Freitag, 27. Oktober 2017

DIE ZUKUNFT DER STADT - DARGESTELLT AM BEISPIEL HECHINGEN



DIE IDYLLE TRÜGT: DAS RATHAUS VON HECHINGEN

Am Fuße der weithin sichtbaren Burg Hohenzollern liegt Hechingen - eine Stadt, von der man annimmt, dass sie vom Tourismus rund um das Adelsgeschlecht und dessen Stammsitz leben kann. Nichts, gar nichts war los am vergangenen Samstag. Und man hatte den Eindruck, dass sich die Bürger dessen schämen, dass immer mehr Läden geschlossen sind. Für immer. Und bei denen, die es noch gibt oder die sich in irgendwelchen, alles andere als magnetisch wirkenden Nischen und Ritzen eingenistet haben, kann man die Tage zählen, in denen selbst ein Ausverkauf keinen mehr anlockt. Ich bin ziemlich erschüttert heimgekehrt in unser Reutlingen und habe mich gefragt: Steht uns das hier auch bevor? Habe ich die Zukunft der Stadt gesehen? (Übrigens: ein Besuch in dem kleinstädtisch, fast dörflich konfigurierten Haigerloch, auch nicht ganz ohne Touristenattraktion, war nicht minder erschütternd.
 







Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Sonntag, 22. Oktober 2017

Wie die Reutlinger zu ihrem Wein kamen, und wes Art er ist


 




 
  aus: Das Herz der Heimat. Ein Schwabenbuch für die Söhne und Töchter unseres Landes, die in der Fremde sind, von August Lämmle und Hans Reyhing. Verlag Silberburg, G.m.b.H., Stuttgart 1925, S. 336 - 341. Der Text ist aus dem "Geschichtenbuch" von A. Lämmle. Verlag E.Salzer, Heilbronn.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Straßenbahngedenktag: Die letzten Tage der Straßenbahn





Heute vor 43 Jahren fuhr die Reutlinger Straßenbahn zum letzten Mal. Wir feiern dies - wie jedes Jahr - mit dem Straßenbahngedenktag und zeigen Euch den Originalfilm von Leopold Müller. Die Tonqualität ist nicht die Beste, aber die Kommentare schon - voll beißendem Humor.

Dienstag, 17. Oktober 2017

ELEKTRO-AUTOS: WANN LADEN WIR ENDLICH ZUKUNFT?



REUTLINGEN oder die Stadt der Zukunft (Teil 5)
IM WECHSEL-STROM DER ZEIT
Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
Sieben öffentliche Ladestationen kennt Reutlingen, Metzingen hat drei, Münsingen hat fünf. Ulm aber, in Größe und Bedeutung vergleichbar mit Reutlingen, hat bereits 94 Ladestationen, Stuttgart 375, Berlin ist mit 536 Staionen Spitzenreiter. Wenn die Zahlen nicht stimmen, dann liegt das daran, dass die Informationen, die das Internet bietet, einfach nur verwirrend sind. Aber so ist die ganze Situation "Elektromobilität". Wer nicht verwirrt ist, hat hier überhaupt nichts verstanden. Und aus dem, was sich in meiner Verwirrung angesammelt hat, versuche ich zu schreiben. 
Bildtext. Die Zukunft einer Stadt entscheidet sich an den Stellen, die keiner sieht: in der Infrastruktur - gesehen 2014 bei der Erneuerung der Wilhelmstraße. Liegt im Untergrund unsere Zukunft begraben? 

