Montag, 26. August 2019
Donnerstag, 22. August 2019
Vorbild Heilbronn?
1985: »Manchmal erscheint mir, als ob eine Pestepidemie über die Menschheit gekommen wäre und sie gerade in ihrer charakteristischsten Fähigkeit getroffen hätte, das heißt eben im Gebrauch der Worte, eine Pest der Sprache, die sich als Verlust von Unterscheidungsvermögen und Unmittelbarkeit ausdrückt, als ein Automatismus, der dazu neigt, den Ausdruck auf die allgemeinsten, anonymsten und abstraktesten Formeln zu verflachen, die Bedeutungen zu verwässern, die Ausdrucksecken und -kanten abzuschleifen und jeden Funken zu ersticken, der beim Zusammenprall der Worte mit neuen Situationen entstehen.«
Italo Galvino (1923-1985), italienischer Schriftsteller in
seinem Buch "Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend", Seite 84
Wie in Reutlingen
Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
Der folgende Satz könnte auch für Reutlingen stehen:
"Als weltoffene Stadt ziehen wir mit attraktiven Studien-, Ausbildungs- und
Arbeitsplätzen, vielfältigen Freizeit-, Naherholungs-, Kultur- und
Bildungsangeboten junge Menschen und Familien, immer mehr Erwerbstätige und
aktive Senioren an." Mit diesen Worten leitet der Oberbürgermeister von
Heilbronn Harry Mergel die 2015 gemeinsam von Verwaltung, Rat und Bürgerschaft
erstellte "Stadtkonzeption" mit Blick auf das Jahr 2030 ein. Ein
lieber, junger Freund - voller Zukunftshoffnung - hat mir dieser Tage
empfohlen, mir diese Konzeption mal näher anzuschauen - schon wegen der starken
Bürgerbeteiligung. Er war ganz begeistert.
Ich habe es versucht - und bin eher entgeistert.
"Die Zukunft beginnt jetzt." So eröffnet diese
Studie ihre Vorschläge für den Zeitraum bis Ende des kommende Jahrzehnts. Aber
die Zukunft hört danach auch gleich auf. Denn die Inhalte dieser Studie sind
tot, gestorben an der Pestepidemie der Worte. An dieser Studie hat kein
Stadtrat mitgeschrieben, kein Bürger, kein Mensch ohne Amt. PR- und
Marketing-Profis haben hier sich mit ihren Floskeln hineingeschnurrt. Da ist
von "Strategiefeldern" die Rede, die von
"Schlüsselprojekten" gedüngt werden. Sie ähneln eher einer Aufzählung
von Selbstverständlichkeiten, als dass sie in irgendeiner Form der Stadt
irgendein Alleinstellungsmerkmal geben. Da ist viel "Bullshit-Bingo"
im Spiel.
Alles gewinnt "immer mehr" an Bedeutung, ohne viel
zu sagen, woraus dieses "Immer-mehr" besteht. Jeder, der in der
Sprache lebt, weiß, dass "immer mehr" das Wieselwort aller PR ist.
"Immer mehr" ist PR, ist Marketing. Und man wird nach quälender,
elender Lektüre dieses Papiers, das es elektronisch HIER
gibt, den Eindruck nicht los, dass sich
diese Stadt zu allem verpflichtet fühlt, was gerade vor die Flinte der
Zukunftsforscher gekommen ist, ohne wirklich konkret zu werden. Alles ist hier
nichts. Wie gesagt: Lesen Sie selbst!
Ersetzen Sie dabei das Wort Heilbronn hie und da durch das
Wort Reutlingen, und Sie wissen, dass es egal ist, ob Sie hier oder dort leben.
Man kann hier wie dort "Heimat findeN", also: hier wie doRT.
Heilbronn ist sich selbst Heilbronn. Das plakatiert sich
durch alle Botschaften der 182seitigen Konzeption. Die Bürgerbeteiligung -
jenseits aller Profis und "hired guns" - schimmert nirgendwo wirklich
durch. Es ist ein Top-Down-Ansatz - wie alle anderen auch. Die Zukunft gewinnt
hier nichts, sie brät sich im eigenen Saft.
