Freitag, 31. Juli 2015
Donnerstag, 30. Juli 2015
Tübinger Vorstadt: Die Schranken der Deutschen Bundesbahn
Bildertanz-Quelle: Ingo Wissendaner
Am Bahnhof Reutlingen-West in der Tübinger Straße Ende der 1960er Jahren. Die Schranken für den Autoverkehr auf der Tübinger Straße sind schon geschlossen, die Schranken für Fußgänger blieben immer ein wenig länger offen. Zwischen dem längst verschwundenen Bahnwärterhäuschen und dem Haus mit dem Erker verläuft heute die vierspurige Konrad-Adenauer-Straße. Damals war es noch die kaum ausgebaute Bloosstraße, die an den Bundesbahnhäusern vorbei Richtung FORD Kimmerle führte.
Am Bahnhof Reutlingen-West in der Tübinger Straße Ende der 1960er Jahren. Die Schranken für den Autoverkehr auf der Tübinger Straße sind schon geschlossen, die Schranken für Fußgänger blieben immer ein wenig länger offen. Zwischen dem längst verschwundenen Bahnwärterhäuschen und dem Haus mit dem Erker verläuft heute die vierspurige Konrad-Adenauer-Straße. Damals war es noch die kaum ausgebaute Bloosstraße, die an den Bundesbahnhäusern vorbei Richtung FORD Kimmerle führte.
Boxlegende Karl Floten: Der lange Weg nach Reutlingen (Teil 1)
Korrektur: Norddeutsch schreibt man natürlich mit 2 "ds". Sorry. Im Original korrigiert.
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer
Mittwoch, 29. Juli 2015
Der Quartierbus: Vorstufe für das Konzept 2025?
Warum wir im Nahverkehr vor einem Jahrhundertwechsel stehen
Bildertanz-Quelle: Sammlung Fritz Haux (1912)
Ein Jahrhundertereignis war 1912 für Reutlingen die Einführung der Straßenbahn. Ein radikaler Systemwechsel erwartet uns in den nächsten zwei Jahrzehnten mit der Einführung der Selbstfahrzeuge. Mit den Quartierbussen könnte deren Zukunft schon heute erprobt werden...
Ein paar Gedanken von Raimund Vollmer
Alle zwanzig Jahre stellt die Stadt Reutlingen ihr
Nahverkehrskonzept um. Meist zeigt sich das darin, dass irgendwelche
Omnibusbahnhöfe umgesetzt werden. Nur einmal hat es einen wirklich radikalen
Einschnitt gegeben, als im Oktober 1974 die allseits beliebte Straßenbahn
eingestellt wurde. Nun sieht man in der Umstellung auf das
"Durchmesser"-Prinzip, bei dem nicht mehr in der Stadtmitte
Endstation ist, das Zukunftskonzept. Und einiges spricht dafür.
Doch wird es ebenfalls wie die Umstellung auf den reinen
Busverkehr 40 Jahre Zukunft haben - oder wenigstens 20 Jahre, wie die
weniger radikale Taktung bislang nach dem Kriege war? Vielleicht wird es noch
nicht einmal zehn Jahr Bestand haben. Denn mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit
wird in der Welt an Konzepten der selbststeuernden Fahrzeuge gearbeitet,
sozusagen an das Auto-Auto. LKWs werden in zwei, drei Jahren bereits über
unsere Auto-Autobahnen kreuzen, die sich ganz von allein und nur mit
Bordmitteln wie Radar und Kamera durch den Verkehr bewegen. Fahren auf
Autopilot ist also in erreichbare Nähe gerückt. Und warum soll bei Tempo 30
dies nicht auch in zehn Jahren möglich sein für den Stadtverkehr? Bis Tempo 10
sieht man wohl schon jetzt gar keine großen Probleme.
Das wäre doch die Gelegenheit, diese neuen Technologie sich
langsam anzueignen als ein Verkehrsmittel des nächsten Jahrzehnts. Ob es dann mobilfunkgesteuert
ist oder mit Bordmitteln arbeitet oder Kombination von beidem ist, sei erst
einmal dahingestellt. Zum Hineinschmecken in dieser Zukunft wäre der
Quartierbus, wie er in Reutlingens Dörfern gewünscht wird, ein geradezu ideales
Mittel. Es geht ja erst einmal um Fragen nach der Akzeptanz eines solchen durch
die Dörfer und Stadtteile gleitenden Verkehrsmittels, das natürlich konventionell
noch besetzt ist mit einem Fahrer. So lässt sich erfahren, welche Wege und
welche Taktungen die richtigen sind, wo Hindernisse beseitigt werden müssen,
welche Strecken zu welchen Tageszeiten besonders genutzt werden. Klar, für
einen Masseneinsatz eignen sich diese Quartierbusse zuerst nicht. Die
Personalkosten sind einfach zu hoch. Wenn jedoch die Selbstfahrtechnologie
soweit ist, dass man durch die 30er-Zonen unserer Städte und Gemeinden diese
Quartierbusse vermehrt einsetzen kann, dann stünde man vor einem echten
Durchbruch - in eine ganz, ganz andere Welt. Es wäre ein Jahrhundertwechsel - noch
bedeutsamer als die Einführung der Straßenbahn im Jahre 1912. Sie war ja
bereits so etwas wie der Vorläufer unserer künftigen Selbstfahrzeuge. Sie
steuerte sich selbst - über die Gleise.
Wenn jetzt namhafte IT-Unternehmer, Nobelpreisträger und
Erfinder davor warnen, Drohnen zur Kriegsführung einzusetzen, dann sollte uns
dies neben dem Engagement für den Frieden, die dahinter steht, auch aufzeigen,
dass wir sehr nahe dran sind, diese neuen Technologien im Alltag zu nutzen.
Was dies für Taxiunternehmer, für den RSV und für uns langfristig
bedeutet, wäre doch eine Diskussion wert. Es wächst eine Jugend heran, die
auffällig oft signalisiert, dass sie an einem eigenen Auto nicht mehr
interessiert ist, sondern sich für Konzepte interessiert, wie sie hier
beschrieben wird. Aber wer interessiert sich schon für unsere Jugend -
angesichts des demografischen Wandels? Gerade der, eine alternde Gesellschaft,
sollte ganz besonders daran interessiert sein.
Vielleicht wird es länger als 2025 dauern, bis es soweit
ist. Aber dann sind wir alle auch zehn Jahre älter...