Es fängt damit an, dass alles, was kein "E" hat, eh nichts taugt. Solange sich die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) so nennt, wie sie ist und 1949 übrigens als Motormesse ihren Anfang in Reutlingen nahm und nicht in Frankfurt, solange ist das wohl eine "Old-School-Messe", wie sie von Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität genannt wurde. Die Automobilhersteller sollten aufhören, nur Showmodelle der Elektromobile zu zeigen, meint er. Die seien einfach nicht mehr "das Gelbe vom Ei". Wo aber ist dann das neue Zentrum der E-Mobilität?
Wahrscheinlich zuhause. In der Garage. An der Laterne. Überall. 100.000 Autos, die vom Stoff leben, der aus der Steckdose kommt, gibt es nach Aussage von Elke Temme, Senior Vice President für eMobility bei Innogy, in Deutschland. Hatte ich das richtig verstanden? Faktencheck: 34000 Elektroautos seien es zu Beginn des Jahres gewesen, liest man etwa im "Kölner Stadt Anzeiger". Da fehlt ja nicht mehr viel bis zu der Zahl von einer Million, die sich unser Land für 2010 vorgenommen hat, möchtest Du mit beißender Ironie feststellen - wohlwissend, dass Du selbst auch nichts zum Erreichen dieses Ziels beigetragen hast.
Gesehen 2014 in Aachen
An den fehlenden Möglichkeiten, Dein Auto aufzuladen, liegt es nicht. Denn Du könntest zuhause die Voraussetzungen schaffen. 80 Prozent der Ladevorgänge finden hier oder beim Arbeitgeber statt, weiß die Innogy-Vizepräsidentin Temme zu berichten. Da brauchst Du noch nicht einmal einen Schnelllader. Der Handel hat natürlich auch erkannt, dass er mit dem Laden der Batterien etwas für die Kundenbindung tun kann - und sogar davon profitiert. Bei IKEA hat niemand etwas dagegen, wenn der Kunde zwei Stunden warten muss, bis er weiterfahren kann. Ähnlich ging es den Discountern. "Jede Minute beim Laden bringt einen Euro im Laden", meint Innogys Temme. "Das ist statistisch berechnet." Es muss also nicht immer der Schnelllader sein aus Sicht von Aldi...
Aber manchmal doch. So berichtet der Präsident des Bundesverbandes eMobilität, Kurt Sigl, dass ein Skandinavier auf einer Reise von Oslo nach Stuttgart vier Tage gebraucht hat, um durch Deutschland zu kommen. Er hatte ein Gefährt, dessen Batterien nur eine Reichweite von 120 Kilometer zulässt. Keine Probleme mit dem Aufladen hatte er bei seiner Fahrt durch die nordischen Länder. Doch ab Hamburg wurde es schwierig - vor allem stellte der E-Freund sehr bald fest, dass man 40 Ladekarten braucht, um überhaupt an den Stationen zahlungsfähig zu sein.
Eigentlich eine Schande für ein Land, in dem das Auto erfunden wurde.
Der Hybridbus: Gesehen in Stuttgart
Da erinnerte Professor Martin Wietschel, der beim Fraunhofer-Institut das Geschäftsfeld Energiewirtschaft leitet, an die legendäre Fahrt der Berta Benz, die 1888 in aller Herrgottsfrühe von Mannheim aus aufbrach, um gemeinsam mit ihren Söhnen Eugen und Richard nach Pforzheim, ihrer Geburtsstadt, zu fahren. Mit dem "pferdelosen", Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl Benz. Damit war der Beweis erbracht. Das Auto war mehr als eine Spielerei. Und das Spritproblem, wie haben sie das gelöst? "Benzin gab's in der Apotheke", berichtet Wietschel. So wurde die Stadtapotheke in Wiesloch die erste Tankstelle der Welt. Sie steht also in Baden-Württemberg, das übrigens mit 1500 Ladestationen nach Nordrhein-Westfalen in absoluten Zahlen an zweiter Stelle liegt. Das erste  richtige Tankhäuschen wurde erst 34 Jahre Später, 1922, errichtet. Es stand in Hannover. Wietschel wollte an diesem Beispiel deutlich machen, dass auch bei der Ausbreitung des Autos die Infrastruktur ihre Zeit braucht. 
Carsharing und Elektroauto: Gesehen in Berlin
Dass Infrastrukturen & Akzeptanz nicht über Nacht. gedeihen, dafür gibt es auch aktuelle Beispiele. Das Internet, in den 50er Jahren angedacht, 1969 erstmals gestartet, brauchte dann noch 25 Jahre, bis es als neues, allgegenwärtiges  Medium anerkannt wurde. Ähnlich war es beim Mobilfunk, von Motorola in den vierziger Jahren als Walkie-Talkie initiiert, dauerte es noch länger, bis das Handy in den 90er Jahren seinen Siegeslauf antreten konnte. Und die Idee des Smartphones, so wie wir es heute kennen, wurde vor 50 Jahren in einem Science-Fiction Roman geboren. 
Carsharing im Geschäft: Gesehen auf der "Start-up"-Messe in Stuttgart