Wenn ich als Bürger einen Vorschlag machen dürfte, dann
würde ich das Thema "Stadtkonzeption" den Profis wegnehmen. Der
Stadtrat mit all seinen 40 ehrenamtlichen Mitgliedern stattet sich selbst mit
einem Etat von 250.000 Euro aus und zieht durch die ganze Stadt, um
Bürgermeinungen einzuholen, fasst selbst zusammen, was er an Rat und Tat zu
hören und zu sehen bekommt, entwickelt eine eigene Vorgehensweise, schreibt
sein eigenes Papier, setzt seine eigene Marke, die dann auch unsere werden
kann. Zum Beispiel mit unserer Antwort zum Thema "Hochhäuser", "Wohnungssituation" oder
"Stadtbahn" oder "Fahrverbot".
Heraus kommen wird dann jene Art von Erkenntnis, die nach
Meinung von Italo Galvino dessen Schriftstellerkollege Robert Musil hatte: "Für
Musil ist Erkenntnis das Bewusstsein zweier entgegengesetzter Pole: den einen
davon nennt er bald Exaktheit, bald Mathematik, bald reinen Geist, bald auch
militärische Denkungsart. den anderen bald Seel, bald Irrationalität, bald
Menschlichkeit, bald Chaos." Man könnte auch sagen: das eine sit
Stadtplanung, das andere Bürgermeinung. Es ist genau das Spannungsfeld zwischen
Funktion und Emotion.
Es kommt auf das Dazwischen an: Dann funkt's. Zwischen
beiden. Und zwischen beiden steht der Stadtrat, von uns gewählt, als unser
Vertreter. Niemand anders. Der Oberbürgermeister steht darüber. Von uns genau
mit dieser Aufgabe gewählt.
Der Stadtrat könnte seine natürliche Autorität mächtig
stärken, könnte sich als Person und nicht als Partei einbringen, könnte die Wendemarke
unserer Stadt sein. Sonst bekommen wir auch weiterhin Papiere, in denen zwar alle
Themen angesprochen werden, aber in denen nichts gesagt wird.
Anmerkung:
Auf "You Tube"
habe ich mir den Film zur Marke Heilbronn angeschaut. Mir hat's gefallen. 2155
Aufrufe gab's seit Juli 2017. Sieben Usern gefiel der Film, vier fanden ihn
nicht so gut. Ich bin der Achte, der auf "gefällt" gedrückt hat. Kommentare
gibt es übrigens keine. Die Bürgerbeteiligung ist also Schweigen. Zumindest auf
YouTube.Bildertanz-Quelle: K. Jähne (Heilbronn) / Sammlung Bildertanz (RT)
Donnerstag, 15. August 2019
REUTLINGEN SCHRUMPFTE AUCH IM JULI.
Zählte die Stadt noch 115.352 Einwohner im Juni 2019, so sind es einen Monat später nur noch 115.266, also knapp 90 Einwohner weniger. Da die Stadt auf ihrer Homepage nur die jeweils aktuellen Zahlen veröffentlicht, ohne Vergleichsmöglichkeit, können wir nur sagen, dass die Zahl der Einwohner im Vergleich zum Juni 2018 um 550 Einwohner gesunken ist. Da tut sich eine Schere auf, oder? Wir werden die Entwicklung weiter beobachten.
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer
Montag, 12. August 2019
Die Stadt, die Maut und wir
Wenn aus Reutlingen Mautlingen wird
Eine unzeitgemäße Betrachtung von Raimund Vollmer
London ist ja wie Stockholm, Singapur oder Reutlingen eine
Großstadt. Seit 16 Jahren kennt man dort eine mautpflichtige Verkehrszone.
