(Kommentar) Es war nur der Einstieg in den Ausstieg, was da im Stadtrat beschlossen wurde. Darauf weist heute im Reutlinger General Anzeiger der Leiter der Lokalredaktion, Roland Hauser, in seinem Kommentar auf Seite 1 des Lokalteils "Reutlingen" deutlich hin. Er versucht also, die ganze Angelegenheit herunterzufahren. Deshalb ist auch die Berichterstattung an sich nicht auf der ersten Seite, sondern auf der dritten - und das auch noch im unteren Segment. Dass Thomas Thomma das Rennen um die Position des Finanz- und Wirtschaftsbürgermeisters gegen Peter Rist gewonnen hat, war dem GEA wichtiger. Auch der Abbruch-Auftrag bei der Listhalle oder der Streit um den Getränkeausschank in der Zelle hatte eine höhere Priorität. Dabei betrifft der Beschluss des Stadtrats, der mit großer Mehrheit getroffen wurde, sehr stark die Interessen der Bürger in Stadt und Land. Auch auf der Internetseite des Reutlinger General Anzeigers wird die Nachricht fast schon versteckt. Auf der
Homepage zum heutigen Tag ist das Thema "Finanzbürgermeister" die Nummer 1. Der Beschluss des Stadtrats wird nur indirekt adressiert mit der Überschrift "
Dies ist keine Nacht- und Nebelaktion", was sich hinter dieser Aussage verbirgt wird nicht gesagt.
Da sind die
Reutlinger Nachrichten deutlich offensiver. Da ist es heute die Top-Meldung, der Aufmacher schlechthin. Die Story finden Sie
HIER. Im Unterschied zum General Anzeiger können Sie hier auch einen Leser-Kommentar dazu online stellen.
Natürlich ist es der Oberbürgermeisterin peinlich, dass der Coup zu einem Zeitpunkt publik wurde, zu dem der Landrat des Kreises noch gar nicht informiert war. Aber es verwundert uns Bürger schon, dass dieses Ansinnen in nicht-öffentlichen Sitzungen bestens vorbereitet worden war - und dann wie ein Angriff aus dem Nichts uns, den Bürgern, präsentiert wurde. War das großstädtisch?
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Reutlingen vor 80 Jahren |
Wahrscheinlich fällt da vielen von uns spontan die Vorgehensweise beim Bau der Stadthalle ein. Auch da wurde argumentiert, dass der Bürgerentscheid nur dazu diene, sich beim Bürger die Autorisierung zum Planen einer Stadthalle zu holen. Nachdem man diese hatte, wurde dies - untermauert durch eine Bürgerumfrage durch den GEA (!!!) - als Genehmigung zum Bau der Stadthalle umgewidmet. Das war eine massive Manipulation. Man steigt ganz niedrig ein - aber man nimmt dann den Teil fürs Ganze. So war es bei der Stadthalle. Warum sollte es bei der Kreisfreiheit jetzt anders sein?
So kommt man um den Eindruck nicht herum, dass jetzt erneut so verfahren wird. In der Entscheidung steht bereits das Ergebnis fest. Unser Vorschlag, einen Bürgerentscheid zu diesem Thema herbeizuführen, wäre mehr als angebracht. Aber nach der Lektüre über die Diskussion im Stadtparlament kommt man zu der Überzeugung, dass dies eher eine Minderheitsforderung ist. Dabei wäre der Bürgerentscheid angesichts der historischen Bedeutung mehr als angebracht - noch mehr als bei der Stadthalle. Die Kreisfreiheit, würde sie erlaubt, wird das Image Reutlingens im 21. Jahrhundert prägen.
Raimund Vollmer
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Weitere Berichte und Kommentare
UMFRAGE GESTARTET - Wird die Achalm bald kreisfrei? - Es sind die Dörfer, die Reutlingen zur Großstadt machten - Kreisfreiheit: Der Angriff aus dem Nichts
2 Kommentare:
Die Frage Kreisfreiheit ja oder nein sollte doch zunächst sachlich bezüglich der Vor- und Nachteile diskuttiert werden. Was gewinnt Reutlingen: Zuständigkeit für das Klinikum (früher Kreiskrankenhaus), Sozialhilfe, keine Kreisumlage mehr, - der Zuwachs an Zuständigkeiten ist doch insgesamt gesehen gering. Was gewinnt der Bürger konkret von der Kreisfreiheit? Darüber schweigt die Verwaltung. Was verliert der Kreis. Kreisumlage, Krankenhaus, kann der Restkreis lebensfähig bleiben? Führt der Zuwachs an Kompetenzen für die Stadt Reutlingen zu einem Personalmehraufwand - steht diesem Mehraufwand auch beim Kreis dann auch eine entsprechende Personalminderung gegenüber, was wird aus den beruflichen Schulen. Probleme über Probleme nur für den Gewinn der Kreisfreiheit? Mehr als fraglich. Aus der Großstadteigenschaft kann doch keine Kreisfreiheit gefolgert werden. Historisch ist im württembergischen Landesteil seit 1938 die Situation, dass Heilbronn und Ulm(damals keine Großstadt) sowie der Stadtbezirk Stuttgart kreisfrei wurden. Im badischen Landesteil war das anders, deshalb ist auch Baden-Baden kreisfrei. Ich bin für jede sinnvolle Kommunalreform, aber für Reutlingen bringt es nicht viel - ganz bösartig vielleicht eine höhere Besoldungsgruppe für den Oberbürgermeister und die Bürgermeister. Das könnte man auch gleich klären oder ausschliessen.
Lieber Hermann, Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Das Gute an der ganzen Sache wäre, dass wir im Gefolge der Auseinandersetzung ob ja oder nein über die Zukunft unserer Region (und nicht nur der Reutlingens) nachdenken. Aber leider wird man das Gefühl nicht los, dass die Stadtväter mit ihrer Entscheidung bereits ihr Urteil abgegeben haben: Sie wollen die Kreisfreiheit. So wird man auch das Gefühl nicht los, dass dies mit "Basisdemokratie" (OB Bosch) nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Es ist Demokratie von oben.
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