Donnerstag, 26. März 2015

In den Geschichtsblättern geblättert: Warum Reutlingen so spät erst zur Eisenbahn kam...

Friedrich Bode, 1859: Reutlingen - Wer entdeckt auf diesem Bild die Eisenbahn


... erklärte sich der Wissenschaftler und Unternehmensberater Eckhard Wandel im Jahresbuch 1983 so: "Reutlingen war durch den späten Anschluss an das württembergische Eisenbahnnetz im Gegensatz zu anderen Städten stark benachteiligt. Seit 1843 war Reutlingen beim Eisenbahnbau ins Hintertreffen geraten. Die Hauptbahn wurde von Heilbronn über Stuttgart, Plochingen durch das Filstal nach Ulm, Biberach und Ravensburg, an den Bodensee gebaut. Reutlingen sollte durch eine Privatbahn an diese württembergische Hauptlinie angeschlossen werden. Bereits 1845 kämpfte der Reutlinger Bürgermeister Grathwohl für den Anschluss. Nach der Revolutionszeit entschied jedoch König Wilhelm, dass den Städten Reutlingen und Tübingen zugemutet werden könne, noch länger zu warten. Die Hinauszögerung des Bahnbaus war eine politische Vergeltungsmaßnahme für die Ereignisse waährend der Revolutionszeit von 1848. Erst 1859 wurde die Eisenbahnlinie ab Plochingen über Reutlingen nach Tübingen in Betrieb genommen."
Eckhard Wandel, Geschichtsblätter 1983: "Die Industrialisierung Reutlingens im 19. Jahrhundert, dargestellt an den Gründerfamilien"

Wandels Aufsatz basiert auf einem Vortrag, den er bei der Tübinger Universitätswoche am 27. November 1981 in Reutlingen gehalten hat. Ein sehr (er)kenntnisreicher Beitrag, mit dem wir uns in nächster Zeit noch öfter beschäftigen werden. Jetzt wäre es interessant zu wissen, was Reutlingen und Tübingen wohl 1848 angerichtet haben, dass es den König so erzürnt hat. Wahrscheinlich steht dies in einer anderen Ausgabe der Geschichtsblätter. Wir werden es bestimmt noch finden. (RV)

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es waren die Ereignisse von 1848 und die Haltung der Reutlinger, war Wilhelm I. als revolutionäre Illoyalität wertete. Er hat dies der Stadt Reutlingen nie verziehen. Eine der Strafen u. a., dass die Eisenbahnlinie ins Steinlachtal und ins Hohenzollerische den Ausgangspunkt in Tübingen und nicht im wirtschaftlich bedeutenderen Reutlingen nahm.
H.R.

Raimund Vollmer hat gesagt…

Danke. So schnell hatte ich nicht mit einer Aufklärung gerechnet, selbst nicht von unserem Experten H.R.

M.W. hat gesagt…

An der abgeschnittenen Lage hat sich bis heute nichts verändert, abgesehen von zwei IC täglich besitzen Tübingen und Reutlingen keinerlei Fernverkehr. Im übrigen ist Reutlingen auch die einzige Großstadt Deutschlands, welche ohne direkten Autobahnschluss auskommen muss. In beiden Fällen hatte der Ausbau über Böblingen und Herrenberg nach Horb (A81 bzw. Gäubahn) eine höhere Priorität für die Planer in Suttgart. Als späte Rache könnte man da glatt meinen.

Raimund Vollmer hat gesagt…

Wer ist MW? Würde mich freuen, dies zu erfahren, weil mir der Kommentar ausgesprochen gut gefällt. (Wer H.R. ist, weiß ich... ;-))

Anonym hat gesagt…

Die Ausführungen von MW sind zutreffend. Als die Streckenführung der "Bodensee-Autobahn" diskutiert wurde, nahm man bewusst in Kauf, dass der nach dem Stuttgarter Raum zweitwichtigste Wirtschaftsraum, nämlich Reutlingen/(eventl. auch Tübingen) und Albstsdt/Balingen nicht von der Autobahn tangiert wurde, sondern (siehe Gäubahn 100 Jahre zuvor) Böblingen bevorzugt wurde. Den Kreisen Reutlingen, Tübingen und Balingen wurde dafür seinerzeit der vierspurige Ausbau der B 27 versprochen. Wie man sieht eine unendliche Geschichte und Reutlingen lieg unverändert im Verkehrsschatten.

H.R.

Sven Föll hat gesagt…

Lieber Raimund,

weiteres zu den Ereignissen der Jahre 1848/49 findest Du in den RGB 1999 (Band 38 NF). Innerhalb Reutlingens führte Wilhelms Mißgunst allerdings zu einer neuen Straße: Wilhelm war im Besitz der Domäne Achalm (heute Schafstall und Hotel), die er auch gern besuchte. Der einzige Weg, diese zu erreichen, führte mitten durch Reutlingen, hinaus zum oberen (Alb-)Tor über die Burgstraße. Nach der Revolution war er es leid, immer durch Reutlingen zu müssen. Also ließ er vor der Stadt eine Straße direkt zur Domäne Bauen. Diese gibt es heute noch und heißt treffend "Königsträßle". Und hier haben sich die Reutlinger wohl ein wenig gerächt, denn der Königspfad ist werder ein Weg noch eine Straße, sondern - auch offiziell - eben nur ein "Sträßle" ...

Viele Grüße

Sven Föll

Unknown hat gesagt…

Weist jemand ob Friedrich Bode mehrere Zeichnungen gemacht hat?