11,50 Pfund kostet es pro Tag, wenn man in der Innenstadt sein eigenes Auto
unbedingt bewegen will. Im Vergleich zum Jahr 2000 sank die Zahl der Fahrzeuge,
die ins Innere wollten, um rund 25 Prozent. Ein tolles Ergebnis - bei gleichzeitig
steigenden städtischen Einnahmen. Doch seit einiger Zeit nimmt die Belastung
wieder deutlich zu. Die durchschnittliche Geschwindigkeit sank von 32 (2013) auf
28,5 (2016) Kilometer pro Stunde. Nicht gut. Die Autofahrer verlieren je
Kilometer über zwei Minuten. Tendenz steigend. Also überlegt man dort, die
Preise individuell zu gestalten - je nachdem, wann man in die Stadt fährt, wie viele
Kilometer und welche Straßen benutzt werden. Singapur, die Stadt, die schon seit
1975 Zutrittsgebühr erhebt, will ein solches Verfahren 2020 einführen. An der
Westküste der USA, in Kalifornien und Oregon verfolgt man technologisch noch
ehrgeizigere Projekte. Gepreist wird nicht mehr pauschal, sondern in Echtzeit
ganz nach dem Verhalten der einzelnen Fahrer.
Nun - in London (wie gesagt, eine Großstadt wie Reutlingen)
hat man den Taxiverkehr inklusive Uber-Fahrten von der Maut befreit. Ebenso
Car-Sharing. Ergebnis: die Zahl der Autos, die als Taxi und Teilauto die
Innenstadt betreten, stieg von 50.000 auf 85.000. Und die Zahl der Fahrer, die
eine Lizenz zum mautkostenfreien Chauffieren haben, verdoppelte sich nahezu von
62.000 auf 115.000. Uber & Co. eroberten 38 Prozent des Autoverkehrs in
Zentral-London und erobert einen doppelt so hohen Anteil am Verkehrsvolumen wie
traditionelle Taxis.
Das Konzept scheint also - auch bei aller Kritik an Uber
& Co. - aufzugehen. Die Methode Maut ist nur in Deutschland wahnsinnig und
beschert denjenigen wahrscheinlich eine Milliarde Euro an Einnahmen, die dafür
angeheuert wurden, das nicht zu installieren, weshalb man sie angeheuert hat.
Schon bei der LKW-Maut nannte sich das damit verbundene System völlig korrekt "Toll-Collect",
wies also mit all seinen Pannen darauf hin, dass wir Großprojekte nur noch als
tollkühne Verfahren draufhaben.
Übrigens sind in Großbritannien die Werte, die man aus der
Benzinsteuer einnahm, aufgrund sparsamerer Motoren innerhalb von fünf Jahren um
812 Millionen Pfund gesunken. Ein Grund mehr, das System in die Richtung zu verlagern, in
der das Verhalten der Fahrzeuge insgesamt über Gebühren geregelt wird. Eine
riesige Verführung für alle, die sich um die Einnahmen der Öffentlichen Hand
Sorgen machen - allen voran die Politiker.
Zurück in die Großstadt. Londons System wurde 2003 ebenso von
der Bevölkerung angefeindet wie 2006 das System in Stockholm. Heute sind in der
schwedischen Hauptstadt 70 Prozent für die Beibehaltung. Also: die neuen
Verfahren stoßen auf positive Resonanz. So etwas hören Planer gerne, die - wie
in der Großstadt Reutlingen - versuchen, gegen Widerstände in der Bevölkerung
neue Systeme einzuführen. Irgendwann lieben wir das, worunter wir anfangs
meinten zu leiden.
Wir - also die Bürger der Stadt - verlieren als Autofahrer
an Einfluss, meinte 2017 das Wirtschaftsmagazin "The Economist", das
die Zahlen hier zusammenstellte, auf die sich dieser Kommentar bezieht. In den
USA fällt der Anteil der jungen Menschen, die einen Führerschein beantragen,
etwas ähnliches entwickelt sich auch momentan in Deutschland. Die Zahl der
Haushalte, die ohne Auto auskommen, scheint zu steigen. McKinsey, diese
Unternehmensberatung, die immer Recht hat, meint, dass im Jahr 2030 zehn
Prozent aller Autos unter die Rubrik "Car-Sharing" fallen.
