Mittwoch, 29. Juli 2015

Der Quartierbus: Vorstufe für das Konzept 2025?

Warum wir im Nahverkehr vor einem Jahrhundertwechsel stehen 

Ein Jahrhundertereignis war 1912 für Reutlingen die Einführung der Straßenbahn. Ein radikaler Systemwechsel erwartet uns in den nächsten zwei Jahrzehnten mit der Einführung der Selbstfahrzeuge. Mit den Quartierbussen könnte deren Zukunft schon heute erprobt werden...

Ein paar Gedanken von Raimund Vollmer
Alle zwanzig Jahre stellt die Stadt Reutlingen ihr Nahverkehrskonzept um. Meist zeigt sich das darin, dass irgendwelche Omnibusbahnhöfe umgesetzt werden. Nur einmal hat es einen wirklich radikalen Einschnitt gegeben, als im Oktober 1974 die allseits beliebte Straßenbahn eingestellt wurde. Nun sieht man in der Umstellung auf das "Durchmesser"-Prinzip, bei dem nicht mehr in der Stadtmitte Endstation ist, das Zukunftskonzept. Und einiges spricht dafür.
Doch wird es ebenfalls wie die Umstellung auf den reinen Busverkehr 40 Jahre Zukunft haben - oder wenigstens 20 Jahre, wie die weniger radikale Taktung bislang nach dem Kriege war? Vielleicht wird es noch nicht einmal zehn Jahr Bestand haben. Denn mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit wird in der Welt an Konzepten der selbststeuernden Fahrzeuge gearbeitet, sozusagen an das Auto-Auto. LKWs werden in zwei, drei Jahren bereits über unsere Auto-Autobahnen kreuzen, die sich ganz von allein und nur mit Bordmitteln wie Radar und Kamera durch den Verkehr bewegen. Fahren auf Autopilot ist also in erreichbare Nähe gerückt. Und warum soll bei Tempo 30 dies nicht auch in zehn Jahren möglich sein für den Stadtverkehr? Bis Tempo 10 sieht man wohl schon jetzt gar keine großen Probleme.
Das wäre doch die Gelegenheit, diese neuen Technologie sich langsam anzueignen als ein Verkehrsmittel des nächsten Jahrzehnts. Ob es dann mobilfunkgesteuert ist oder mit Bordmitteln arbeitet oder Kombination von beidem ist, sei erst einmal dahingestellt. Zum Hineinschmecken in dieser Zukunft wäre der Quartierbus, wie er in Reutlingens Dörfern gewünscht wird, ein geradezu ideales Mittel. Es geht ja erst einmal um Fragen nach der Akzeptanz eines solchen durch die Dörfer und Stadtteile gleitenden Verkehrsmittels, das natürlich konventionell noch besetzt ist mit einem Fahrer. So lässt sich erfahren, welche Wege und welche Taktungen die richtigen sind, wo Hindernisse beseitigt werden müssen, welche Strecken zu welchen Tageszeiten besonders genutzt werden. Klar, für einen Masseneinsatz eignen sich diese Quartierbusse zuerst nicht. Die Personalkosten sind einfach zu hoch. Wenn jedoch die Selbstfahrtechnologie soweit ist, dass man durch die 30er-Zonen unserer Städte und Gemeinden diese Quartierbusse vermehrt einsetzen kann, dann stünde man vor einem echten Durchbruch - in eine ganz, ganz andere Welt. Es wäre ein Jahrhundertwechsel - noch bedeutsamer als die Einführung der Straßenbahn im Jahre 1912. Sie war ja bereits so etwas wie der Vorläufer unserer künftigen Selbstfahrzeuge. Sie steuerte sich selbst - über die Gleise.
Wenn jetzt namhafte IT-Unternehmer, Nobelpreisträger und Erfinder davor warnen, Drohnen zur Kriegsführung einzusetzen, dann sollte uns dies neben dem Engagement für den Frieden, die dahinter steht, auch aufzeigen, dass wir sehr nahe dran sind, diese neuen Technologien im Alltag zu nutzen.
Was dies für Taxiunternehmer, für den RSV und für uns langfristig bedeutet, wäre doch eine Diskussion wert. Es wächst eine Jugend heran, die auffällig oft signalisiert, dass sie an einem eigenen Auto nicht mehr interessiert ist, sondern sich für Konzepte interessiert, wie sie hier beschrieben wird. Aber wer interessiert sich schon für unsere Jugend - angesichts des demografischen Wandels? Gerade der, eine alternde Gesellschaft, sollte ganz besonders daran interessiert sein.
Vielleicht wird es länger als 2025 dauern, bis es soweit ist. Aber dann sind wir alle auch zehn Jahre älter...

Bildertanz-Quelle: Sammlung Fritz Haux (1912)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Letztens bin ich in Pforzheim tätig gewesen, architektonisch eine wirklich hässliche Stadt, aber deren ÖPNV ist ein Traum verglichen zum Reutlinger. Überdachte Haltestellen sind Standard dort und selbst in den Vororten gab es an wichtigeren Haltestellen elektronische Anzeigen. Hier findet man die noch in absoluter Innenstadtlage nicht immer vor. Beim Ünal funktioniert sie nur nach Lust und Laune, während am Bahnhof eine seit Monaten defekt ist. Mit solchen technischen Errungenschaften werden wir wohl ein paar Jahre mehr auf selbstfahrende Busse warten dürfen.

Raimund Vollmer hat gesagt…

Tja, da fehlen einem die Worte.