Freitag, 31. Oktober 2014

Weindorf 1986: Premiere an der Marienkirche

1973 beim Treffen der letzten Weingärtner in Reutlingen in der Zunftstube. Es war am "auselige Meedich", heißt es in der Beschreibung dieses Bildes, das wir im Album von Adolfs und Ruth Haussmann fanden. Dritter von links ist Oberbürgermeister Oskar Kalbfell. Die Zunftstube ist heute Teil des Heimatmuseums. Bildertanz-Quelle: Familie Haussmann
Oberbürgermeisterin Barbara Bosch und die Weindorf-Bürgermeisterin Margaret Grimm 2011.
Bildertanz-Quelle: Jürgen Reich

Es war die Idee von Julius Vohrer, der die 1928 verlassene Tradition des Weingärtner-Festes wieder aufnehmen wollte. Und weil das Weinhaus des Weinküfermeisters justament 350 Jahre alt wurde, hatte er sich mit der Geschichte des Weinbaus in Reutlingen intensiv beschäftigt. Im 15. und 16. Jahrhundert verfügte Reutlingen über Weinberge in der Größe von 1100 Morgen. Jeweils am 25. Mai, dem Namenstag von Papst Sankt Urban, wurde in Reutlingen wie auch in anderen Weingegenden gefeiert. Denn eine alte Weinbauernregel besagte: "Die Witterung um Sankt Urban zeigt des Herbstes Wetter an." Also war man jedes Jahr gespannt auf das Wetter an diesem Tag. Dabei wurde wohl auch die Figur des Rebenmännleins kreiert, dem Wahrzeichen der Weingärtnerzunft, das seit 1578 im Festzug mitgetragen wird, aber nicht die Kirche betreten darf. Denn es sei ein "Abgott".

Mit dem Wechsel der Konfession - Reutlingen wurde als eine der ersten Städte protestantisch und unterzeichnete 1530 das Augsburger Bekenntnis - ward auch das Rebenmännlein, eigentlich eher eine heidnische Figur, lutherisch. (Wer weiß mehr darüber?) Auf jeden Fall kam es zu einem Gegenschlag. Unter Kaiser Karl V. hatte sich Reutlingen im August 1548 dem Interim beugen müssen, an dessen Ende man im Rahmen eines Konzils wieder die beiden Konfessionen vereinen wollte. Als aber im selben Jahr, am 25. September 1548, der gesamte Wein erfror, war den Weingärtnern klar: Das war eine Strafe Gottes. Ihrem Protest schlossen sich die anderen Zünfte an. Und in Erinnerung daran wurde das Weingärtner-Fest wieder eingeführt.
Es war die grandiose Idee von Julius Vohrer, dass er diese Tradition wieder aufgriff und 1986 das erste Weindorf errichten ließ. Heute, am Reformationstag, sei daran erinnert, dass dieses Weinfest einen protestantischen Hintergrund hat. Katholiken sind aber ebenfalls willkommen. Raimund Vollmer

Für Korrekturen, Ergänzungen und Kritik sind wir stets dankbar, hier ganz besonders, weil ich aus der mir verfügbaren Quellenlage nicht ganz schlau werde. Als Kommentar oder als Email an: bildertanz@aol.com

Als der SSV gegen den VfB in Stuttgart mit 6:1 gewann...

... war das heute 60 Jahre her. Es geschah am 31. Oktober 1954.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Entscheidung 1994: Als der Orschel-Park seinen "Fahnenträger" verlor