So hatte Wietschel seinen Spaß daran, Optimisten und Pessimisten zugleich zu foppen. "Elektromobilität steigt in Deutschland jährlich um 45 Prozent, weltweit sogar um 60 Prozent", meinte er, um dann nachzusetzen: "Der Diesel wächst aber nur noch um neun Prozent." Und weil er schon beim Zahlenspiel war, berichtete er, dass 75 Prozent aller Autos in Gemeinden gemeldet sind, die weniger als 100.000 Einwohner zählen. Wahrscheinlich wollte er damit sagen, dass mit der Höhe der Verstädterung sich der Anteil der Autos vermindert. Übrigens ist in Baden-Württemberg der Verstädterungsgrad im Vergleich zu den anderen Flächenstaaten unter dem Durchschnitt. So ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" von 2010. Auch hier landen Versuche, besseres Zahlenmaterial zu bekommen, in der Verwirrung (und das ist jetzt vornehm ausgedrückt.)
Laut Wietschel fährt der Durchschnittsbürger 38 Kilometer pro Tag. Zehnmal im Jahr nimmt er Strecken, die ihn weiter als 100 Kilometer führen - all das sind Argumente, die für E-Mobilität sprechen, zumindest als Zweitwagen. Das Problem ist nur, so der Gelehrte, dass wir weitaus mehr Kilometer fahren müssten, um in Sachen Wirtschaftlichkeit an ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor heranzukommen. Ein Problem, das sich aber mit steigender Akzeptanz nivelliert, wie das Wirtschaftsmagazin The Economist am 17. Februar 2017 feststellte. Das weltweit hoch angesehene Blatt meint, dass zu Beginn der 20er Jahre der Aufwand bei Besitz und Betrieb eines Elektrofahrzeugs mit dem eines Verbrenners gleichziehen werde - und zwar ohne Subventionen. "Bei Kurierdiensten, die 80 Kilometer pro Tag und Fahrzeug leisten, rechnet sich das E-Auto", meint Wietschel. Privat seien aber noch die Anaschaffungskosten "eine Barriere".
Dennoch bahnen sich erdrutschartige Veränderungen ab. Zumindest weltweit, ob im Autoland Deutschland und in seiner Spezialform als Land Baden-Württemberg oder gar als Stadt Reutlingen ist schon eher die Frage. Dabei sieht Sigl besonders die Automobilfirmen in der Pflicht, die für ihn momentan "Lachnummern" abgeben. "Wir tun so, als müssten wir all das, was ansteht, noch erfinden." Das sei nicht so, sondern die Automobilindustrie habe die Entwicklung "total verpennt", um dann nachzusetzen: "Die Bürgermeister aber auch". 
Berliner U-Bahn-Station: So kann man auch mit seiner elektrischen Vergangenheit umgehen
Mehr und mehr beschleicht mich bei der Analyse meiner Mitschriften das Gefühl, dass gar nicht die Technologie das Problem darstellt, sondern - nennen wir es einmal - das publizistiche Obereigentum über die neuen Verhältnisse, die sich da entwickeln. Wenn es in Deutschland 40 Kartensysteme für die Bezahlung der Stromentnahme gibt, dann ist das fast schon ein Skandal - ein Kleingeist, der jeder Beschreibung spottet. "Ich kann in jedem Parkhaus mit Kredit- oder Bankkarte bezahlen, nur nicht beim Stromtanken." So etwa äußerte sich Sigl, der meint, dass es Deutschland hier seit sieben Jahren versäumt hat, auch gesetzlich initiativ zu werden. Selbst das Handy als moderne Kreditkarte werde da zum Hindernis, wenn der Benutzer sich zuerst eine App im Netz herunterladen muss und inklusive Registrierung und Initialisierung fünf bis sechs Minuten benötigt. 
Der ganz normale Stau: Gesehen in Berlin an einem Sommersamstag. Wer hat eigentlich das Eigentum an diesem Stau?
Zum Glück gibt's ja die Heimtankstelle, bei der eine "Wallbox" (Preis ab etwa 500 Euro) die Ladezeiten stark verkürzen kann. Dazu braucht man aber eine Garage oder ein Carport. Sicherlich könnte man dann diese Stationen mit anderen teilen, also mit Menschen aus Miet- und Eigentumswohnungen, die keinen Garagenplatz besitzen. Eine rechtliche Frage, die bis in das "Eichrecht" hineingeht, meint Temme, um untereinander abzurechnen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Deutsche Telekom, die gerade überprüft, ob sie ihre 300.000 multifunktionalen Verteilerkästen nicht auch als Ladestation nutzen kann. 
Wo nehmen die bloß all die Steckdosen her? Häuserzeile in Grenoble
Eigentlich könnte sich in diesem Zusammenhang jede Menge tun - auch in Reutlingen. Mit der Firma Bosch in der Mitte. Aber keiner der Teilnehmer kam von dieser Firma. Seltsam. Und von dem offiziellen Reutlingen war nur einer da. Dabei war die Zukunft noch nie so nah.
 Ich schreibe nach bestem Wissen und Gewissen. Für jede Korrektur bin ich dankbar. 

SERIE: STADT DER ZUKUNFT
TEIL I Einführung
TEIL II Kampf gegen die Parkplätze
TEIL III: Schadstoffe: Insel der Seligen - Nur Reutlingen nicht?
TEIL IV: Autonomes Fahren: Wohin steuert Reutlingen? 
TEIL V: Elektro-Autos - Wann laden wir endlich Zukunft?
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer (Text & Fotos)/Plakat: Sammlung Hermann Rieker / Titelbild "The Economist", Sammlung RV

Montag, 16. Oktober 2017

AUTONOMES FAHREN: Wohin steuert uns unsere Stadt?



REUTLINGEN oder die Stadt der Zukunft (Teil 4)
Die Entdeckung der Langsamkeit

Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
An der Eberhardstraße in Reutlingen: Langsam geht's in die Zukunft
 
Daimler-Anzeige 2002 in der
Financial Times UK:
Daimler und Maybach
Vor 150 Jahren trafen sich in Reutlingens Bruderhaus Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach. Eine Zeit fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen dem Erfinder und dem König der Konstrukteure begann. Das gehört zur Geschichte des Autos - vor allem in unserer Stadt. Ob aber nun auch die Zukunft des "Auto-Autos" hier geschrieben wird, des echten Selbstfahrers, mag man irgendwie nicht so ganz glauben. Denn die Zukunft wanderte in diesem Jahr ostwärts - von Reutlingen nach Dresden, wo Bosch für eine Milliarde Euro eine neue Chipfabrik errichtet. 8000 Menschen arbeiten in Reutlingen für Bosch. Ein Sparprogramm, bei dem 20 Prozent der Kosten eliminiert werden sollen, verunsichert seit Mitte des Jahres die Belegschaft. 2000 Arbeitsplätze stünden zur Disposition. Der Stellenwert des Standorts Reutlingens sinkt - und das in einer Zeit, in der sich in der Automobilindustrie die größte Revolution seit Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach abzeichnet. Dazu gehört weit oben das autonome Fahren.
Wenn man den Menschen als Fahrer nicht mehr braucht, dann muss man ihn ja auch nicht mehr erwähnen. Als die vier Herren auf dem Podium des Kongresses "Stadt der Zukunft", Veranstalter "Stuttgarter Zeitung", sich dem Thema "Autonomes Fahren im Öffentlichen Nahverkehr" stellten, fiel nur ein einziges Mal das Wort Mensch. So fasziniert waren sie von der Technik - und davon, dass es auch ohne Menschen am Steuer geht. Nicht dass die vier Herren arrogant oder gefühllos wirkten, im Gegenteil sie waren mit viel Leidenschaft bei der Sache, aber der bevorstehende Triumph der Technik bestimmte alles. 
Berlin Alexanderplatz: Bald fahrerlos gar auch durch Reutlingen?

