2013 wird die Idee des Bildertanzes zehn Jahre alt. Grund genug, zur Jahreswende einmal zurückzublicken / Von Raimund Vollmer
Im Anfang war das Wort, und es hieß "Flash" (TEIL IV)
Für die Entwicklung der Multimedia-Shows benutzte ich damals
(und auch noch heute) eine Software namens Flash. Wenn ich gewusst hätte, wie
schwer es für mich sein würde, dieses Programm zu lernen, hätte ich es
wahrscheinlich nie angefangen.Aber den Bildertanz würde es dann heute auch nicht geben. (Ob das allerdings schlimm wäre oder nicht, muss jeder selbst beurteilen... ;-))
Ich hatte 1999 den Auftrag, eine sogenannte
"Zeitmaschine" zu entwickeln. Nein, nein, der Kunde hieß nicht H.G.
Wells, sondern war die IBM Deutschland. Und die Zeitmaschine war nichts anderes
als eine Powerpoint-Präsentation, die bei einem Kongress in Cannes als
selbsttätig laufendes Programm gezeigt werden sollte. Inhalt: Lauter Prognosen
und Fehlprognosen aus den letzten 100 Jahren.
Das passte wunderbar zum bevorstehenden Jahrtausendwechsel, meinte mein Kunde.
Das passte wunderbar zum bevorstehenden Jahrtausendwechsel, meinte mein Kunde.
Arbeit am Jubiläumsfilm der Volksbank Reutlingen, Partner des Bildertanzes: Die verwirrende Welt von Flash
Ich machte mich ans Werk, und - ganz ehrlich - ich bekam zwar
eine Menge Stoff zusammen, aber optisch war das Ganze eine Katastrophe. Trotzdem:
die Leute freuten sich an den Inhalten. Und ich konnte etwas großspurig
behaupten: ich hätte meine Multimedia-Show sogar in der südfranzösischen Filmfestivalmetropole
Cannes gezeigt. Aber das war natürlich maßlos übertrieben, und ich habe es auch
immer nur mit einem Augenzwinkern behauptet.
Jedenfalls bei der Übergabe meines Werkes an die
Veranstaltungstechniker fragte mich einer der Mitarbeiter (es war ein
Engländer) beim Blick auf die Show, warum ich das nicht mit "Flash"
gemacht hätte. Ich schaute ihn reichlich blöd an. Von dieser Software hatte ich
noch nie etwas gehört. Doch den Tipp merkte ich mir.
Wieder zuhause recherchierte ich ein wenig. Es war die Zeit,
als Google noch ein Mysterium und das Internet ein noch größeres Geheimnis war.
Wir hatten zwar schon daheim Internet-Anschluss, aber das war alles noch sehr
in den Anfängen. Vor allem meine Töchter nutzen das Netz. Ich hatte Osiander.
Da gab es Fachbücher, in denen man herumstöbern konnte, ohne sie gleich kaufen
zu müssen.
Auf jeden Fall erwarb ich irgendwann im Sommer 2000 das
Programm und wollte loslegen. Pustekuchen. Ich verstand gar nichts. 500 Mark
hatte ich ausgegeben - und nun das. Für 2000 Mark hatte ich mir zudem noch
einen Laptop zugelegt, damit ich auch das, was ich auf meinem Computer
entwickelte, jedermann überall zeigen konnte.
Inzwischen hatte ich mir fünf oder sechs teure Bücher gekauft,
um mir diese Software erklären zu lassen. Ich verstand immer weniger, aber das
auf immer höherem Niveau. Wir machten in dem Jahr Ferien in Spanien. ich nahm
meinen Laptop, die Bücher und die Software mit, saß 14 Tage lang jeden Nachmittag
etliche Stunden auf der Terrasse unseres Ferienhauses und lernte
"Flash". Meine Kinder machten einen Riesenbogen um mich, weil ich sie
ständig mit meinen selbstgebastelten Demos
nervte. Wieder zuhause lernte ich weiter, allmählich verstand ich die
Prinzipien von Flash, wurde immer besser - und nerviger. Denn mit meinen
Filmchen belästigte ich nicht nur meine Familie, sondern auch meine Kunden, die
- weil sie mir freundlich gesonnen waren - toll fanden, was ich da
zusammenstellte. Ich glaube, wenn sie mir gesagt hätten, welchen Mist ich da
produziert habe, ich hätte "bestimmt vielleicht" aufgegeben.
In einer meiner ersten Animationen, denn das ist es, was
Flash produziert, habe ich versucht, die "Geschichte des Internets"
als eine Art Daumenkino (das ist das Prinzip von Flash) zu erzählen. Grausig.