BÜROPARK ORSCHEL  - Im November 1994 wurde es amtlich. Der Computergigant IBM wird sich aus dem von ihm und anderen initiierten Büropark Orschel zurückziehen. Betriebsbedingt.
Reutlingen war jahrzehntelang die kleinste Geschäftsstelle der US-Firma in Deutschland gewesen. Aber sie hatte sich immer irgendwie gehalten. Doch nun war das einst profitabelste Unternehmen der Welt - nach späteren Angaben ihres US-Bosses Lou Gerstner - in der Existenz gefährdet. Mit aller Macht und noch mehr Geld wollte sich IBM von Mitarbeitern und sonstigen Kostenfaktoren trennen. Der gerade erst eingeweihte Büropark in Orschel, der dann auch noch wegen seines Parkhauses in die Kritik des Bundesrechnungshofes geriet, wurde um ein Herzstück beraubt. IBM galt als der Fahnenträger in eine von Dienstleistungen beherrschten Zukunft. Wenige Wochen vorher - im Oktober 1994 - hatte die IBM noch gemeldet, dass sie in Orschel-Hagen bleiben werde. Zwar mit einer auf 40 Beschäftigten reduzierten Mitarbeitergruppe, aber man wolle präsent bleiben.
1991 hatte IBM mit 80 Mitarbeitern in der Region Reutlingen 70 Millionen Mark umgesetzt. Also jeder Mitarbeiter steuerte fast 900.000 Mark Umsatz bei. Nicht schlecht, auch wenn es natürlich vor allem Handelsgeschäfte waren. Nun sollte die Geschäftsstelle gänzlich geschlossen werden.
(Kommentar) Und wer heute an der "Welle" vorbeifährt, die nun auch schon wieder seit etlichen Monaten leersteht, fragt sich: Was ist los in Reutlingen? Was läuft hier falsch? Der Orschel-Park sollte das Dienstleistungszentrum der Stadt werden. 20 Jahre später lebt er immer noch vom Prinzip Hoffnung.
Persönliche Anmerkung. In jenen Tagen kam Dr. Frank Lerchenmüller, als Manager bei der IBM Deutschland verantwortlich für die Region Südwest, zu uns ins Büro und erklärte: "Ich muss gleich weiter, um die neue Geschäftsstelle zu eröffnen - und gleich wieder zu schließen." Es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm das überhaupt nicht gefiel. Denn damit verbunden war die Strategie, die Regionalität und Lokalität des Unternehmens zugunsten einer globalen, zentralen Struktur zu zerstören. Seitdem veröffentlich die IBM auch keine eigenen Geschäftsvberichte mehr in Deutschland, gibt auch inzwischen keine Auskünfte mehr über die Mitarbeiterzahl in den Landesgesellschaften.

Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Entscheidung 1997: Das Bruder-Haus der Stadthalle - ein Großkino



GROSSSTADT UND GROSSKINO - Das war eine Idee, die 1997 in Reutlingen heftig diskutiert - und auch entschieden wurde. Trotzdem wurde nichts daraus. "In einer Ecke" des Bruderhausgeländes, auf dem heute die Stadthalle steht, sollte damals ein Multiplex-Kino nach Stuttgarter Vorbild entstehen. 1600 bis 1900 Plätze sollte es haben. 500.000 bis 600.000 Besucher sollte es alljährlich anlocken. Platz genug zum Parken gäbe es auch genug, selbst wenn später noch das Forum, womit wohl so etwas wie die Stadthalle gemeint war, dazu käme. Preis des Giganten: 20 bis 40 Millionen Deutsche Mark. Der Medientempel würde alljährlich 300.000 mehr Menschen aus dem Umland in die Echazmetropole locken, hieß es. Drei Betreiber hatten sich um dieses Projekt beworben. Und nun musste der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung entscheiden. Schließlich bekam die Kinopolis-Gruppe um den Reutlinger Gesellschafter Andreas Brennecke den Zuschlag. Er besaß auch das Kali-Kino, sagen unsere Chroniken. Das würde allerdings geschlossen. Dafür würde er mit einer Bausumme von 20 Millionen Mark in dem Gebäude sieben bis acht Kinosäle schaffen, das insgesamt 1900 Zuschauern Platz bieten würde. Der größte Saal würde 531 Kinobesuchern Platz bieten, der kleinste 176. Da sich Brennecke den Chef der Bundeshalle Gerhard Steinhilber in die Geschäftsleitung holen wollte, schien auch das Management bestens bestückt. Die Bundeshalle sollte dann die Heimat des "Jufis" werden, wenn das Kali geschlossen sei. Zudem würde Filme, die nicht dem Mainstream entsprachen, in der Bundeshalle aufgeführt. Aber da gab es noch einen vierten Bewerber, den die Stadt Reutlingen gar nicht auf dem Abstimm-Zettel zu haben schien. Rolf Creutz, Chef der Planie. Er hatte der Stadt vorgeschlagen und auch präsentiert ein Kino mit 1200 Plätzen und einem Investitionsvolumen von zehn Millionen Mark. Vielleicht war es der Stadt zu mickrig. Jedenfalls wurde sein Vorschlag ignoriert. Das Ergebnis kennen wir alle. Wir haben eine Stadthalle für 42 Millionen Euro, die mit ihrem Programm niemals in ihrem Leben 500.000 Zuschauer im Jahr anziehen wird, Kali gibt's nur noch als Sonderveranstaltung, die Bundeshalle ist verschwunden. Das Planie-Kino aber lebt - als Cineplex.
Weitere Informationen, Ergänzungen, Korrekturen sind hochwillkommen.

Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Dienstag, 28. Oktober 2014

Als vor 60 Jahren der Lindenbrunnen komplett ausgetauscht wurde...

... da war der Brunnen gerade 410 Jahren alt geworden. Seiner einstigen Funktion längst beraubt, zeigte der Vorgänger deutliche Spuren des Verfalls. 1544 war er von den Steinmetzen Hans Bauer und seinem gleichnamigen Sohn geschaffen worden, offensichtlich nach Plänen des Bildhauers Hans Huber. (Unsere Experten werden im Zweifel das alles richtigstellen.) Er war ursprünglich ein Ziehbrunnen. Dass er im Stil der Gotik erbaut worden war, galt damals als eher außergewöhnlich. Denn nun bestimmte die Renaissance die Stilrichtung. Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Romantik die Schönheit dieses Brunnen wiederentdeckte und er zu einem beliebten Malmotiv avancierte, wurde er vom Zieh- in einen Pumpbrunnen umfunktioniert. Als die Wilhelmstraße dann 1885 eine eigene Wasserversorgung bekam, verlor er seine Bedeutung. In den 20 Jahren des 20. Jahrhunderts war er sogar wasserlos. Es war dann in den späten dreißiger Jahren so, dass die Stadtväter beschlossen, den Brunnen gänzlich aus der Wilhelmstraße zu entfernen. Er war ein Verkehrshindernis. Doch dann kam der Krieg, und Reutlingen hatte ganz andere Sorgen. 1954 ersetzten die Brüder Richard und Eduard Raach, beides Bildhauer, den Brunnen durch eine komplette Neuanfertigung. Die Reste des alten Brunnens blieben allerdings erhalten. Sie sollen sich im Fundus des Heimatmuseums befinden.
470 Jahre wird also der Brunnen in der Version 1.0 und 2.0 alt.  60 Jahre ist es her, dass er ersetzt wurde. Vielleicht mal ein Grund, auf ihn anzustoßen. Zum Beispiel in der langen Nacht...
Das Foto stammt aus dem Jahr 1953, also einem Jahr vor dem Austausch.

Bildertanz-Quelle:Sammlung Helmut Akermann

Montag, 27. Oktober 2014

Vor 20 Jahren: Als die Zahnradbahn ihren Kessel bekam



DER DAMPFKESSEL - Er schwebte ein vor 20 Jahren. Auf dem Bahnbetriebswerk Tübingen war an einem Samstag im November 1994 der große Augenblick gekommen. Zwei Kräne waren notwendig, um den Dampfkessel der Zahnradlokomotive 97 501 wieder auf das Fahrgestell zu setzen. Acht Jahre zuvor hatten die Freunde der Zahnradbahn Honau-Lichtenstein das schwarze Dampfross erworben. Weil sie den riesigen Kessel der Lok nicht selbst renovieren konnten und durften, hatten sie das Ungetüm im ostdeutschen Meiningen aufarbeiten lassen. Immerhin Rohre mit einer Gesamtlänge von 1026 Metern winden sich in dem mächtigen Zylinder. Zu diesem Zeitpunkt hatten die "Freunde" bereits 190.000 Mark an Spenden für die Wiederherstellung des grandiosen Gefährts gesammelt. Damals hofften die Vereinsmitglieder noch, dass in spätestens zwei Jahren die Lok wieder betriebsbereit sei. Doch es sollte fast zwei Jahrzehnte dauern, bis die Zahnradbahn unter Dampf über die Schienen rollte. Auf jeden Fall ist es eine erstklassige Leistung, was der Verein da auf die Schienen gesetzt hat. Jetzt fehlt nur noch, dass der andere Traum in Erfüllung geht: die Eröffnung der alten Strecke von Honau zur Station Lichtenstein.


