Samstag, 19. Januar 2019

BEAT-GENERATION: Radio Caroline und der Popshop



Frank Laufenberg, der Mann, der den Popshop zum Laufen brachte, in den siebziger Jahren. 
Bildertanz-Quelle: Udo Strehl (privat)

Von Raimund Vollmer - Erinnerungen eines Reingeschmeckten


Eine kleine Geschichte aus einer anderen Gegend. Ich habe meine Jugend im Rheinland verbracht - zuerst, zwischen 1961 und 1966, in Mönchengladbach und dann bis 1975 in einem Vorort von Düsseldorf. Es war die Zeit, in der Rock und Pop ihre alles beherrschende Bedeutung bekamen. Nur die deutschsprachigen Radiosender hinkten lange Zeit völlig hinterher. Und über diese Zeit möchte ich gerne etwas erzählen, weil es mich dann irgendwann in den Süden zog. 
Das Modernste aus dem Äther war in den frühen sechziger Jahren Radio Luxemburg, das mit seiner Hitparade allwöchentlich die Aufmerksamkeit auf sich zog. Aber da wimmelte es von deutschen Schlagern, die wir - so die Stimmung in meiner Altersklasse (Jahrgang 1952) - sehr bald mit Verachtung straften. Ansonsten hatten wir das britische Gegenstück zu AFN in Gestalt des Soldatensender BFBS. Der brachte schon fetzigere Musik in der damals allein akzeptierten Sprache, in Englisch. Wir verstanden es zwar nicht, es gab auch kein Internet, wo wir die "Lyrics" hätten nachtschlagen können, wir hätten es übrigens auch nie Lyrik genannt, sondern maximal Songtexte.  Der einzige, dem wir das Wörtchen "Lyrik" zugetraut hätten, wäre Bob Dylan (mein Idol) gewesen, aber dafür war er eigentlich auch zu profan.

Auf jeden Fall fehlte in Deutschland das, was dann ab 1970 unter dem Namen Popshop für Furore sorgte - bis nach Nordrhein-Westfalen. Es war das Jahr, in dem ich auch zum ersten Mal in Reutlingen war (es war am 5. Oktober 1970, da bin ich auch zum ersten Mal mit der Reutlinger Straßenbahn gefahren). Ansonsten gab es für uns ja nur den Beat-Club, der seit 1965 von Bremen aus alle vier Wochen samstagnachmittags und für eine halbe Stunde in unsere ureigene Musikwelt entführte.

So hörte ich damals zum ersten Mal "Popshop" - und lächelte mit der Überlegenheit des kosmopolitischen NRWlers über diesen netten Versuch. Denn wirr und viele meiner Freunde aus dem Rheinland kannten das Original, hörten es seit 1964 täglich und wussten vier bis sechs Wochen vor allen anderen, was der nächste Hit der Beatles oder der Stones sein würde. Wir hatten das gesamte "Swinging London", das gesamte Liverpool im Ohr, lange bevor der Schwabe mit seinem SWF3 auch nur eine Ahnung davon hatte, was die nächste Nummer 1 sein würde. Das machte einen natürlich ganz schön arrogant.

Es war aber nicht die gute alte Tante WDR (oder war es nicht eher eine Uroma?), die uns einen solchen Informationsvorsprung verschaffte. Es war keiner der öffentlich-prächtigen Sender. Es waren Piratensender, die seit 1964 vom Ärmelkanal aus, in ihren Schiffen an der Küste von Essex, mit einem unglaublichen Klamauk die Rock & Pop-Szene rund um die Uhr mit den neuesten Liedern versorgte. Allein in Großbritannien hörten 25 Millionen Menschen diese Sender. Sie hießen Radio Caroline (das Schiff nannte sich Mi Amigo) und Radio London, in Deutschland gab es die nur auf Mittelwelle. Die DJs waren für jeweils zwei Wochen auf den Booten. Bei Wind und Wetter. Wer seekrank war, hatte keine Chance.

Wir wussten nichts von dem Leben auf dem Boot, ein Leben, das wohl auf hoher See sehr wüst gewesen sein muss. Wir hörten, kaum waren wir aus der Schule zuhause, diese beiden Sender. Es gab da noch den holländischen Sender Radio Veronika, aber der war nicht ganz so populär.

In Mönchengladbach hatte ich keine Probleme, diese Sender zu empfangen. Aber dann zogen wir 1966 in einen Vorort östlich von Düsseldorf, wo ich dann auch zur Schule ging. Ich erinnere mich, dass ich mir dann Antennen aus alten Regenschirmen gebaut habe, um diese Sender genießen zu können. Mit viel Rauschen im Hintergrund. Aber das war immer noch besser als diese betulichen deutschen Sender.

Naja, und so kam ich 1970 nach Reutlingen und hörte erstmals in dieser Zeit den Popshop. Ich habe das zwar mit Hochnase genossen, aber eigentlich war ich sehr, sehr neidisch. So etwas hatten wir in NRW nicht.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Im Münsterland war damals übrigens auch Radio Hilversum zu hören – die waren sehr cool.
Und so manche holländische Band auch.
Hier ein kleines Beispiel: Golden Earring ~ Radar Love (extended) 1973
https://www.youtube.com/watch?v=aZObv6QgRXc

Anonym hat gesagt…

Oder Ekseption des genialen Rick van der Linden - leider schon vor vielen Jahren verstorben:
https://www.youtube.com/watch?v=XfxsL1ZvN1I

Anonym hat gesagt…

Nicht zu vergessen, wenn auch etwas später: Herman Brood & His Wild Romance:
https://www.youtube.com/watch?v=K9JkSJTvQjM

Anonym hat gesagt…

So schön, schön war die Zeit...Im Radio lässt man sie allmählich verschwinden.
Vieles findet sich im Internet/Youtube wieder. So auch die Amsterdamer Band
The Outsiders.

Anonym hat gesagt…

Da waren auch noch fabelhaften Shocking Blue - nicht nur mit ihrer grandiosen Venus!

https://www.youtube.com/watch?v=y-eWMYe-ss8

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Vollmer,

hatte Ihnen mal vor einiger Zeit eine Mail zum Pfullinger Bildertanz
an bildertanz@aol.com geschickt, auf die bislang keine Reaktion
erfolgte - und Ihre Radio- und Nederpop-Erinnerungen sind es nun, um Sie
auf diesem Wege um eine aktuelle Mailadresse von Ihnen zu bitten (wenn
Sie möchten).

Viele Grüße
hostage@email.de

PS:
https://www.youtube.com/watch?v=dsvSBGF4MQM
https://www.youtube.com/watch?v=SHX5VcfQaWc