Es ging um eine Diskussion mit den Kandidaten zur Stadtratswahlen am 25. Mai 2014. "Quo vadis - Kultur?" lautete die zentrale Frage an diesem Abend. Folgt man dem Bericht, wurde am wenigsten über Kultur gesprochen, sondern am meisten über Bauprojekte, die einer Kultur dienen sollen, die am Ende wegen der Baukosten niemand bezahlen kann. Schaut Euch mal das Veranstaltungsprogramm der Stadthalle im Monat Mai an, dann ist die Halle genau achtmal besetzt, davon viermal von der Württembergischen Philharmonie. Im Juni sind es sogar nur sechs öffentliche Veranstaltungen, wirklich mit Kultur haben nur zwei Abende etwas zu tun. Im Juli ist außer "Alice im Wunderland" gar nichts geplant. August Fehlanzeige. September Fehlanzeige. Oktober kommen die Ryhthmus-Boys und die Immobilienmesse.
Aber schaut selbst: HIER!
Wahrscheinlich gibt es jede Menge andere Veranstaltungen (wollen wir jedenfalls mit Blick auf die Stadtkasse hoffen), aber sie sind offenbar nicht öffentlich zugänglich. Schauen wir in das Programm von Franz K. im Mai: 22 Veranstaltungen habe ich gezählt - und da quillt es über in Sachen Kultur. Schaut selbst! HIER.
Bleibt noch Die Tonne. 23 Veranstaltungen, die alle unter dem Rubrum Kultur laufen. Schaut selbst!
HIER .
Man könnte nun vorschnell sagen, in Reutlingen gilt: Je kleiner die Kunst, desto größer das Angebot. Das wäre ungerecht gegenüber den Künstlern. Was man stattdessen auf jeden Fall sieht: Kultur wächst von unten. Und schon gar nicht mit der Größe eines Gebäudes. Kultur wächst aus sich selbst heraus.
In der Podiumsdiskussion wurde aber offensichtlich nicht über Kultur und deren Dynamik, deren Ziele und Ambitionen gesprochen, nicht über Idee und Konzepte, sondern nur über Geld. Geld zum Bauen, Geld zum Fördern, letztlich über Subventionen. Vielleicht liegt es auch daran, dass man den Kandidaten nichts anderes zutraut - als über Geld zu reden. Über Kultur - so war mein Eindruck - wurde wohl nur wenig gesprochen.
Von den Römern wurde einmal gesagt, dass sie riesige Institutionen der Kultur eingerichtet haben, aber selbst nur eine ziemlich kleine Kultur zustande gebracht haben (gemünzt war dies vor allem auf die Literatur). Geld macht keine Kultur, vielleicht auch deshalb, weil Kultur kein Geld macht. Aber Kultur macht Gönner (z.B. Privatpersonen, aber auch den Staat) erst wirklich reich. Robert Schumann, der Mann, der die Idee von unserem Europa forcierte wie kaum ein anderer, hat gesagt: "Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich mit der Kultur beginnen" - und nicht mit Wirtschaft und Geld. In diesem Sinne wünscht Euer Charley einen guten Bildertanz in den Mai. Wir veranstalten hier und in unseren Blogs jeden Tag etwas. Wäre schön, wenn Ihr Eure Adress- und Freundesliste durchstöbert und uns mal weiterempfehlt. Auch das ist ein Stück Kultur.
2 Kommentare:
Ja Reutlingen und die Kultur - was soll man dazu sagen. Reutlingen tat sich damit immer schwer und zwar mit jeder Art von Kultur. Zum Beispiel wir haben in Reutlingen das Spendhaus, es verfügt eine der besten Grafiksammlungen Deutschlands - wer weíss davon eigentlich und wie wuchert man in Reutlingen mit diesem Pfund? Antwort: Gar nicht.
Reutlingen verfügte einmal über kulturelle Impulse und zwar nach dem Zweiten Weltkrieg, es gab Theater, Konzerte und Ausstellungen. Motor war Kalbfell, Kern und Künzel. Grischkat gründete das Symphonieorchester - der Mann ist in Reutlingen vergessen, sogar das Orchester erinnerte beim letzten Jubiläum mit nicht, aber gar nichts an diesen Gründer. Ich habe noch Programme aus dieser Nachkriegszeit - toll, toll. Das Theater siedelt in Tübingen, die Abkürzung LTT sagt alles, kulturell war für die Namensgeber Reutlingen ein Nichts (aber auf die Zuschüsse Reutlingens wollte niemand verzichten - sehr charaktervoll).
Nach diesen Jahren versandeten die Initiativen, Aufbauphase, Arbeitsplätze, Fresswelle - das Terrain ging verloren. Reutlingen ist und war geografisch ausgedrückt eben Geest im Vergleich zum Marschland Tübingen. Nachdem es endlich gelungen ist, die Stadthalle dort zu erstellen, wo sie ist, muss man feststellen, dass die Konzeption für die Stadthalle bislang bei den Nachfragern nicht den erwarteten und gewünschten Anklang findet. Da muss doch die Frage kommen - warum? Einmal zu teuer, so mancher Veranstalter ist zumindest dieser Meinung. Ich meine die Stadt Reutlingen muss in dieser Hinsicht beweglicher werden. Auch die Nutzer müssen durch interessante finanzielle Bedingungen für Veranstaltungen gewonnen werden. Auch für die Vereine, die einmal jährlich kostenlos und kostenlos heisst dann kostenlos und nicht nur mietfrei aber hohen Nebenkosten für Technik etc. Daran sollte die Verwaltungsspitze denken und entsprechend handeln. Mir ist eine Genossenschaft bekannt, die sich den Luxus der Tagung in der Stadthalle (so zumindest der Tenor nach der Veranstaltung im letzten Jahr) künftig nicht mehr leisten will, weil die Nutzen/Kostenrelation nicht stimmt und das Hallenmanagement sehr unflexibel sei. Also will man Kultur in der Stadthalle, dann gibt es erheblichen Nachholbedarf, es bedarf viel Geduld, auch in finanzieller Hinsicht und auch ein Publikum, um in der schwäbischen Kulturgeest Veranstaltungen auf dem gewünschten hohen Niveau zu etablieren. Was sonst noch an kulturellem Geschehen in Tonne, Franz K. stattfindet ist toll, aber nur durch viel Initiative von sehr engagierten Persönlichkeiten möglich.
H.R.
Kultur wächst von unten. In der Tiefgarage der Stadthalle - möchte ich ein wenig eitel hinzufügen. Aber ich habe noch nie von einem Stadtrat oder einem Bürgermeister/in irgendeinen Kommentar gehört. So ist das.
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