Vor Weihnachten hatte ich damit begonnen, einen Einführungsfilm über unsere Zeitzeugen-Interviews zu erstellen. Dabei kam ich auf den Gedanken, unser Reutlingen zu zeigen, wie es war vor den beiden Weltkriegen. Und da sah ich, wieviel von dieser alten Reichsstadt bereits verschwunden war. Durch Krieg und durch Nachkrieg. Durch Bomben und Abrissbirne. Aber in den alten Bildern, die uns Stadtrat Fritz Haux zur Verfügung gestellt hat, konnte man diese "verschwundene Stadt" wieder aufleben lassen. Beim Einbringen dieser Fotos in den Film sah ich, wie gestochen scharf diese Bilder sind, man kann mit der virtuellen Kamera richtig darüberstreifen und Details mit ziemlicher Präzision identifizieren. Die Häuserzeile, die wir hier sehen (und noch nicht Teil des Videos ist), ist gänzlich verschwunden. Aber es wäre nicht nur wegen der Straßenbahn, die ja auch für immer und ewig verloren ist, ein Beispiel für diese "verschwundene Stadt". Der zweite Teil, der sich dann mit der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigen wird, heißt dann - zumindest hat sich dieser Titel in meinem Kopf so festgesetzt - "die geschundene Stadt".
Die hinteren Wagen, so erklärte mir einmal unser Freund Wolf-Rüdiger Gassmann, sind noch ein Erbe der Büschelesbahn, deren Betrieb 1912 mit dem Beginn der Straßenbahn eingestellt wurde.Raimund Vollmer
Bildertanz-Quelle:Sammlung Fritz Haux
9 Kommentare:
Lieber Herr Vollmer,
ich möchte Ihnen Danke sagen.
Danke, dass Sie so viel Zeit in den Bildertanz einbringen und uns zeigen wie sehr sich unsere Stadt Reutlingen verändert hat.
Was würden uns andere Städte beneiden, für solch einen Straßenzug.
Dass wir unseren "Altvorderen" keinen Vorwurf machen können, in Bezug auf den Abriss der alten Gebäude, ist ja irgendwo logisch. Sie wussten es nicht besser!
Aber unseren jetzigen "Befehlshabern" muss man diesen Vorwurf doch vor Augen halten. Da wird abgerissen was geht und oft ohne Rücksicht auf Verluste. Mal sehen wie lange es dauert bis es Oberamteistraße erwischt ;-)
Hab ich doch tatsächlich das "DIE" vergessen vor der Oberamteistraße ;-)
Danke für die lieben Worte - es ist aber auch ein faszinierendes Thema, eine Stadt journalistisch begleiten zu können und dabei so viel Unterstützung zu bekommen. Ohne die vielen Bilder, die wir in den vergangenen zehn Jahren haben sammeln dürfen, wäre das nicht möglich gewesen.
Ja das ist ein schönes historisches Foto, es gibt nur noch wenig lebende, die diese Seite der Lederstraße in natura kennen. Über den Nachkriegsaufbau kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein, als akzeptierte Geschäftslage hat sich die Lederstaße 1 folgende allerdings nicht richtig etablieren können. Aber ein Besuch im Gebäude 9 (ich hoffe es ist die richtige Hausnummer) kann sich lohnen. Denn im ehemaligen Geschäft von Wandel & Goltermann befindet sich eine schöne schwungvolle Treppe im Stil der 50er Jahre in den ersten Stock. Ansehen, solange sie noch existiert. Der "Adler", Gasthof und Hotel wurde im 2. Weltkrieg zerstört und blieb bis Mitte der 60er Jahre das letzte Ruinengrundstück, weil der Besitzer Müller den Erben wohl Verfügungen über das Grundstück untersagt hat für einen Zeitraum von 20 Jahre, da er hoffte, sein in Russland vermisster Sohn könne noch am Leben sein. Erst nach dieser Frist wurde das Grundstück wieder bebaut von der Allianz. Es befanden sich dann z. B. eine Filiale der Konditorie Wagner, die Tanzschule Gehring/Kurz, und ein Treppenabgang, der für die Karlsplatzunterführung für Fussgänger bereits damals eingeplant wurde. Alles verschwunden, es ist überwiegend ein Bürogebäude.
... und mit Blick auf meinen Freund Hermann Rieker möchte ich sagen, dass es auch ohne die sachkundigen Kommentare nicht gehen würde. Das ist ja das Schöne am Internet, wenn man als Autor Fehler macht und sich irrt oder nicht mehr weiterweiß, dann gibt es immer freundlich gesinnte Experten, die einen über jede Klippe hinweghelfen - und dabei einen auf sehr liebenswürdige Art und Weise auch mal "hochnehmen".
Hallo Raimund,
Ein schönes Bild,
aber "früherwarallesbesser" ist m. E. nicht die richtige Einstellung, denn weder in der Zeit als die Häuser gebaut wurden noch in der die man auf dem Bild sieht, würde irgendeiner leben wollen der die Geschichte kennt.
Daß die Karlstrasse keine gute Geschäftslage ist liegt meiner ´Meinung nach nur am Strassenverkehr. Bei dem Krach ist kein stressfreier Einkaufsbummel möglich.
Das Strassenbahngleis zum Bahnhof liegt doch bereits - musst nur gucken ;-)
Gruß
Michael
STIMMT! Danke, Michael! Was wäre der Bildertanz ohne seine Experten!!!
Lieber Herr Vollmer und sehr geehrter Herr Saiger,
ich habe als einer, der in Reutlingen aufgewachsen ist und mit Interesse Veränderungen registriert habe, auch eine Meinung. Aber Fehler, lieber Herr Vollmer - niemals, höchstens eine eigene Ansicht - zum Teil aus eigenem Beobachten.
Deshalb eine Meinung zur Karlstraße: das war nach meiner Beobachtung nie (wer konnte sich je eine solche Zunahme des Individualverkehrs und der Motorisierung Anfang der 50er je vorstellen) als Ausfallstraße angedacht. Es sollte ein Boulevard sein, mit Bäumen teilweise gesäumt (Linden, die 1973 an verkehrsfreien Sonntagen verpflanzt wurden) und natürlich mit Geschäften. Bildertanz hat ja einige gezeigt: Optik Akermann, Blumen Hartmann (im Parkhotel), Foto Näher, Hosenzentreale, Bäckerei Wucherer (Keimzelle von K&W, (jetzt nach Verkauf K & U), auch die Sparkasse Reutlingen war mit einer größeren Zweigstelle vertreten, aber erst nachdem die Sparkasse in einem Verwaltungsgerichtsprozess sich durchsetzte. Heute sind diese guten Adressen alle verschwunden. Man hatte damals durchaus die Absicht, eine neue Geschäftsstraße zu etablieren, was aber nicht gelang, weil die Reutlinger beharrlich die Wilhelmstraße präferierten. Heute ist die Karlstraße eine Geschäftslage, zu deren Rating ich mich nicht äußere, aus gutem Grunde.
Blindschreiben mit 10-Finger-System hat halt Tücken. Selbstverständlich muss es wollte ich Herr Staiger schreiben und mein Name lautet Hermann Rieker. Ich bitte um Entschuldigung und um Verständnis
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