Ganz beschaulich - weil im Stil der guten alten Zeit...
"Warum eigentlich sind unsere alten Städte in Europa
schöner als alles, was Planer und Architekten je in den vergangenen Jahrzehnten
nach dem Zweiten Weltkrieg an Neuem entwickelt haben?" So fragte am
Donnerstag suggestiv in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Frankfurter
Architekt Christoph Mäckler. Wir in Reutlingen und ganz besonders auf unseren Bildertanz-Seiten
(Blog & Facebook) fragen uns das schon sehr lange und immer wieder mit Bezug
auf aktuelle Entscheidungen. Wir ahnen auch, woran es liegt. Nicht an uns, den
Menschen, sondern an den Architekten, die zu lange auf die kalten und glatten Ansprüche
einer strengen Schule fixiert waren, deren Regeln sie zu entsprechen versuchten
- auch mit Blick auf das Ansehen innerhalb der eigenen Vergleichsreihen. Kollegen
bauten für Kollegen, nicht für uns, die in diesen und zwischen diesen Gebäuden
leben müssen.
Ist unsere Stadt noch unsere Stadt?
Gerade jetzt wurde wieder der Bau von Gebäuden genehmigt,
deren Art der Frankfurter Stararchitekt in seinem Beitrag verurteilt. Das
sogenannte "Stuttgarter Tor", ein Euphemismus par excellence, wird
uns - um mit Mäckler zu sprechen - "angesichts der abstoßenden Kälte und
Langeweile" frösteln lassen. Ähnlich wird es uns mit dem GWG-Komplex gehen
oder dem Bau des Hotels an der Stadthalle. Mäckler ist ein kluger Mensch, er
weiß, dass wir, die wir die alten Städte schöner finden, von den Leuten, die
diese Öde planen und entscheiden, gerne als "Ewiggestrige"
abgekanzelt werden. Aber anscheinend scheint sich - bis auf das institutionelle
Reutlingen, das schon immer gerne dem Trend von gestern nachgelaufen ist - in
der Zunft eine Art Rückbesinnung durchzusetzen. Man schaut den alten Meistern
ab, wie sie das Entstehen einer Stadt vor 100 und mehr Jahren mitgestaltet
haben. Mäckler merkt vor allem an, dass
eine Stadt, die sich aus vermeintlich elitären Solitären zusammengeschustert
hat, auf die öffentlichen Räume und Plätze konzentrieren solle, um sich wieder
jene Urbanität zu geben, die sie einst besaß. Wer denkt da nicht an unser
Reutlingen? Wem fällt da nicht die Personalie von dieser Woche ein, in der über
die Auseinandersetzung zwischen der Stadt und ihrer Angestellten (keine Beamtin!)
Dr. Katrin Korth im GEA zu lesen war. Denn gerade die stellvertretende Leiterin
des städtischen Amts für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt engagierte sich mit
Leidenschaft (und nicht mit der Kälte von Planern, denen eigentlich egal ist,
was sie planen) für eine bürgerzentrierte Gestaltung öffentlicher Räume. Der
Begriff "Bürgernähe" ist nämlich in der Tat viel zu schwach. Von wo
aus wollen sich denn die Planer uns nähern? Von ihrem irgendwo im Abstrakten
konstruierten Idealbild, das mit absoluter Macht durchgesetzt werden will?
Nein, wir stehen im Mittelpunkt. Es ist unsere Stadt.
Es ist vierzig Jahre her, dass Ralf Dahrendorf in einem
Beitrag davon sprach, dass wir auf ein System zusteuern, in dem Exekutive und
Experten alles bestimmen werden, in der die natürlichen Autoritäten der Bürger
und ihrer gewählten Vertreter mehr und mehr an die Seite gedrängt werden. Wie
oft hätte man sich in den letzten Jahren gewünscht, dass unsere Stadträte und
Stadträtinnen dagegen ihr Veto energisch eingelegt hätten, deutlich ein
"So nicht" in den Ratsaal ausgerufen hätten. Stattdessen haben sie
sogar einem Zuschütten des Listbrunnens zugestimmt, den viele als einen Verrat am
Bürger empfunden. Übrigens wurde aus diesem Beschluss des Gemeinderates (was
ich hier mal aus dem Stegreif unterstelle) dann ein Auftrag, der bei Korth
landete, die ihn bestimmt nicht gerne ausgeführt hat. Sonst wäre er sofort
umgesetzt worden. Wenn unseren Stadtbediensteten etwas gefällt, dann können sie
nämlich da blitzschnell sein - wie etwa beim Abriss der Listhalle.
Wahrscheinlich werden wir - so der Tenor des Artikels im GEA
- Dr. Korth als Mitarbeiterin unserer Stadt verlieren. Es wäre ein Triumph für
die Stadtmacht, eine Niederlage für uns Bürger. Und wir müssen befürchten, dass
wir den Weg der Entfremdung zwischen
Stadt und Bürger weitergehen werden.
Es ist so schade. Ehrlich gesagt, es frustriert immer
mehr Menschen, die sich für diese Stadt engagieren wollen. Da wird auf Dauer
ein Investitions-Klima erzeugt, in dem es von morgens früh bis abends spät nur
noch um sofortigen Nutzen und schnelle Profite gehen wird. So zitieren wir am
Ende noch einmal den Architekten Mäckler, der sich über etwas so Profanes wie
den "Straßenraum" mit seinen Fassaden äußert: "Architektonisch
kam der Außenfassade, auch als Straßenfassade bezeichnet, zu allen Zeiten eine
besondere Bedeutung zu, weil sie das Haus für seinen Besitzer in den
öffentlichen Raum hinein repräsentierte. Dies hat sich erst mit der Moderne und
der Idee des Hauses als solitärem Kunstwerk geändert."
Ich finde, dass die Moderne ziemlich altmodisch daherkommt.
Um es mit Oscar Wilde zusagen: "Nichts ist so gefährlich wie das
Allzumodernsein, man gerät so leicht aus der Mode."
So addieren sich in unserer Stadt auch weiterhin die
Solitäre zu einem Durcheinander der Stile, die sich gegenseitig nichts und uns
Bürgern erst recht nichts zu sagen haben.
Schön, dass es wenigstens die Zeile am Tübinger Tor gibt.
Und schön, dass die neue Skateanlage - ein öffentlicher Raum - so viel Anklang
findet, aber bestimmt nicht deshalb, weil Solitäre wie die Stadthalle oder das
"Krankenhäusle" in der Umgebung stehen. Da ist der ZOB mit seiner
Funktion für die Jugendlichen viel, viel wichtiger. So weit sind wir
inzwischen.
Raimund Vollmer
Ganz dicht - in der Metzgerstraße...
Ganz weit - der Listplatz, aber ohne Brunnen
Ganz gemütlich - an der Marienkirche
Ganz in Ordnung - jedenfalls auf diesem Foto: der BahnhofBildertanz-Quelle:Raimund Vollmer
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