Und es wurde auch nicht besser dadurch, dass ich aus einer CD mit 20.000 Sounds
eine eigene Musik zusammenstammelte. Aber ich war stolz und stur. Ich bekam
sogar schon ein paar kleinere Aufträge. Ich durfte sogar 2002 das Jubiläum eines
befreundeten Unternehmens mit meinen Kreationen begleiten. Im Nachhinein habe
ich den Eindruck, dass mir mancher Kunde ganz einfach nur helfen wollte, weil
sie sahen, wie sehr ich mich da engagierte.
In gewisser Weise hatte mich die nackte Existenzangst dazu
getrieben, mich mit Multimedia zu beschäftigen.
2013 ist das Jahr, in dem ich auf 40 Jahre journalistische
Arbeit zurückblicken kann. Meine Arbeit bestand vor allem aus Schreiben,
Schreiben und nochmals Schreiben. Das war mein Leben, meine Leidenschaft. Ich
war felsenfest davon überzeugt, dass mir die Welt der Bilder völlig fremd sei.
Aber ich stellte fest, dass die Menschen immer weniger lasen und immer mehr
guckten. Nicht mehr wir Textmenschen, sondern die Grafiker bestimmten mehr und
mehr darüber, wo es lang ging. "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte".
Diesen Satz hasste ich über alle Maßen. Denn damit brachte man mich, den Mann
der 1000 Worte und mehr, regelmäßig aus dem Geschäft. Wir Schreiber wurden
entmachtet, trauten uns immer weniger, wurden immer schlechter. Optik war
alles. (Meine Verbitterung führte schließlich zu der bösen Erkenntnis:
"Immer mehr Leute, die nicht schreiben können, arbeiten für Leute, die
nicht lesen können.")
Doch was nützte es. Bild regierte die Welt. Ich spürte, dass
ich alles in meinem beruflichen Leben änderte musste.
Allerdings hatte ich in gewisser Weise ein
Erweckungserlebnis gehabt. Bei einer Zugfahrt mit einem IBM-Manager
unterhielten wir uns über Menschen und Typen. Ich erklärte ihm, dass ich ein
absolut textorientierter Typ sei. Der Manager bezweifelte dies. Und dann machte
er einen Test mit mir. "Können Sie sich an Ihren ersten Schultag
erinnern?" Ich dachte einen Augenblick nach. Was ich nicht wusste: auf diesen
Augen-Blick kam es in Wirklichkeit und im ganz wortwörtlichen Sinne an. Ehe ich
ihm die Antwort geben konnte, sagte dieser Manager zu mir: "Sie denken in
Bildern." Ihn interessierte meine Antwort überhaupt nicht, sondern nur
wohin meine Augen gingen, als ich über die Antwort nach dachte. Ich schaute
dabei in die Ferne, nicht in mich hinein. Das war für ihn der entscheidende
Hinweis.
Ob nun an diesem Test was dran war oder nicht, war
eigentlich nicht wichtig. Jedenfalls habe ich mich selbst fortan anders gesehen
als vorher. Aber die Wut auf die Grafiker hat es mir nicht genommen. Denen
wollte ich es zeigen.
Alles was ich über Flash wusste, warf ich in ein einziges
Projekt hinein - in eine Flash-Animation. Der Name: "BILDERSTURM - In
sieben Minuten durch sieben Jahrzehnt in 2002 Bildern". Meine Idee war es,
einen Film zu machen, an dessen Ende die Zuschauer sagen würden: "Ich will
keine Bilder mehr sehen". Natürlich hatte ich, der ich ja immer mit meinem
katholischen Glauben kokettierte, einen Heidenspaß an der Vorstellung, einen
BILDERSTURM zu inszenieren.
Das Experiment scheiterte. Niemand kam nach der Präsentation
dieses Film zu mir und sagt, dass er fortan keine Bilder mehr sehen wolle.
Stattdessen wurde der BILDERSTURM ein - jedenfalls für meine Verhältnisse -
Riesenerfolg, übrigens auch bei späteren Bildertanz-Veranstaltungen.
Anfangs brauchte man, um den Film abspielen zu können, zwei
Laptops, weil ein Rechner allein mit der Flut der Bilder und der Musik überfordert
war. Insofern war der Flash mehr ein Maschinenstürmer als ein Bilderstürmer. Ich
habe immer mehr Versionen davon machen müssen, sogar eine englische.
Unternehmen setzten den Film ein für interne Veranstaltungen zumeist als Intro.
Mit ein wenig Angeberei, die mir ja völlig fremd ist, hätte ich also sagen
können, dass von Altenburg aus ein Film um die Welt ging (und das habe ich
natürlich auch so gesagt, allerdings mit einem Augenzwinkern).
Der BILDERSTURM war jedenfalls der Grund, warum ich mir nun
auch zutraute, einen ganzen Abend mit solchen Multimedia-Einlagen zu füllen.
Allerdings hatte ich den Aufwand, den die Zusammenstellung von Filmen für unseren
Bildertanz-Dorfabend erforderte, hoffnungslos unterschätzt.
2 Kommentare:
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