Bildertanz-Quelle: Botho Walldorf (Foto)

Sonntag, 26. Oktober 2014

Die Postarkaden werden 20 Jahre alt


Die Postarkaden - so heißen seit 20 Jahren die Gebäude an der Ecke von Eberhardstraße und Unter den Linden. Weil sie in unmittelbarer Nähe der Hauptpost stehen, wurden die neuen Gebäude so genannt. Immer wieder hatte man zuvor versucht, das Gelände neu zu bebauen. Dereinst war hier die Samenhandlung Sprandel. Schon Oberbürgermeister Oskar Kalbfell wollte hier ein Hochhaus bauen, später sollte es ein "City-Center" werden. Doch der Stuttgarter Bauträger gting in Konkurs. Dann übernahm die Reutlinger Baugesellschaft Dr. Rall 1991 das Grundstück von der Erbengemeinschaft Hempel/Neumann. Das AQrchitekturbüro Andreas Haid bekam den Auftrag, hier ein neues Gebäude im postmodernen Stil zu errichten. 25 Millionen DM kostete der Bau. Im September 1992 war der Spatenstich. Die besondere Herausforderung bei der Errichtung bestand darin, dass die Stadt besondere Sicherungsmaßnahmen verlangte. Denn sie trug sich mit dem Gedanken, an diesem verkehrsträchtigen Punkt einen Tunnel zu errichten, der vom Bahnhof bis zur Post reichen sollte. Darüber redet heute keiner mehr. Auf jeden Fall ist seit Dezember 1994 hier die Commerzbank stationiert.

 So sah es hier noch um 1980 aus. Bildertanz-Quelle: Richard Wagner
Der Name des Hauses

Blick in Richtung Eisenbahn-Brücke
Der Blicj in die andere Richtung: hin zur Wilhelmstraße
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer /Richard Wagner

Samstag, 25. Oktober 2014

50er Jahre: Als Peter Frankenfeld in Reutlingen war...

 ... wollte er natürlich nicht, dass ihn jeder gleich erkennt. Er war auf Einladung des EKZ an die Echaz gekommen, um dort bei einem Betriebsfest die Mitarbeiter bei Laune zu halten. Um nicht erkannt zu werden, zeigte er sich anfangs nur von hinten und dann auch nur mit Maske. Der Showmaster, der vielleicht für immer und ewig der Beste seiner Gattung war, brachte es immerhin 1955 auf die Titelseite des Hamburger Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Diesmal ohne Maske.

Bildertanz-Quelle:EKZ / Sammlung Raimund Vollmer

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Aachens berühmtester Goldschmied hieß Hans von Reutlingen...

Dieselbe Perspektive wie oben - nur vor 60 Jahren. (Foto: Karlheinz Vollmer)


... was uns natürlich denken lässt, dass er vor einem halben Jahrtausend Richtung Norden zog, um in der Domstadt tätig zu sein. Von 1465 (etwa) bis 1547 hat der große Meister gelebt. Vor zwei Jahren haben die Aachener ihren Dom, zu dessen Schatz die Werke des Meisters gehören, gründlich renoviert. Alles glänzt und glitzert. Dabe sind die Goldmosaike an den Bögen der Kirche gar nicht aus Gold, sondern aus Glas. Die Mosaike wurden mit schnödem Rübensaft verklebt und haben jahrhundertelang gehalten. Bei einem Besuch am Montag in der Domstadt war ich völlig verblüfft, als ich diese der Muttergottes geweihten Kirche, aber vor allem mit Karl dem Großen assoziierten Dom besichtigte. Denn ich hatte das Innere sehr dunkel in Erinnerung. Jetzt leuchtete und strahlte hier alles. Es ist ein grandioses Bauwerk.




Zwei Jahre ist es her, da hatten übrigens unsere Freunde aus Eningen die Frage nach dem Hans-von-Reutlingen gestellt.
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer

Heute Osiander: Vor 225 Jahren das Geburtshaus von Friedrich List





Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer