Freitag, 15. Mai 2015
Arbeitsplätze in Reutlingen: An Altenburg liegt es nicht...
Auffahrt der B464 auf die B27 im Sommer 2014
... wenn seit mehr als drei Jahrzehnten die Arbeitsplatzsituation in Reutlingen stagniert, eigentlich sogar rückläufig ist. Am vergangenen Mittwoch stimmte der Bezirksgemeinderat von Altenburg, dem letzten Ort auf Reutlinger Gemarkung vor dem Anschluss an die B27, gegen die Erweiterung des Gewerbegebietes Mahden, das die Stadt zusammen mit Kirchentellinsfurt aufgebaut hat. Denn hier entstanden seit 1990 rund 1000 Arbeitsplätze. So heißt es in Insiderkreisen.
Sicherlich haben die wenigsten Altenburger dort ihren Arbeitsplatz, sondern die Mitarbeiter im Gebiet Mahden kommen von überall her, so wie die Altenburger in Reutlingen ihre Beschäftigung haben, aber auch in Stuttgart, Tübingen oder Pliezhausen. Die Menschen in unsere Region sind mobil, die B27 ist schon jetzt jeden Morgen "gut besucht" - und zwar in Richtung Stuttgart, was darauf schließen lässt, wohin die Reise geht.
Wer in seinem Bekanntenkreis herumfragt, wo denn die Freunde und deren Angehörige arbeiten, wird viele, viele Orte genannt bekommen. Manchen Eltern geht es so wie dem Autor dieser
Zeilen, der in Altenburg wohnt: keine der drei erwachsenen Töchter hat einen Arbeitsplatz hier gefunden. Und auch deren Lebensgefährten/Ehemänner arbeiten noch nicht einmal im Kreis Reutlingen.
Die B 27 - eine Straße in die Zukunft?
Rund 60 Jahre permanenten Strukturwandel hat die Stadt Reutlingen hinter sich. Die Textilindustrie war die große Dominante in den 50er Jahren. Doch der weltweite (Lohn-)Wettbewerb sorgte dafür, dass sich die Maschinenbauer mit ihrer Exportindustrie mehr und mehr in den Vordergrund schoben. In den sechziger kam mit Bosch die elektrotechnische Industrie dazu und ist heute der prominenteste Arbeitgeber. Die Lederindustrie, einst ein Aushängeschild der Stadt, ist gänzlich verschwunden.
Nun könnte die Stadt ja sehr, sehr stolz auf sich sein. Die Reutlinger sind fleißig. Es herrscht, legt man die Arbeitslosenstatistik zugrunde, Vollbeschäftigung. Ein Prozent ist nichts. Aber das liegt auch daran, dass mit 48.000 Arbeitsplätzen das Angebot schlichtweg zu niedrig ist. 42 Millionen Arbeitsplätze gibt es in Deutschland für 81 Millionen Menschen, also mehr als die Hälfte. Dieses Verhältnis gab es auch noch vor 30 Jahren in Reutlingen. Da gab es 50.000 Arbeitsplätze für 95.000 Einwohner. Heute zählt Reutlingen 112.000 Bürger. Nur noch 43 Prozent fänden also theoretisch hier an der Echaz einen Arbeitsplatz. Aber! 17.000 mehr Bürger, Reutlingen ist seit 1985 kräftig gewachsen, fast so, als hätte es Pfullingen geschluckt. Unter den Neubürgern müssen also viele, viele Pendler sein.
Damit kommen wir zurück zur B27, dem vierspurigen Ersatz-Highway für die einzige Großstadt in Baden-Württemberg, die keinen Autobahnanschluss hat. Die B27 gibt es seit 30 Jahren, mit B464-Anschluss seit 1990. Die Bundesstraßen haben also dazu geführt, dass immer mehr Menschen zu uns kamen, aber keine Arbeitsplätze. Nur Altenburg - eigentlich ein reines Wohngebiet - war da ein kleines Auffangbecken, das nun vergrößert werden soll. Prinzipiell ein gutes Ansinnen, dem man sich auch nicht widersetzen kann. Das Problem ist nur, dass alles jetzt ganz schnell gehen soll. In einem Top-Down-Ansatz, zu dem Verwaltungen ohnehin gerne neigen. Doch Probleme werden im 21. Jahrhundert Bottom-up gelöst, von unten nach oben und nicht von oben nach unten. Das scheint zwar so manche Entscheidung zu verlangsamen, weil man viel miteinander reden und abstimmen muss. Aber wer 30 Jahre verplempert hat, der kann nicht erwarten, dass die Bezirksgemeinderäte etwas in drei Wochen richten. Das Nein in Altenburg ist in Wirklichkeit ein Angebot zum Mitwirken. Und wenn die anderen "Bezirke", wie unsere Dörfer ja offiziell heißen, ebenfalls zum Nein tendieren, dann könnte daraus eine richtig große Sache werden. Und zwar sehr schnell, sehr gründlich und sehr modern. Natürlich müssen wir mit sehr viel Phantasie darangehen, weil wir Annahmen über die Arbeitsplätze der Zukunft stellen müssen. Roboter sind keine Arbeitsplätze. Sie brauchen auch keine Wohnungen. Menschen brauchen keine fußballfeldergroße Hallen, sie brauchen Büros - vielleicht sogar mit urbanem Schick, wie ihn Reutlingens Innenstadt durchaus bieten könnte.
Anders formuliert: Der Bau von eingeschossigen Werkhallen in den Außenbezirken wie Altenburg schafft nur Arbeitsplätze für Roboter, aber wären die nicht besser aufgehoben in menschenleeren Gegenden als in Wohngebieten? Ist da nicht ganz Reutlingen der falsche Platz, wäre da nicht der Kreis Reutlingen gefordert? Aber Reutlingen soll ja kreisfrei werden. Vielleicht ist dies vor diesem Hintergrund sogar der falsche Ansatz.
Die Arbeitsplätze der Zukunft sind vielleicht doch die Wohngebiete. Jedenfalls für uns Menschen. Eine verstopfte B 27, die auch noch von LKWs zugdröhnt wird, ist für uns Menschen bestimmt keine Straße in die Zukunft. (Raimund Vollmer)
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3 Kommentare:
Autobahn-Zubringer für das Gewerbegebiet wär voll in Ordnung. Dann kann man noch Strassenbahn wieder aufbauen. Kommen auch viele Pendler nach Altenburg. Und kann man noch paar Baugebiete aufmachen wo paar tausend wohnen können oder.
Für das Problem B 27 gibt es nur EINE zukunftsweisende Lösung:
eine direkte(Stadt)bahn!
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