Dienstag, 28. Juli 2015
Auskreisung: Die Angstträume eines Philosophen und eine Demokratie ohne Freiheit
Eine ziemlich verfahrene Situation
Eine kleine Betrachtung von Raimund Vollmer
Auskreisung - ein Thema, das uns ärgert. Immer wieder der Kommentar: "Als hätten wir nichts Wichtigeres zu tun..." Nun hat der Reutlinger Stadtrat mit 30 von 40 Stimmen entschieden, dass der Antrag auf Auskreisung gestellt wird. Das ist sein gutes Recht. Aber es wäre seine Pflicht gewesen, uns, den Bürgern, zu sagen, welche politische Perspektive er damit verbindet. Das ist nicht geschehen. Und das müsste uns eigentlich ganz schön erschrecken; tut es aber nicht. Darüber müssten wir noch entsetzter sein. Das sind wir aber auch nicht, weil wir politisch komplett abgestumpft sind.
"Manchmal habe ich, wie jeder Mensch, Angstträume, und einer meiner wachen Angstträume ist, dass es eine bürokratische Gesellschaft geben wird, mit einem höchsten Thron, auf dem niemand mehr sitzt", schrieb 1992 der Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer (1990-2002). Das scheint für Stadt und Kreis Reutlingen nicht zu stimmen. Die Oberbürgermeisterin Barbara Bosch und der Landrat Thomas Reumann stehen so eindeutig an der Spitze ihrer Bürokratien, dass die Horrorvorstellung von einem leeren Thron völlig abwegig erscheint. Die beiden führen sogar ein fast schon genial inszeniertes Nah- und Fernduell um die Macht, um die Finanzen, um die Kompetenzen. Es geht um unser Wohl, so heißt es. Dabei müsste es uns eigentlich sehr unwohl werden, wenn wir nicht politisch komplett abgestumpft wären.
Zu jener Zeit, als der Kreis und die Stadt Reutlingen sich zuletzt von Grund auf neu ordneten, bei der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, sorgte sich der Soziologe Ralf Dahrendorf 1929-2009) um eine "Demokratie ohne Freiheit", um eine Welt in der Anpassung alles und eigener Wille nichts ist. "Der Staat, der von selbst läuft, ist in einem gefährlichen Zustand", schrieb er 1972. Die Verfahren, das Prozedere bestimmt alles und gibt es füre alles. Übertragen auf Reutlingen hatte man in den Jahrzehnten seit der Kommunal- und Gebietsreform den Eindruck, dass Stadt und Kreis genau auf diesen gefährlichen Zustand zusteuerten. Alles lief wie geschmiert. Die beiden an der Spitze stritten sich - so die Wahrnehmung von uns Bürgern - allenfalls darum, wer in der Presse die bessere Figur abgab. Uns hätte eigentlich auffallen müssen, dass ihre Entscheidungsräume immer enger wurden. Dass wir als Bürger nur noch den vorherbestimmten und kontrollierten Abläufen der Verwaltung folgen, hätten wir merken müssen, wenn uns genau diese Prozesse nicht politisch komplett abgestumpft hätten.
Das Thema Auskreisung rüttelt nun alles auf. An den Stammtischen in der Stadt und im Kreis wird kräftig, heftig und deftig diskutiert. Es werden Zahlen gewälzt und Fakten gezählt, es wird auf- und abgerechnet, es wird ausgeteilt und umverteilt, es wird dogmatisiert und dramatisiert, es wird komplifiziert und simplifiziert. Es herrscht rasender Stillstand - um Formalien, wie jetzt der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung bewies. Eine inhaltliche Diskussion, um die es ja vor allem gehen müsse, wolle er und der Verwaltungsausschuss nicht, soll unser aller Reumann als Leiter der Sitzung erklärt haben. Ob vor oder nach der Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens, das der Landtag durchzuführen hat, über die Lage im Restlandkreis befunden werden soll, sei der Abstimmungspunkt. Und so wurde entschieden, dass alle Fakten vorher geklärt sein müssen, bevor die von uns gewählten Landtagsabgeordneten sich an die Spitze des Verfahrens stellen dürfen. Eine seltsame Diskussion, über die sich einer der Kreisräte und Bürgermeister so ereifern konnte, dass er offensichtlich türknallend den Saal verließ. Dass wir uns über solches Verhalten kaum aufzuregen vermögen, zeigt, dass wir politisch komplett abgestumpft sind.
Vielleicht hat der Philosoph Hans-Georg Gadamer doch recht, wenn er meint, dass an der Spitze der Bürokratie niemand mehr ist. Es herrscht das Verfahren und nur noch das Verfahren. Das ist dann Demokratie ohne Freiheit.
Bildertanz-Quelle:Tanja Wack (2005)
Eine kleine Betrachtung von Raimund Vollmer
Auskreisung - ein Thema, das uns ärgert. Immer wieder der Kommentar: "Als hätten wir nichts Wichtigeres zu tun..." Nun hat der Reutlinger Stadtrat mit 30 von 40 Stimmen entschieden, dass der Antrag auf Auskreisung gestellt wird. Das ist sein gutes Recht. Aber es wäre seine Pflicht gewesen, uns, den Bürgern, zu sagen, welche politische Perspektive er damit verbindet. Das ist nicht geschehen. Und das müsste uns eigentlich ganz schön erschrecken; tut es aber nicht. Darüber müssten wir noch entsetzter sein. Das sind wir aber auch nicht, weil wir politisch komplett abgestumpft sind.
"Manchmal habe ich, wie jeder Mensch, Angstträume, und einer meiner wachen Angstträume ist, dass es eine bürokratische Gesellschaft geben wird, mit einem höchsten Thron, auf dem niemand mehr sitzt", schrieb 1992 der Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer (1990-2002). Das scheint für Stadt und Kreis Reutlingen nicht zu stimmen. Die Oberbürgermeisterin Barbara Bosch und der Landrat Thomas Reumann stehen so eindeutig an der Spitze ihrer Bürokratien, dass die Horrorvorstellung von einem leeren Thron völlig abwegig erscheint. Die beiden führen sogar ein fast schon genial inszeniertes Nah- und Fernduell um die Macht, um die Finanzen, um die Kompetenzen. Es geht um unser Wohl, so heißt es. Dabei müsste es uns eigentlich sehr unwohl werden, wenn wir nicht politisch komplett abgestumpft wären.
Zu jener Zeit, als der Kreis und die Stadt Reutlingen sich zuletzt von Grund auf neu ordneten, bei der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, sorgte sich der Soziologe Ralf Dahrendorf 1929-2009) um eine "Demokratie ohne Freiheit", um eine Welt in der Anpassung alles und eigener Wille nichts ist. "Der Staat, der von selbst läuft, ist in einem gefährlichen Zustand", schrieb er 1972. Die Verfahren, das Prozedere bestimmt alles und gibt es füre alles. Übertragen auf Reutlingen hatte man in den Jahrzehnten seit der Kommunal- und Gebietsreform den Eindruck, dass Stadt und Kreis genau auf diesen gefährlichen Zustand zusteuerten. Alles lief wie geschmiert. Die beiden an der Spitze stritten sich - so die Wahrnehmung von uns Bürgern - allenfalls darum, wer in der Presse die bessere Figur abgab. Uns hätte eigentlich auffallen müssen, dass ihre Entscheidungsräume immer enger wurden. Dass wir als Bürger nur noch den vorherbestimmten und kontrollierten Abläufen der Verwaltung folgen, hätten wir merken müssen, wenn uns genau diese Prozesse nicht politisch komplett abgestumpft hätten.
Das Thema Auskreisung rüttelt nun alles auf. An den Stammtischen in der Stadt und im Kreis wird kräftig, heftig und deftig diskutiert. Es werden Zahlen gewälzt und Fakten gezählt, es wird auf- und abgerechnet, es wird ausgeteilt und umverteilt, es wird dogmatisiert und dramatisiert, es wird komplifiziert und simplifiziert. Es herrscht rasender Stillstand - um Formalien, wie jetzt der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung bewies. Eine inhaltliche Diskussion, um die es ja vor allem gehen müsse, wolle er und der Verwaltungsausschuss nicht, soll unser aller Reumann als Leiter der Sitzung erklärt haben. Ob vor oder nach der Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens, das der Landtag durchzuführen hat, über die Lage im Restlandkreis befunden werden soll, sei der Abstimmungspunkt. Und so wurde entschieden, dass alle Fakten vorher geklärt sein müssen, bevor die von uns gewählten Landtagsabgeordneten sich an die Spitze des Verfahrens stellen dürfen. Eine seltsame Diskussion, über die sich einer der Kreisräte und Bürgermeister so ereifern konnte, dass er offensichtlich türknallend den Saal verließ. Dass wir uns über solches Verhalten kaum aufzuregen vermögen, zeigt, dass wir politisch komplett abgestumpft sind.
Vielleicht hat der Philosoph Hans-Georg Gadamer doch recht, wenn er meint, dass an der Spitze der Bürokratie niemand mehr ist. Es herrscht das Verfahren und nur noch das Verfahren. Das ist dann Demokratie ohne Freiheit.
Bildertanz-Quelle:Tanja Wack (2005)
Montag, 27. Juli 2015
Um 1900: Der Brunnen, der den Marktplatz ziert...
... ist Kaiser Maximilian II. gewidmet, dem die einstige Reichsstadt Reutlingen viele ihrer Rechte zu verdanken hat. Schon im 13. Jahrhundert wird dieser Marktbrunnen erwähnt. Auf dem Weg zu seiner heutigen Gestalt begab er sich aber erst nach 1570, als ihn Leonhard Baumhauer im Renaissance-Stil gestaltete. Glimpflich davon kam der Brunnen, dessen Ballustrade als Tränke für die Tiere niedrig angelegt war, beim großen Stadtbrand von 1726. 1837 wurde er wiederhergestellt, um dann 1901 um einige Meter nach links versetzt zu werden. Der Brunnenrand wurde höher gelegt - und ansonsten hatte nun die Straßenbahn, die zwischen 1912 und 1974 an ihm vorbeirauschte und -qietschte, freie Fahrt an dem stolzen Standbild vorbei.
Bildertanz-Quelle: Stadtarchiv Reutlingen / Sammlung Bert Wagner/ Raimund Vollmer
Bildertanz-Quelle: Stadtarchiv Reutlingen / Sammlung Bert Wagner/ Raimund Vollmer
Sonntag, 26. Juli 2015
Bevor der Kaufhof noch nicht Horten war und Merkur hieß...
Hier sehen wir das Personal
GANZ IN WEISS
Kehraus im Kaufhaus? In den 50er Jahren ahnte niemand,
welch wechselvolle Geschichte dieses Kaufhaus haben würde. Die kanadische Hudson Bay Company über nimmt für 2,8 Milliarden Euro bis September 2015 von der Metro-Gruppe die Kaufhof-Kette. Die Metro hatte 1996 den Kaufhof in den Konzern integriert, nachdem der Kaufhof in den 90er Jahren die Düsseldorfer Horten AG zuerst stückweise und dann bis 1994 komplett übernommen hatte.
Bildertanz-Quelle: Sammlung Werner Krönke
Donnerstag, 23. Juli 2015
Mittwoch, 22. Juli 2015
1915: Sonnenhut tut gut
In unserer Ausstellung 2012 hieß dieses jetzt 100 Jahre alte Foto "Hütet Euch"! Sie sahen schon etwas bedrohlich aus. Es zeigt "Tante Sofie" mit ihren Nichten. Ausgestellt war dieses Foto in der Kanzleistraße bei "Stilkonzepte". Der Zufall wollte es, dass an wir in diesem Geschäft dieses Vergleichsfoto machen konnten.
Bildertanz-Quelle:Elmar Heymann (oben), Raimund Vollmer (unten)
Bildertanz-Quelle:Elmar Heymann (oben), Raimund Vollmer (unten)
Dienstag, 21. Juli 2015
Vor 500 Jahren: Asyl für ehrliche Totschläger in Reutlingen
STADTLUFT MACHT FREI
Es war ein kaiserliches Privileg, das Reutlingen eine große Verantwortung auflud: Sogenannte "ehrliche" Totschläger konnten bis 1803 zwischen den Mauern der Reichsstadt Reutlingen um Asyl bitten. Und sie bekamen es auch, wenn sie glaubhaft machen konnten, dass sie niemanden in böser Absicht ermordet hatten, sondern in Notwehr oder im Affekt getötet hatten. Sie erhielten dann ein lebenslanges Bleiberecht, sie durften nicht ausgeliefert werden. Mehr noch: die Stadt vertrat die Interessen der Asylbewerber vor Gericht. 1495 war dieses Recht erstmals der Stadt gewährt worden, 1510 war es allerdings widerrufen worden, bevor es dann endgültig 1515 sanktioniert wurde. Die Historie dieses Privilegs hat Ralf Beck 1970 in den Reutlinger Geschichstblättern veröffentlicht. Von überall her kamen die Flüchtlinge, aufgenommen werden durften aber nur Totschläger, die nicht zum Gebiet der Reichsstadt gehörten. Beck berichtet, dass es in diesen Jahrhunderten nur Protestanten waren, die aufgenommen wurden. Es waren weder Juden noch Katholiken unter den Menschen, die Asyl erhielten.
Bildertanz-Quelle:RV Collage
Es war ein kaiserliches Privileg, das Reutlingen eine große Verantwortung auflud: Sogenannte "ehrliche" Totschläger konnten bis 1803 zwischen den Mauern der Reichsstadt Reutlingen um Asyl bitten. Und sie bekamen es auch, wenn sie glaubhaft machen konnten, dass sie niemanden in böser Absicht ermordet hatten, sondern in Notwehr oder im Affekt getötet hatten. Sie erhielten dann ein lebenslanges Bleiberecht, sie durften nicht ausgeliefert werden. Mehr noch: die Stadt vertrat die Interessen der Asylbewerber vor Gericht. 1495 war dieses Recht erstmals der Stadt gewährt worden, 1510 war es allerdings widerrufen worden, bevor es dann endgültig 1515 sanktioniert wurde. Die Historie dieses Privilegs hat Ralf Beck 1970 in den Reutlinger Geschichstblättern veröffentlicht. Von überall her kamen die Flüchtlinge, aufgenommen werden durften aber nur Totschläger, die nicht zum Gebiet der Reichsstadt gehörten. Beck berichtet, dass es in diesen Jahrhunderten nur Protestanten waren, die aufgenommen wurden. Es waren weder Juden noch Katholiken unter den Menschen, die Asyl erhielten.
Bildertanz-Quelle:RV Collage
Montag, 20. Juli 2015
Bildertanz-Klassiker (2): Vor dem Tübinger Tor
Sommer-Serie 2015: ZEIT, DIE BLEIBT
In den 50er, 60er Jahren - Wer kann es zeitlich eingrenzen?
Bildertanz-Quelle: Richard Wagner
In den 50er, 60er Jahren - Wer kann es zeitlich eingrenzen?
Bildertanz-Quelle: Richard Wagner
Sonntag, 19. Juli 2015
Bildertanz-Klassiker (1): Endstation Karlsplatz
Sommer-Serie 2015: ZEIT, DIE BLEIBT
Bildertanz-Quelle: Ruth Haussmann
Unser lieber Freund BeMa schriebt dazu:
Eine schöne und seltene Ansicht!
Bis März 1955 wurde die Schleife Bahnhofstraße - Listplatz - Karlstraße von der Pfullinger Linie befahren.
Im Bild sind jedoch Wagen der Altenburger Linie zu sehen. Zum Rangieren der beiden Züge hat vermutlich der zuerst angekommene Zug umgesetzt und den BW dann etwas Richtung Listplatz gedrückt und wieder abgekuppelt, damit der zweite Zug mit dem vierfenstrigen TW 55 an diesen BW ankuppeln kann. Anschließend fährt der im Bild zuhinterst stehende TW über die Weiche Richtung Karlsplatz, setzte dann zurück und kuppelt an den mit Tw 55 ankommenen BW an, der inzwischen vom TW 55 abgekuppelt wurde. Dadurch stehen anschließend die beiden Züge wieder zur Rückfahrt nach Altenburg bereit.
Solche Rangiermanöver waren üblich und aus Platzgründen (kurze Ausweichestelle) auch nicht zu umgehen.
Danke!!!!
Nächstes Bild
Samstag, 18. Juli 2015
Gartenstraße: Auf "historischem Boden" (Teil II)
»Zug um Zug wird rhythmisch diese Gartenstraße in Richtung Altstadt unterbrochen von Querstraßen, die lieber über die schmale und oft verwinkelte Mauerstraße hinwegführen, die wiederum nicht weniger als 17 Mal durch Sträßchen aufgelockert wird. Diese durch ihre Bezeichnung an die alte Stadtmauer erinnernde Straße, in der die Zeit den Atem anzuhalten scheint, führte entlang der Unmmauerung der Stadt, die durch Kaiser Friedrich II. 1216 mit Gräbern und Mauern umfangen wurde. Vergangenheit und Gegegnwart gehen hier fast nahtlos ineinander über, die Kleinräumigkeit und Enge der meist niederen Behausungen geben ein deutliches Bild von dem Leben und Treiben der Reutlinger iin vergangenen Jahrhunderten.«
Aus "Schönes, lebendiges Reutlingen", 1957, Herausgeber Eugen Lachnmann, Text: Erich Graf, Seite 26/27
Bildertanz-Quelle: Charlotte Hartstein-Weidlich
Freitag, 17. Juli 2015
Gartenstraße: Auf "historischem Boden" (Teil I)
»Wer sich vom Karlsplatz aus ein Raumbild von der äußeren Ausdehnung der alten Stadt machen will, der gehe die senkrecht auf den Karlsplatz einmündende Gartenstraße entlang, vorbei an schönen, zum großen Teil nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten Privathäusern. Er befindet sich auf 'historischen Boden'. denn diese Straße ruht gleichsam auf dem aufgefüllten einstigen Teil des Befestigungsgrabgens. Und plötzlich wird er überrascht von einem in sich geschlossenen, malerisch wirkendem Bild, das ihm eine Ahnung von Altreutlingen vermittelt. Er sieht zur rechten Hand das Gartentor. Es ist in seiner Bauform gedrängt-wuchtig und zeugt von dem Wehrwillen der nur 4000 Einwohner zählenden Stadtbevölkerung, die es im Jahr 1392 als neues Tor (nuwe Tor) erbaute, Bei diesem Tor war einst das sogenannte Kutzin-Bad (Schwefelbad 1489), das hauptsächlich für das Landvolk bestimmt war. Der hinter dem Tor plätschernde Gartentorbrunnen, im 17. Jahrhundert erbaut, wurde im Jahre 1930 erneuert. Er ist einer der wenigen noch erhaltenen Brunnen der einst brunnenreichen Stadt. Ein kurzer Durchblick durch das Tor genügt, um ahnen zu lassen, daß hier die Querachse der Altstadt mitten auf den Marktplatz führt.«
Aus "Schönes, lebendiges Reutlingen", 1957, Herausgeber Eugen Lachnmann, Text: Erich Graf, Seite 25/26
Bildertanz-Quelle: Charlotte Hartstein-Weidlich
Donnerstag, 16. Juli 2015
Wittumhalle & Auskreisung: Ein schwäbischer Abend mit Herrn Reumann
Der Faustsche Pakt gegen die Zukunft
Betrachtungen von Raimund Vollmer
Fast schon genüsslich nannte der Landrat die Stadt Reutlingen immer wieder die "kleine Großstadt". Er sah sich in seinem Element. Mal süffisant, mal arrogant, mal jovial, mal distanziert, mal ganz nah, mal abgehoben, mal verschroben - das ganze Repertoire einer Rhetorik, die mehr gelernt als gelebt wirkt, die bestimmt im 20. Jahrhundert "cool" gewirkt hat, aber heute ziemlich gestelzt daherkommt, brachte er auf, um die zu überzeugen, die ohnehin schon überzeugt waren: die Bürgermeister und Würdenträger des Landkreises, die sich gestern abend aufgemacht hatten, um Thomas Reumann, den Landrat, in der Rommelsbacher Wittumhalle die Ehre zu erweisen. Es ging um die Auskreisung der Stadt Reutlingen.
Einspruch, Euer Ehren. Darum ging es nicht. Es ging um Finanzen und Kompetenzen. Es ging um Macht, auch wenn der Landrat dies energisch abstritt. Es ging - um Ralf Dahrendorf zu zitieren - um die "Arbeitsteilung der Herrschaft". Darin unterschied sich die "Info-Versammlung" in keiner Weise von ihrem rhetorischen Gegenstück, also der Bürgerversammlung, zu der Oberbürgermeisterin Barbara Bosch am 9. Juli in die Stadthalle eingeladen hatte. Kamen dahin 400 "Einwohner", so waren es gestern etwa 250 Gäste aus dem Landkreis.
Der Landrat war nicht schlecht, er fand sich selbst bestimmt ganz toll, seine Leute werden ihn bewundert haben, aber sein "Faktencheck" und seine juristischen Erkenntnisse hatten etwas altmodisches an sich. "Es geht um mehr" als nur Verwaltungsstrukturen, hatte er eingangs gesagt. Und man war gespannt. Endlich einer, der den Stier bei den Hörnern anpackt, denkt man. Endlich einer, der verstanden hat, dass es nicht um das Hier und Jetzt statistischer und buchhalterischer Erkenntnisse und Ergebnisse geht, sondern um unsere Zukunft, nicht nur um die Zukunft des Landkreises oder eines zukünftigen Stadtkreises, sondern um die Zukunft der Bürger, die hier leben und für die all diese Institutionen von Stadt und Kreis da sind.
Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass man in der alten Bundesrepublik mit der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform begann, deren Ergebnis unter anderem der Landkreis Reutlingen ist. Alles sollte einfacher, wirtschaftlicher werden. Der Beweis, umfassend und fundiert, wurde nie angetreten. Lag es vielleicht daran, dass bislang die mit wissenschaftlicher Kompetenz vorhergesagte Zukunft stets der Wirklichkeit hinterherhinkte, so muss man davon ausgehen, dass im 21. Jahrhundert die Zukunft ihren eigenen Prognosen davoneilt. Und das Gefühl, dass weder die Verwaltung, noch die Bürger darauf vorbereitet sind, stellte sich nicht nur bei der gestrigen "Info-Versammlung", sondern auch bei der Bürgerversammlung ein. Man wird den Eindruck nicht los: Es herrscht Zukunftsstarre im Schwabenland. Die Verwaltung und die Räte in Stadt und Kreis loben sich selbst für das, was sie können, nämlich rechnen und rechten, steuern und regeln. Doch sie verdecken damit nur das, was sie nicht können: Vorstellungskraft zu entwickeln, der wichtigsten Ressource, nämlich der Phantasie inen Platz geben, gestalterische Kompetenzen zu entfalten, innovativ zu sein. Kein Wort darüber gestern.
Kein Wort darüber vor einer Woche. Das 21. Jahrhundert hat in Reutlingen noch nicht stattgefunden, weder im Kreis, noch in der Stadt.
Es ist das Verdienst von Frau Bosch, dass sie mit den argumentativen Vorbereitungen für eine Auskreisung uns unabsichtlich aufzeigt, wie sehr wir dazu neigen, im Augenblick, "verweile doch, du bist so schön" (Faust 1), zu verharren. Wir sind neugierig auf das, was ist, aber nicht auf das, was kommt. Wir schwelgen in Zahlen, die schon in dem Augenblick Geschichte sind, in dem sie veröffentlicht werden. Den Faustschen Pakt, demzufolge die Seele zum Teufel ist, in dem Dr. Faust seinen Wissensdurst gestillt sieht und im Hier & Jetzt bleiben möchte, haben wir längst verloren.
Gestern im Faktencheck des Herrn Reumann ging es darum, wessen Zahlen überhaupt stimmen. Am schlimmsten aber: die Gutachter, die man einschaltet, sind keine Denker, sondern auch nur Rechner. Und so wird sich das fortsetzen, bis am Ende der Landtag darüber entscheidet, was sich besser rechnet, nicht das was besser ist und wird Hineingeworfen werden noch ein paar Begriffe wie Wohl oder Gemeinwohl, die so hohl klingen wie sie sind. Aber am liebsten möchten alle, dass die Gegenwart die Zukunft ist, allenfalls verwaltungstechnisch gespalten zwischen Stadtkreis und Landkreis. Die Achalm kreißte, und ein Maus ward geboren.
Das kann es absolut nicht gewesen sein.
Reumann meint, dass das, war 40 Jahre gut war, auch die nächsten 40 Jahre wirksam ist. Hält das dem Zukunfts-Check stand? Was ist, wenn in zwanzig Jahren die "Generation Golf" in die prognostizierte Altersarmut übergeht? Kein Wort, der den demografischen Wandel skizziert. Weder bei Frau Bosch, noch bei Herrn Reumann.
Was ist, wenn in den nächsten zwanzig Jahren die "Generation User" die Positionen in Staat und Wirtschaft übernimmt? Sie hat Interesse an Mobilität, nicht an Autos, sie hat Interesse am Wohnen, nicht am Eigentum. Sie kombiniert ihr Leben nicht mehr nach Herkunft, sondern nach Zukunft. Kein Wort über uns, die Menschen, vor allem die jungen. Weder bei Frau Bosch, noch bei Herrn Reumann.
Was ist, wenn im Rahmen der Digitalisierung, die Produktivitätsgewinne allein aus den Maschinen kommen, wenn die gesamte Arbeitswelt sich in den nächsten zwanzig Jahren komplett verändert? Was ist, wenn die Verstädterung und die Reorganisation der gesamten Infrastrukturen uns vor völlig neue Herausforderungen stellen? Kein Wort darüber.
Was ist, wenn Landkreis und Stadt in den nächsten zwei Jahrzehnten immer mehr zum Schmelztiegel der Völker werden? Kein Wort darüber.
Es sind diese und viele andere Themen, die die wirklich Sinnfrage nach der Auskreisung stellen. Herr Reumann hätte doch Frau Bosch in aller Öffentlichkeit fragen können, ob sie glaubt, dass die Stadt Reutlingen solche Herausforderungen allein bewältigen kann. Kein Wort darüber.
Frau Bosch hätte antworten müssen - und dann hätte endlich die Diskussion begonnen, die uns aus der Zukunftsstarre befreit und den Faustschen Pakt auflöst.
Stattdessen genoss Herr Reumann den Augenblick und zelebrierte seine Eloquenz.
Bildertanz-Quelle (Fotos und Text): RV
Unseren Kommentar zur Bürgerversammlung finden Sie hier
STADTHALLE UND AUSKREISUNG: EIN SCHWÄBISCHER ABEND MIT FRAU BOSCH
Betrachtungen von Raimund Vollmer
Fast schon genüsslich nannte der Landrat die Stadt Reutlingen immer wieder die "kleine Großstadt". Er sah sich in seinem Element. Mal süffisant, mal arrogant, mal jovial, mal distanziert, mal ganz nah, mal abgehoben, mal verschroben - das ganze Repertoire einer Rhetorik, die mehr gelernt als gelebt wirkt, die bestimmt im 20. Jahrhundert "cool" gewirkt hat, aber heute ziemlich gestelzt daherkommt, brachte er auf, um die zu überzeugen, die ohnehin schon überzeugt waren: die Bürgermeister und Würdenträger des Landkreises, die sich gestern abend aufgemacht hatten, um Thomas Reumann, den Landrat, in der Rommelsbacher Wittumhalle die Ehre zu erweisen. Es ging um die Auskreisung der Stadt Reutlingen.
Einspruch, Euer Ehren. Darum ging es nicht. Es ging um Finanzen und Kompetenzen. Es ging um Macht, auch wenn der Landrat dies energisch abstritt. Es ging - um Ralf Dahrendorf zu zitieren - um die "Arbeitsteilung der Herrschaft". Darin unterschied sich die "Info-Versammlung" in keiner Weise von ihrem rhetorischen Gegenstück, also der Bürgerversammlung, zu der Oberbürgermeisterin Barbara Bosch am 9. Juli in die Stadthalle eingeladen hatte. Kamen dahin 400 "Einwohner", so waren es gestern etwa 250 Gäste aus dem Landkreis.
Der Landrat war nicht schlecht, er fand sich selbst bestimmt ganz toll, seine Leute werden ihn bewundert haben, aber sein "Faktencheck" und seine juristischen Erkenntnisse hatten etwas altmodisches an sich. "Es geht um mehr" als nur Verwaltungsstrukturen, hatte er eingangs gesagt. Und man war gespannt. Endlich einer, der den Stier bei den Hörnern anpackt, denkt man. Endlich einer, der verstanden hat, dass es nicht um das Hier und Jetzt statistischer und buchhalterischer Erkenntnisse und Ergebnisse geht, sondern um unsere Zukunft, nicht nur um die Zukunft des Landkreises oder eines zukünftigen Stadtkreises, sondern um die Zukunft der Bürger, die hier leben und für die all diese Institutionen von Stadt und Kreis da sind.
Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass man in der alten Bundesrepublik mit der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform begann, deren Ergebnis unter anderem der Landkreis Reutlingen ist. Alles sollte einfacher, wirtschaftlicher werden. Der Beweis, umfassend und fundiert, wurde nie angetreten. Lag es vielleicht daran, dass bislang die mit wissenschaftlicher Kompetenz vorhergesagte Zukunft stets der Wirklichkeit hinterherhinkte, so muss man davon ausgehen, dass im 21. Jahrhundert die Zukunft ihren eigenen Prognosen davoneilt. Und das Gefühl, dass weder die Verwaltung, noch die Bürger darauf vorbereitet sind, stellte sich nicht nur bei der gestrigen "Info-Versammlung", sondern auch bei der Bürgerversammlung ein. Man wird den Eindruck nicht los: Es herrscht Zukunftsstarre im Schwabenland. Die Verwaltung und die Räte in Stadt und Kreis loben sich selbst für das, was sie können, nämlich rechnen und rechten, steuern und regeln. Doch sie verdecken damit nur das, was sie nicht können: Vorstellungskraft zu entwickeln, der wichtigsten Ressource, nämlich der Phantasie inen Platz geben, gestalterische Kompetenzen zu entfalten, innovativ zu sein. Kein Wort darüber gestern.
Kein Wort darüber vor einer Woche. Das 21. Jahrhundert hat in Reutlingen noch nicht stattgefunden, weder im Kreis, noch in der Stadt.
Es ist das Verdienst von Frau Bosch, dass sie mit den argumentativen Vorbereitungen für eine Auskreisung uns unabsichtlich aufzeigt, wie sehr wir dazu neigen, im Augenblick, "verweile doch, du bist so schön" (Faust 1), zu verharren. Wir sind neugierig auf das, was ist, aber nicht auf das, was kommt. Wir schwelgen in Zahlen, die schon in dem Augenblick Geschichte sind, in dem sie veröffentlicht werden. Den Faustschen Pakt, demzufolge die Seele zum Teufel ist, in dem Dr. Faust seinen Wissensdurst gestillt sieht und im Hier & Jetzt bleiben möchte, haben wir längst verloren.
Gestern im Faktencheck des Herrn Reumann ging es darum, wessen Zahlen überhaupt stimmen. Am schlimmsten aber: die Gutachter, die man einschaltet, sind keine Denker, sondern auch nur Rechner. Und so wird sich das fortsetzen, bis am Ende der Landtag darüber entscheidet, was sich besser rechnet, nicht das was besser ist und wird Hineingeworfen werden noch ein paar Begriffe wie Wohl oder Gemeinwohl, die so hohl klingen wie sie sind. Aber am liebsten möchten alle, dass die Gegenwart die Zukunft ist, allenfalls verwaltungstechnisch gespalten zwischen Stadtkreis und Landkreis. Die Achalm kreißte, und ein Maus ward geboren.
Das kann es absolut nicht gewesen sein.
Reumann meint, dass das, war 40 Jahre gut war, auch die nächsten 40 Jahre wirksam ist. Hält das dem Zukunfts-Check stand? Was ist, wenn in zwanzig Jahren die "Generation Golf" in die prognostizierte Altersarmut übergeht? Kein Wort, der den demografischen Wandel skizziert. Weder bei Frau Bosch, noch bei Herrn Reumann.