Da war zum Beispiel Andreas Mäder, Geschäftsführer beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg GmbH. Hier gibt es seit Sommer 2008 auf einer 3,5 Kilometer langen Strecke den fahrerlosen Betrieb einer U-Bahn, der U3. "Völlig unspektakulär" nannte Mäder das autonome Tagesgeschäft. Und das bei "99 Prozent Verfügbarkeit". Tolles Ergebnis. Ganz ohne Fahrer. Das spart Geld. Viel Geld. Denn die Fahrer sind der größte Kostenfaktor mit einem Anteil "von 60 bis 65 Prozent", berichtet Mäder. Ob die Stadtbahn, so sie kommen mag, auch vollautomatisiert durch Reutlingen fährt?
Die Fortschritte sind auf diesem Gebiet plötzlich enorm. Hartmut Schick, Vorsitzender des Geschäftsfeldes Busse bei der Daimler AG, berichtet, dass sein Unternehmen 2016 in Amsterdam den ersten Bus auf die autonome Strecke geschickt hat. "Über eine eigene Trasse" und 20 Haltestellen geht in der Hauptstadt der Niederlande die Fahrt, bei der allerdings immer noch ein Fahrer an Bord ist. Doch der sei jetzt viel entspannter, strahlt Schick. Im kommenden Jahrzehnt soll der Future Bus in Serie gehen. Ob er wohl auch nach Reutlingen kommt? Und wie würde er die Infrastruktur verändern? Wäre das gerade erarbeitete Tangential-Konzept dann noch angemessen? Der ZOB war 1994 schon ein überkommenes  Konzept, ist es nun bereits der neue Ansatz ebenfalls? Zumindest der Ansatz Kleinbusse vermehrt einzusetzen, weist schon in die richtige Richtung. 
Platzhirsch "Auto" in der Kanzleistraße
Allerdings: "Solange ein Fahrer in dem Auto sitzt, bleiben die Kosten hoch", befindet Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik im Verband deutscher Verkehrsunternehmen, der das Thema inzwischen mit fünf Unternehmen in Hamburg, München, Berlin, Wiesbaden und der Deutschen Bahn angegangen ist. Erst mit der Stufe 5 wird die Selbststeuerung den Status erreicht haben, bei dem man auf den Fahrer verzichten kann. Woran man jetzt arbeitet, ist der Level  4, dem "hochautomatisierten Fahren mit Fahrer", erklärte Steffen Braun, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Paradebeispiel dafür ist der Stadtstaat Singapur, wo die Bevölkerungsdichte gemessen an Deutschland den Faktor 34 hat. Straßen beanspruchen zwölf Prozent der Fläche, bei uns sind es nur bundesweit fünf Prozent.  Hier geht  das vollautomatische Fahren voll in die Erprobung. Bei der U-Bahn hat nur noch die älteste Linie Fahrer, alles andere surrt vollautomatisch durch die Stadt. Nun geht es experimentell weiter mit der Abschaffung des Autos durch das "Auto-Auto", öffentlich genutzte, automatische gesteuerte Kleinfahrzeuge. 
Niemals fahrerlos unterwegs und Parkplatzsorgen gibt's eigentlich auch nicht.
»Das Ende der Motorisierung ist erreicht, wenn das Parken mehr kostet als das Autofahren.«
Peter Sellers, britischer Komiker
 
Erst der nächste Stepp sei "disruptiv", ein Modebegriff, der zwar schon in den frühen 90er Jahren geprägt wurde, aber erst jetzt alle von der Digitalisierung erfassten Branchen durchdringt. Erfreulicherweise wurde er während der Tagung so gut wie gar nicht benutzt. Nürnbergs ÖNPV-Chef Mäder meinte, dass im öffentlichen Nahverkehr die Frage "Spur oder Nicht-Spur" entscheidend sei für Stufe 4 oder 5. Spurgeführt ist es selbstverständlich einfacher. "In drei bis vier Jahren", glaubt Schick, dass zumindest Stufe 4 den Stand der Technik bestimmen wird. Auf absehbare Zeit werden wir uns noch darüber freuen dürfen, dass vorne jemand am Lenkrad sitzt. Denn erst in zehn bis 20 Jahren wird die Stufe 5 allgegenwärtig sein, meint der Verband der Verkehrsunternehmen.
Mit Tempo 10 durch die Wilhelmstraße 1973 Foto: Wolf-Rüdiger Gassmann
Bei den Kosten ist also vorerst nicht viel zu gewinnen. Und dann wird sichtbar, dass bei einer Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs die Betreiber genau das Problem haben, das Hermann in seinem Vortrag zuvor angeschnitten hatte: "Wir haben ein Platzproblem." Damit meint Mäder die "Konkurrenzsituation durch die Verdichtung der Städte", die eine Ausweitung der Busspuren und Trassen für den öffentlichen Nahverkehr und dessen "große Gefäße", also Bus und Tram, erschwert. Aber brauchen wir denn diese Trassen überhaupt? Braun (Fraunhofer-Institut) empfahl den verstärkten Einsatz von Kleinbussen, wie sie nun auch schon eine Weile in Reutlingen diskutiert werden. Dadurch könnten "30 Prozent der großen Busse wegfallen". Und sicherlich wäre dies ein genialer Coup, wenn das unterstützt würde durch das vollautomatische Fahren - schon wegen der Kosten. Denn die Menge an Kleinbussen, die sogar nach On-Demand-Prinzipien durch den Straßenverkehr navigieren, wird steigen und damit auch die Zahl der Fahrer. In Helsinki war mit dem Konzept der Minibusse 2016 experimentiert worden, was aber sich als "nicht wirtschaftlich" gezeigt habe, berichtet Daimler-Chef Schick. Wer im Netz weiter recherchiert, wird erfahren, dass die Finnen inzwischen vollautomatische Fahrzeuge ausprobieren - Minibusse, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von zehn Kilometern durch die Straßen zockeln. Übrigens die Reutlinger Straßenbahn durfte - nach meinem Kenntnisstand - auch nicht schneller durch die Wilhelmstraße fahren.
Parkplatznot? In Nürnberg - keine Spur
Werden 10 km/h den Schirm bilden, unter dem dann vielleicht in Deutschland auch das ein oder andere fahrerlose Experiment möglich wird? Vielleicht würde damit auch in Reutlingen die Grüne Welle endlich Wirklichkeit. Ob dies die Stauprobleme löst? Skepsis angebracht.
Immer wieder landen wir schlussendlich beim Problemkind Auto mit seinen Parkraumansprüchen und seinen Leer-Fahrten. Um das zu ändern, verlangte Mäder einen "verhaltenspsychologischen Ansatz". Car-Sharing sei nur ein Teil der Lösung, Mitnahmezentralen auch. Da läge in den Städten die Quote "im Promillebereich. Die Menschen sind nicht bereit, jemanden mitzunehmen." Bestätigt Daimler-Manager Schick: "Da sind wir Schlusslicht in Europa."
Schaut man dann hinter alle Argumente und unter alle Diskussionsebenen, dann gerät man irgendwann zu des Pudels Kern: "Die Frage ist doch: Wer investiert?", bringt es Schmitz vom Verband der Verkehrsunternehmen auf den Punkt. "Und das ist zugleich auch eine Frage nach Wettbewerb." 
Parkhausschlucht der Messe Stuttgart: Was wird daraus, wenn wir dies nicht mehr brauchen?