Und die Technologie spielt mit. Mit neuen Preissystemen
verändert sich das Fahrverhalten, heißt es allenthalben. Da ab 2020 die
allermeisten neuen Autos durch Mobilfunk
angesprochen werden können, wird man alles dransetzen, um immer mehr über uns,
die Autofahrer, zu erfahren. Egal, wie sorgsam wir mit Sprit umgehen, man wird
das, was wir dort einsparen auf andere Weise wieder hereinholen. Das ist schon
einmal sicher. Und als Dieselfahrer wirst Du vielleicht gar kein Fahrverbot
bekommen, sondern nur der sein, den man am stärksten zur Kasse bitten wird. Die
Strafe folgt der Straße. Denn Dein Auto wird sich in all seinen technischen
Details gegenüber dem Mautmoloch offenbaren. Es dieselt Geld in die Kassen.
Selbstverständlich werden Datenschützer sofort auf den Plan
treten und ihre Bedenken solange äußern, bis sie in neue Autodatengrundverordnungen,
die Du als Autoeigentümer überall unterschrieben hast, überführt sind. Am
besten mietest Du Dir dann Dein Auto - "all inclusive" oder so. Datenschutz
ist nur noch reine Privatsache.
Seltsamerweise wird in dem Artikel, auf den ich mich hier
beziehe, der Öffentliche Personennahverkehr nicht genannt. So - als sei er gar
keine Alternative. Kann sein, dass der Autor bereits im Hinterkopf die
Selbstfahrer hatte. Von ihnen geht wahrscheinlich die größte Veränderung aus.
Denn die Automobilhersteller und Mobilitätsanbieter sind ganz scharf darauf,
die Daten zu bekommen, die aus der Maut ins System fließen. Sie sind wichtig,
um ihre zukünftigen selbstfahrenden Vehikel zu optimieren. Auch hier werden
Datenschutzgrundverordnungen alles zwischen Dir und Deinen Verkehrspartnern
regeln.
Busse und Bahn - über die wir hier in Reutlingen so gerne hirnen
- haben vielleicht nur noch im Untergrund einer Stadt etwas zu suchen,
oberflächlich sind es autonome VANs & CARs, die uns - an allen Fußgängern,
Radfahrern, E-Roller vorbei - ganz gemütlich durch die Stadt chauffieren. Mit
maximal zehn KaEmHa - innerhalb der Wilhelmstraße und anderen
"Fußgängerzonen". Wir werden dies - weil staufrei (und auch
staubfrei) - als rasend schnell empfinden. Denn Verkehrsregelungen werden uns
mit Hilfe von Ampeln und Zehnerzonen längst an das neue Geschwindigkeitsgefühl gewöhnt
haben. Wir schaukeln durch die Stadt - wie dereinst die Straßenbahn. Die
Gartenstraße wird allerdings für alle gesperrt sein - weil man darunter gerade
eine "U-Bahn" baut.
Natürlich werden gegen solche Ideen all jene ihre wissenschaftlich
fundierten Bedenken erheben, die sich den Neunten-Neunten nicht verderben
lassen. Unser neues System muss wie der ZOB, der 1994 schon für die "Großstadt"
Reutlingen zu klein war, mindestens 25 Jahre halten.
Das ändert nichts daran, dass ich mir sehr wünsche, dass die
neuen Quartiersbusse auf große Akzeptanz stoßen. Sie sind die ersten
Kandidaten, die man eines Tages durch Selbstfahrer ersetzen könnte - mit
höheren Reichweite, engerem Zeittakt und stärkerer Verdichtung. Allerdings
könnten dann auch Private diese Dienstleistung übernehmen. Natürlich ebenso
mautfrei.
Bildertanz-Quelle:RV
Donnerstag, 8. August 2019
Na - wo war wohl diese Haltestelle?
Egal, was am Neunten-Neunten passiert - die Bahn kommt nicht nach ....
Bildertanz-Quelle:Jakob Futter
Bildertanz-Quelle:Jakob Futter
Mittwoch, 7. August 2019
Dienstag, 6. August 2019
Samstag, 3. August 2019
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