Was ist, wenn in den nächsten zwanzig Jahren die "Generation User" die Positionen in Staat und Wirtschaft übernimmt? Sie hat Interesse an Mobilität, nicht an Autos, sie hat Interesse am Wohnen, nicht am Eigentum. Sie kombiniert ihr Leben nicht mehr nach Herkunft, sondern nach Zukunft. Kein Wort über uns, die Menschen, vor allem die jungen. Weder bei Frau Bosch, noch bei Herrn Reumann.
Was ist, wenn im Rahmen der Digitalisierung, die Produktivitätsgewinne allein aus den Maschinen kommen, wenn die gesamte Arbeitswelt sich in den nächsten zwanzig Jahren komplett verändert? Was ist, wenn die Verstädterung und die Reorganisation der gesamten Infrastrukturen uns vor völlig neue Herausforderungen stellen? Kein Wort darüber.
Was ist, wenn Landkreis und Stadt in den nächsten zwei Jahrzehnten immer mehr zum Schmelztiegel der Völker werden? Kein Wort darüber.
Es sind diese und viele andere Themen, die die wirklich Sinnfrage nach der Auskreisung stellen. Herr Reumann hätte doch Frau Bosch in aller Öffentlichkeit fragen können, ob sie glaubt, dass die Stadt Reutlingen solche Herausforderungen allein bewältigen kann. Kein Wort darüber.
Frau Bosch hätte antworten müssen - und dann hätte endlich die Diskussion begonnen, die uns aus der Zukunftsstarre befreit und den Faustschen Pakt auflöst.
Stattdessen genoss Herr Reumann den Augenblick und zelebrierte seine Eloquenz.
Bildertanz-Quelle (Fotos und Text): RV
Unseren Kommentar zur Bürgerversammlung finden Sie hier
STADTHALLE UND AUSKREISUNG: EIN SCHWÄBISCHER ABEND MIT FRAU BOSCH
Mittwoch, 15. Juli 2015
1992: Wolf-Rüdigers Sicht auf die Reutlinger Stadtbahn (2) - Fast wie das Konzept 2015
Ja, für Wolf-Rüdiger Gassmann gab es zwar schon 1992 den ZOB am Bruderhausgelände, wie er dann für 34 Millionen Mark errichtet wurde, aber beim Nachdenken über die neue Stadtbahn als Nachfolgerin der Straßenbahn, hatte er bereits das im Kopf, was gestern in Rommelsbach den Bezirksgemeinderäten des Nordraums und des Südraums (Bronnweiler) vorgestellt wurde: das Durchmesser-Prinzip.Die Stadtbahn umkreist die Innenstadt, um dann Richtung Pfullingen und Eningen, Betzingen und Markwasen, Altenburg und Mittelstadt abzubiegen. Nicht mehr das Rendetvout-Prinzip, wie es jetzt am Neuen ZOB praktiziert wird, soll künftig die Stadtbuslinien zusammenbringen, sondern eben dieses "Durchmesser"-Prinzip. Es besagt, dass die Busse gleichsam kreuz und quer durch ganz Reutlingen und Umgebung fahren, aber so getaktet sind, dass sie einander immer wieder an den Haltestellen der Gartenstraße berühren. Für Städte, die größer als 80.000 Einwohner sind, empfiehlt sich dieses Durchmesser-Prinzip, das in der nächsten Zeit uns noch sehr viel näher gebracht wird. Ähnliches hatte auch Wolf-Rüdiger Gassmann, unser Straßenbahn-Experte, vorgeschlagen. Die Gartenstraße war auch für ihn ein wichtiger Durchgangsbahnhof. Allerdings galt sein Konzept für die von ihm heißgeliebten Schienenfahrzeuge, die man früher Straßenbahn nannte. Im kleinen, vertrauten Kreis meinte gestern abend ein Stadtrat: "Ach, wäre doch die Straßenbahn nie eingestellt worden. Dann hätten wir heute bereits alles, was wir brauchen." Seltsamerweise war Reutlingen in den 90er Jahren bereits eine Stadt, die die 100.000er Marke gerissen hatte. Da fragt man sich, warum man dann doch ein Konzept realisiert hat, das gar nicht geeignet war, um den Personennahverkehr effizient und effektiv zu regeln. 34 Millionen Mark hat das - wie gesagt - gekostet. Da ist die Umstellung auf das neue Konzept geradezu spottbillig: drei Millionen Euro soll das kosten. Allerdings steigt auch der jährliche Zusschuss von 700.000 auf 3.230.000 Euro. Zwölf Millionen Fahrgäste zählt der RSV in seinen Bussen, acht bis zehn Millionen Fahrgäste hatte auch die Straßenbahn mit ihren vier Linien. Wahrscheinlich wird doch nur das Auto dem Auto Konkurrenz machen können. Alle 20 bis 25 Jahre hat die Stadt Reutlingen ihr Konzept umgestellt, so fundamental wie jetzt aber war es zuletzt 1974, meint Stefan Dvorak, Leiter des Amts für Stadtentwicklung. Es sei ein Systemwechsel. Es kann durchaus sein, dass das neue Konzept bereits in 20 Jahren als veraltet gilt, wenn selbstfahrende Taxis durch Reutlingen brausen, jederzeit an jedem Ort abrufbar. Die Frage ist dann nur: Stellt der RSV diese Fahrzeuge oder sind es Privatleute? Auf jeden Fall wäre es für eine richtige, kreisfreie Großstadt sehr, sehr sinnvoll, wenn sie sich schon heute mit den Möglichkeiten, die sich doch ziemlich deutlich abzeichnen, auseinandersetzt. Sonst kommt der Amerikaner Uber und erklärt nicht die Taxis zu einem A...(Raimund Vollmer)
Bildertanz-Quelle: Wolf-Rüdiger Gassmann (Karte mit Markierungen)
Bildertanz-Quelle: Wolf-Rüdiger Gassmann (Karte mit Markierungen)
Dienstag, 14. Juli 2015
1992: Wolf-Rüdigers Sicht auf die Reutlinger Stadtbahn (1)
Vor bald einem Vierteljahrhundert machte sich der Reutlinger Straßenbahnhistoriker Wolf-Rüdiger Gassmann ans Kartenwerk und zeichnete in einer Stadtkarte seine Vorstellung von einer Stadtbahn der Zukunft auf. Nicht nur wurden im Nordraum Reutlingens Altenburg, Oferdingen, Rommelsbach und Orschel-Hagen wie zu Zeiten der Straßenbahn-Linie 3 angefahren, es wird auch Sickenhausen einigermaßen fußläufig gestreift. Wichtig jedoch ist, dass Sondelfingen umschlungen wird von einer neuen Linie, ebenso Reicheneck und Mittelstadt. Es geht sogar hinaus bis in die Römerschanze und weiter bis Betzingen. Er hat bereits an Park & Ride gedacht. Selbstverständlich sind das nur Pläne, die ohne die Stadtverwaltung gemacht wurden. Deswegen sind wir umso mehr gespannt, mit welchem Konzept der RSV den (zukünftigen?) Stadtkreis Reutlingen und dessen Nachbarn erschließen will.