"Wir will man das hinkriegen?", steigt Mäder sofort in diese Diskussion ein. Ist es die Privatwirtschaft, die sich dann die besten Routen zu den attraktivsten Zeiten aussucht? Den Rest überlässt man dem ÖNPV. Da seien "ethische Grundsätze" betroffen." Und die Frage nach dem Investment beantwortet er mit einer Gegenposition: "Wir brauchen ein System, das das irgendwo alles managt." Sicherlich - autonomes Fahren kommt. Damit werde die Zeit der großen Einfallstraßen, die unsere Städte zerschnitten haben, zu Ende gehen. Dann werde sich alles über das gesamte Straßennetz verteilen. Straßenführungen, die heute - wie etwa in Tübingen - so angelegt sind, dass sie nicht mehr als Durchgangsstraßen dienen können, werden dann aber auch zurückgebaut. Und die Bewohnerparkplätze werden ebenfalls zumindest reduziert. Vielleicht brauchen wir also doch nicht die breiten Trassen und extra Busspuren, vielleicht investieren wir da in ein völlig verquere Verkehrssystem. Vielleicht ist alles eher kleinteilig. Auf jeden Fall wird im Jahr 2040 etwa die Hälfte des Verkehrs ausmachen, meint Braun vom Fraunhofer-Institut.
Mag alles sein. Und die vier Herren hätten auch noch stundenlang weiterdiskutieren können - und wären am Ende zum selben Schluss gekommen, den dann der Daimler-Manager formulierte: "Wir brauchen eine Vision." 
Mein Next Bike ist ein E-Bike: Fahrrad-Sharing in Berlin
Seine Firma hatte das mal. Vor 25 Jahren. Es ist die, über die wir heute reden. Es war das Mobilitätskonzept des Edzard Reuter und seines Integrierten Technologiekonzerns.
Es wird Zeit, dass sich Typen wie Daimler und Maybach wieder treffen. Am besten in Reutlingen. Das Bruderhausgelände gibt es nicht mehr. Da stehen jetzt die Stadthalle und ein paar Schnurbäume.
Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen.

SERIE: STADT DER ZUKUNFT
TEIL I Einführung
TEIL II Kampf gegen die Parkplätze
TEIL III: Schadstoffe: Insel der Seligen - Nur Reutlingen nicht?
TEIL IV: Autonomes Fahren: Wohin steuert Reutlingen? 
TEIL V: Elektro-Autos - Wann laden wir endlich Zukunft?Bildertanz-Quelle: Raimund Vollmer