Freitag, 14. Juli 2017

DER STUTTGARTER STARTUP-GIPFEL UND REUTLINGEN

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Eröffnung des Startup-Gipfels
 
Zwei Licht-Gestalten aus Reutlingen: egg-tech und Luxflux
Wirtschaft sollte uns im Bildertanz ja auch mal irgendwie interessieren - vor allem dann, wenn wir heute lesen durften, dass Bosch in Reutlingen vor massiven Einsparungen steht. Das war abzusehen, nachdem die milliardenschwere Chipfabrik nicht in RT, sondern in Dresden errichtet wird. Deswegen ist es wichtig, mal zu schauen, ob die Zukunft nicht aus den Startups kommen könnte. Warum also nicht gleich mal nach Stuttgart fahren, um dort am Startup-Gipfel teilzunehmen. Zwei Reutlinger Unternehmen haben wir dort entdeckt, die eine installiert Photovoltaik-Anlagen, die andere ist auf dem dem Gebiet der Spektralanalyse. Beide haben ihre Existenz dem Licht zu verdanken. So richtige Startups, wie man sich das aber nicht. Das sind zwei grundsolide Unternehmen, geradezu klassisch schwäbisch.Doch junge Unternehmen waren sie allemal - und eine ziemlich profunde Meinung zur Zukunft haben die Gründer auch. Kluge Köpfe.
Zuerst einmal ganz allgemein: Das Interesse war groß. 2600 Menschen kamen heute auf das Messegelände in Stuttgart, um zu sehen, welche Innovationskraft denn im Ländle herrscht. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eröffnete den Gipfel mit kernigen Worten, die vor allem dann auf Beifall stießen, wenn sie den baden-württembergischen Patriotismus ansprachen. Wirtschaftsministern Nicole Hoffmeister-Kraut betonte, dass Baden-Württemberg einen Spitzenplatz dort einnimmt, wo sich Start-up-Unternehmen auf dem Gebiet des B2B (Business-to-Business) engagieren. 


Wirtschaftsministern Nicole Hoffmeister-Kraut, Moderatorin  

Damit meint sie Produkte und Dienstleistungen, die in Institutionen (wie Unternehmen, Banken oder Staat) zum Einsatz kommen. Dazu gehört das weite Feld der Industrie 4.0. Was da als Stärke verkauft wurde, Kretschmann stand da keineswegs nach, ist aber eigentlich ein Zeichen der Schwäche. Denn die Großen der Digitalisierungswelle gründen ihre Macht auf den Konsumenten, also auf uns als Privatpersonen, nicht auf Unternehmen. Sie beherrschen die Schnittstelle zu uns, den Verbraucher, der wahrscheinlich größten Macht im 21. Jahrhundert. Und das haben wir in Deutschland insgesamt noch nicht wirklich verstanden.
 Die Besucher lauschen den Worten des Ministerpräsidenten. Einen Durchhänger hatte nur das Hallendach...
 Am Stand der Region Neckar-Alb - und ein kleiner Blick auf LuxFlux.

Doch zurück zu den beiden Reutlinger Unternehmen. Eggtech heißt die Firma, die sich auf dem Gebiet der Photolvoltaik engagiert. Aus den Initialen ihrer Nachnamen haben die drei Gründer ihr Firmennamen kreiert. Benjamin Eichel und Anne Guggemos vertraten ihr kleines Unternehmen auf dem Gemeinschaftsstand "Neckar-Alb". Das Gespräch war so intensiv, dass ich vergaß, die beiden zu fotografieren. (Das können wir aber nachholen, weil ich diese Firma unbedingt mal besuchen möchte - schon wegen der Adresse: Burkhardt+Weber.Straße.) Auf jeden Fall bestätigten die beiden, die Mitte dreißig sind, dass sie sich zu einer Generation gehörig fühlen, die eigentlich keine neuen Träume mehr hat. Sie machen sich nichts vor, hatten auch keine großen Erwartungen an diese Messe. Denn neue Kunden würden sie hier kaum finden, Investoren brauchen sie eigentlich auch nicht. Sie sind zu der Messe als Aussteller gegangen, weil sie sich über den Tellerrand ihres eigenen Unternehmens hinaus für die Zukunft interessieren. Spüren, was kommt. Fühlen, was geht. Sie taten genau das, was Unternehmer immer tun müssen: Augen und Ohren offen halten. 
"Uns geht es zu gut", meint Marc Henzler, der gemeinsam mit Jan Makowski die Firma LuxFlux leitet. Im Januar 2016 haben die beiden ihr "Startup" gegründet. Investoren brauchen auch sie nicht wirklich, Kunden erwarten sie auch nicht auf der Messe. Dieser Startup-Gipfel ist für sie mehr eine Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Das nutzen sie denn auch. Da erfährt man viel - zum Beispiel bekommt man hautnah mit, dass Arbeitslosigkeit der häufigste Grund für Unternehmensgründungen sind. Vor dem Hintergrund der Dauerkonjunktur, die wir momentan erleben, sei also momentan keine große Gründerwelle zu erwarten. Dass seine Firma an der Startup-Messe teilnimmt, hat letztlich denselben Grund wie bei eggtech. Es dient letztlich der Überprüfung der eigenen Situation. 
Eigentlich müssten Investoren solchen Firmen die Bude einrennen, aber wahrscheinlich ahnen sie, dass diese jungen Leute ihren ureigenen Weg gehen. Über das Gerede vom Cyber Valley und all dem kalifornischen Schnickschnack können sie nur lächeln. 
Irgendwie hatte ich am Ende des Tages den Eindruck: Würden unsere Politiker ohne große Entourage durch die Hallen gehen, sich einfach mal wie ganz normale Besucher mit den Ausstellern unterhalten, ohne an das Pressefoto zu denken, dann würden sie mehr erfahren als bei allen Podiumsdiskussionen, an denen sie teilnehmen. Einer tat's: Michael Donth, Bundestagsabgeordneter der CDU hier bei uns. Benjamin Eichel berichtete, dass er mit dem Politiker wunderbar hatdiskutieren können. Seine Augen leuchten. So sollte Politik gemacht werden - im persönlichen Gespräch.
Dann würden unsere Volksvertreter feststellen, dass diese jungen Leute an die Politik keine große Erwartungen haben - außer vielleicht eins: klare und für alle gleich gültige Regeln. Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Wie gesagt: diese Generation hat keine Illusionen. 
Raimund Vollmer
Ihre Werbefilme konnten die Aussteller auf Großbildschirmen präsentieren. 
Ob den Startup-Interessenten die Podiumsdiskussionen weitergeholfen haben?Bi
Bildertanz-Quelle: Raimund Vollmer (Text und Fotos)

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