Industrie 1.0: Das Fabrik-Gelände der Firma Ulrich Gminder, die seit 50 Jahren zu Bosch gehört. Damals konnten die Menschen ihre Zukunft, ihren Arbeitsplatz, noch hier finden. Trotz der späteren Verlockungen durch Daimler...
Von Raimund Vollmer
(Kommentar) Vielleicht hat ja die jetzt von der IHK vorgelegte Studie der Prognos AG die Antworten, aber für die Journalisten, die die Präsentation der Ergebnisse beiwohnen durften, waren sie wohl keine Fragen wert. Wahrscheinlich aber gibt es gar keine Antworten auf die Fragen, die einen als Bürger der Region wirklich interessieren sollten.
Da die Studie bislang nicht im Netz auffindbar ist, können wir hier nur spekulieren. Doch vermutlich sagt sie uns gar nichts. Sie ist ein "No-Brainer", will sagen: man braucht dafür kein Gehirn, um sie zu verstehen und um reichlich oberfächliche Schlüsse daraus zu ziehen. Irgendwie hat man den Eindruck, dass das wohl eine Selbstgefälligkeitsstudie ist. Keine Selbstkritik. Wenn Kritik, dann machen die anderen etwas falsch (wie etwa die Versorgung mit IT-Infrastruktur oder Autobahnanschluss). Man schmückt sich gern mit fremden Federn wie zum Beispiel dem Hochschulstandort Tübingen, ahnend, dass dessen Erkenntnise nicht zur neuen Chancen und Jobs führen. Der ganze Faktor Kreativität kommt - so jedenfalls ist der Eindruck nach der Lektüre der Presseveröffentlichungen - nicht zum Tragen, als ahne man, dass hier die größte Schwachstelle liegt. Keiner hat offenbar danach gefragt, wie viele Patente aus der Region angemeldet werden und wie hier die Veränderung gegenüber früheren Zeiten ist oder im Vergleich zu anderen Regionen. Keiner hat danach gefragt, wie sehr die neuen Medien und überhaupt die ganze Internet-Wirtschaft bereits Teil unserer Unternehmenswirklichkeit ist. Über das Schlagwort "Industrie 4.0" kommt man nicht hinaus- Keiner hat richtig untersucht, welche Rolle der Online-Handel in all seinen Spielarten hier inzwischen spielt oder auch nicht. Überhaupt fehlte jegliche Form von Anschaulichkeit. Das war kein lebendiges Bild unserer Region. Das war Bürokraten-Wichtigtuerei.
Es wird über fehlende Neugründungen schwadroniert, aber außer der Erklärung über unzureichende Autobahnanschlüsse oder andere Verkehrshemmnisse wird offensichtlich nicht viel ausgesagt. Ob viele der oftmals jungen Menschen, die hier wohnen, aber in Stuttgart arbeiten, lieber ihren Arbeitsplatz in der Nähe ihrer Wohnung hätten, wäre eine Frage gewesen, der man hätte nachgehen müssen - und zwar unbedingt. Mehr noch: Wenn sie hier nicht arbeiten, dann wäre doch zu fragen, welchen Tätigkeiten sie denn in Stuttgart und Umgebung nachgehen? Was sind deren Qualifikationen, für die sie hier bei uns keine Jobs finden? All das hätte doch zu weitaus aufschlussreicheren Analysen geführt, als die Verteilung von DSL-Anschlüssen und anderem Breitbandigem zu dokumentieren. Natürlich hätte man dazu auch mal mit echten Menschen reden müssen - und nicht nur sich institutionell zu informieren. Es geht um Arbeitsplätze, nicht zm Allgemeinplätze. Und wer da erzählt, dass es an "Fachkräfteversorgung" (was für ein abscheulicher Begriff!) fehlt, muss sich fragen, woran das bei diesem Überschuss an Auspendlern sein kann. Es gibt doch genügend Fachkräfte, die hier wohnen, aber hier nicht arbeiten.
Wetten, dass mindestens 50 Prozent der Leute, die sich jeden Arbeitstag auf der B 27 zu ihrem Arbeitsplatz nach Stuttgart quälen, lieber hier arbeiten würden!
Aber solchen Themen stellt man sich nicht. Warum eigentlich nicht? Ganz einfach: Unsere IHK und die von ihr mit Daten versorgte Politik ist ja auch schon mit sehr viel weniger zufrieden. Je weniger man weiß, desto glücklicher ist man.
Wir aber, die Bürger, können damit nicht zufrieden sein - und die Mitglieder der IHK eigentlich auch nicht.
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Bildertanz-Quelle:
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