»Als Reichsstadt nahm Reutlingen an allen wichtigern Begebenheiten, besonders auch an den verheerenden Städtekriegen Theil. Eine Hauptrolle aber spielte es in der
Reformationsgeschichte. Es war die erste Stadt in Schwaben, welche sich zu der
lutherischen Lehre bekannte, und schon im Jahr 1513, noch ehe Luther öffentlich auftrat, wurde hier der Anfang zu einer Kirchenverbesserung gemacht. Die erste Veranlassung gab die Unzufriedenheit mit den schlechten Geistlichen, welche die Stadt von ihrem Patronatsherrn, dem Abt zu Königsbronn erhielt, besonders mit ihrem sittenlosen Stadtpfarrer Peter Schenk. Da keine Beschwerden fruchteten: so berief die Stadt im Jahr 1519 einen jungen Theologen, den nachmals so berühmten Dr. Matthäus Alber (zu seiner Zeit Aulber ausgesprochen), eines Goldschmids Sohn von Reutlingen, von der Universität Tübingen zurück, und stellte ihn als Prediger bey der Pfarrkirche an. Alber hatte in Tübingen Luthers Lehren kennen gelernt, er predigte öffentlich und in häuslichen Lehrstunden im Geiste derselben. Die Gemüther waren vorbereitet und die neue Lehre fand überall Eingang. Zwar widersetzte sich der Abt von Königsbronn aus allen Kräften und bewirkte sogar, daß Alber und die Stadt in den Bann gethan wurden und letztere überdieß noch in die Reichsacht erklärt wurde: allein aller Widerstand war vergeblich. Nach Eßlingen vor das [101] Reichsgericht geladen, zog Alber i. J. 1524 unter dem Geleite einer Schaar bewaffneter Reutlinger dahin, vertheidigte sich dort siegreich über 68 ihm vorgelegte Punkte, und läugnete nur die eine Beschuldigung, daß er die heil. Mutter Gottes verlästert und sie eine Lohnwäscherin genannt habe. Das Reformationswerk ging von nun an mit schnellen Schritten vorwärts. Im Jahr 1526 schickten die Reutlinger Abgeordnete an Luther und diese brachten von ihm ein Schreiben an Alber und „an alle liebe Christen in Reutlingen“ zurück.«
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