestaut und zugebaut. Der Fischbestand ging zurück, Flora und Fauna litten.
Stuttgarter Hochhäuser, Weinberge |
Aus dem Neckar eine gerade Wasserstraße zu machen, lag nahe. Vor allem aber war da die Gefahr des Hochwassers - man glaubte durch Begradigung dieser Plage Herr zu werden. Und so wurde aus dem Necker, einem keltischen Begriff für "wilden Fluss" ein zahmes Gewässer.
Tübinger Neckarinsel |
Er verlor jegliche Romantik. Er musste schuften, Kies schöpfen, Holz schleppen, Mühlsteine drehen, Strom liefern und Abwässer wegschaffen. Er wurde gestaut und zugebaut. Der Fischbestand ging zurück, Flora und Fauna litten.
Keine Idylle für Fische - nur für Kanus |
Nun soll alles besser werden. Sebastian Krieg vom
Regierungspräsidium Tübingen stellte gestern im Ortschaftsrat von Altenburg das
Projekt vor - vor allem soweit es Altenburg betrifft, das sich über ein Stück
Renaturalisierung Richtung Oferdingen zwischen Neckarbrücke und dem
Zusammenfluss von Neckar und Kanal freuen darf. 600.000 Euro stehen dafür
bereit, die Ende 2020 investiert werden. Einen Teil davon übernimmt die Stadt
Reutlingen, die das Gelände als Ausgleich für das erweiterte Gewerbegebiet
Besterwasen (Oferdingen) nutzt. So rechnet sich das Projekt dann auch noch irgendwie
im Geschacher zwischen den Instanzen einer Stadt und ihrem Regierungsbezirk.
Stadt und Wirtschaft, die seit vielen Jahrhunderten mit ihren Bedürfnissen am stärksten in unsere Natur eingriffen, übernehmen ihre Verantwortung.
Das Hochwasser wurde durch die Begradigung nicht gebändigt - im Gegenteil. |
Stadt und Wirtschaft, die seit vielen Jahrhunderten mit ihren Bedürfnissen am stärksten in unsere Natur eingriffen, übernehmen ihre Verantwortung.
Kanal-Arbeit bei Altenburg |
Aber den alten Neckar bekommen wir dadurch nicht zurück. Und
wie sich dies auf die Welt der Pflanzen und der Tiere, auch auf unser Klima,
auswirkt, das werden wir vielleicht in zehn Jahren sehen - oder auch nicht. Denn
diese Renaturisierung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Dahinter steht kein kommerzieller Grund, kein Tourismus, nichts. Die
Landwirtschaft wird auch nichts davon haben. Denn die Natur soll zurück zur
Natur, zu ihrer Natur - mit ein bisschen Hilfe und Pflege durch uns.
Sind wir sogar auf dem Weg zurück zu einer Welt, wie sie einstmals
bestand? Ist die Industrialisierung, wie sie vor 250 Jahren in England begann, doch
nur eine Abweichung von der großen, globalen Linie? Vielleicht. So ganz genau
wissen wir noch nicht, was wir Menschen eigentlich wollen. Wohl auch deshalb, weil
so ein kleines Projekt wie die Umgestaltung des kompletten Neckars im Sinne der
Natur mindestens vier Milliarden Euro kosten würde - eine Rechnung, die durch
nichts gerechtfertigt wäre - außer dem sehr romantischen Wunsch, dass der
Mensch endlich anfangen sollte, sich selbst zu retten. Aber allein von dieser
Erkenntnis sind wir 100 Jahre entfernt.
Ohne uns, ohne unser permanentes Eingreifen würde die Natur
schon sehr bald dafür sorgen, dass der Neckar wieder so aussieht wie vor 500
Jahren - eine Mäander durch das, was wir Neckartal nennen. Dann würde man
staunend vor den Bildern stehen, die den Neckar von heute zeigen, und sagen:
"Ein Stück davon hätten wir doch ganz gerne davon zurück."
Bildertanz-Quelle:Tanja Wack, Alexander Glazle, Raimund Vollmer
3 Kommentare:
Schöner und interessanter "Neckar-Text"!
So ein Quatsch! Ohne uns gäbe es dann niemand mehr, der alte, sowieso nicht mehr lesbare Bilder anschauen würde.
Lieber "Quatsch"-Kommentator, Phantasie ist eben etwas, das manche sich nicht vorstellen können. (Gabriel Laub")
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