Bildertanz-Quelle:Wolf-Rüdiger Gassmann
Bildertanz-Quelle:Wolf-Rüdiger Gassmann
Die Marienkirche: Aspekte eines Gotteshauses
In neun Jahren ist die Marienkirche seit einem halben Jahrtausend evangelisch
Exakt 73 Meter hoch ist der Turm der Marienkirche
Erbaut wurde sie zwischen 1247 und 1343. Unvorstellbar, dass Menschen solch ein Projekt anfingen, dessen Gelingen sie selbst nicht mehr erleben würden. Wer denkt heute schon an Projekte, die über die eigene Lebenszeit hinausgehen?
Vor 100 Jahren blickt man vom heutigen Heimatmuseum aus so auf die Marienkirche
Kirche und Hausberg
Der rückwärtige Teil der Marienkirche ist offensichtlich noch so wie vor 800 Jahren. Autos und Parkplätze waren damals allerdings nicht erwünscht. Es herrschte striktes Parkverbot. Die Aufnahme ist 60er Jahre?
Die Kirche war beim Stadtbrand von 1726 stark beschädigt worden. Doch sofort begann man damals mit der Wiederherstellung. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr die Marienkirche so etwas wie eine Generalüberholung.
Bildertanz-Quelle:Sammlung Fritz Haux, Raimund Vollmer, Tanja Wack, Sammlung Bert Wagner, Stadtarchiv
Exakt 73 Meter hoch ist der Turm der Marienkirche
Erbaut wurde sie zwischen 1247 und 1343. Unvorstellbar, dass Menschen solch ein Projekt anfingen, dessen Gelingen sie selbst nicht mehr erleben würden. Wer denkt heute schon an Projekte, die über die eigene Lebenszeit hinausgehen?
Vor 100 Jahren blickt man vom heutigen Heimatmuseum aus so auf die Marienkirche
Kirche und Hausberg
Der rückwärtige Teil der Marienkirche ist offensichtlich noch so wie vor 800 Jahren. Autos und Parkplätze waren damals allerdings nicht erwünscht. Es herrschte striktes Parkverbot. Die Aufnahme ist 60er Jahre?
Die Kirche war beim Stadtbrand von 1726 stark beschädigt worden. Doch sofort begann man damals mit der Wiederherstellung. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr die Marienkirche so etwas wie eine Generalüberholung.
Bildertanz-Quelle:Sammlung Fritz Haux, Raimund Vollmer, Tanja Wack, Sammlung Bert Wagner, Stadtarchiv
Montag, 13. Juli 2015
Karl Keim 1975: "Die Gartenstraße war der Promenadenweg der Reutlinger" (Heute prominieren wie zwischen gestern und heute)
Schnurgerade Gartenstraße: Nächstes Jahr ist es 200 Jahrhunderte her, dass Reutlingen den Abriss ihrer Befestigungsanlagen startete. Das Ergebnis ist die Gartenstraße. 2020 wird sie 200 Jahre alt.
Das lässt tief blicken
Die Promenade an der Ecke Karlstraße, rechts geht die Gartenstraße hinein
Viele, viele Mädels
Einmal mit Büschelesebahn (1899-1912)
Und einmal (aber nicht für immer?) ohne Schienenstrang
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer (aktuell), Stadtarchivien (historisch
"Die Gartenstraße verläuft an der Ostflanke der Reutlinger Altstadt in Nord-West-Richtung auf dem seit 1822 zugeschütteten Graben, Die Östlich des Grabens gelegene Seite war schon seit dem 18. Jahrhundert teilweise bebaut. Die große Stadterweiterung des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich in dem Raster der Oststadtstraßen zu erkennen gibt, ging von dieser Maßnahme aus. Die neue Straße war dazu bestimmt, die Innenstadt vom Durchgangsverkehr zu entlasten und den wohlhabenden Baulustigen unter den Bürgern erschlossenes Baugelände für ein reines Wohngebiet zu schaffen. Solche Straßenanlagen entstanden zu dieser Zeit überall auf den zugeschütteten Gräben der Befestogungsanlagen alter Städte."Thomas Braun, Die Befestigungen der Gartenstraße, Geschichtsblätter 1997
Das lässt tief blicken
Die Promenade an der Ecke Karlstraße, rechts geht die Gartenstraße hinein
Viele, viele Mädels
Einmal mit Büschelesebahn (1899-1912)
Und einmal (aber nicht für immer?) ohne Schienenstrang
"Am 26. April 1816 verhandelte Friedrich List als württembergischer Staatskommissar mit den neuen staatlichen und den alten städtischen Baubehörden über die Niederlegung des mittelalterlichen Befestigungswerkes. Er begründte die Schleifung mit der Zwecklosigkeit der Bauten, mit der kostspieligem Unterhalt und der feuergefährlichen Bedeckung der Mauer und dem darunter gelagerten Baumaterial.(...)Karl Keim, Alt-Reutlingen, 1975
Nach den um 1820 gefertigten Plänen des Bauinspektors Rupp entstand die Gartenstraße, mit damaligen Maßstäben gerechnet eine beachtliche Leistung. Hatte man am Ledergraben nur abgebrochen und ärmliche Häuser der Innenstadt zum Vorschein gebracht, so setzte man hier eine ganz neue Straße schnurgerade ab von der Stadtmauer. Die erste namhafte Vergrößerung der Siedlung Reutlingen seit vielen Jahrhunderten erfüllte die Zeitgenossen mit Stolz. Eine organische Verbindung mit der streckenweise ovalen Altstadt wurde nicht angestrebt; der Anschluss an den Fernverkehr der Gegenwart und der Zukunft wurde nicht in Betracht gezogen."
Bildertanz-Quelle:Raimund Vollmer (aktuell), Stadtarchivien (historisch
Sonntag, 12. Juli 2015
Dimitris Spaziergang durch das Mittelalter in Reutlingen
Das ließ sich natürlich unser Dimitri nicht nehmen: Er war gestern unterwegs und hat den Millelalter-Markt im Volkspark nach Herzenslust fotografiert. Dies ist der erste Teil.
MEHR BILDER HIER
Samstag, 11. Juli 2015
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