Montag, 23. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (2)



Das Tübinger Tor in den 80er Jahren 
Bildertanz-Quelle: Alfred Betz

Eine Mauer aus Weinstein

Die Stadttore waren so angelegt, dass sie direkten Zutritt zu den Fernstraßen boten. So war es auch beim Tübinger Tor. Die Tore galten aber auch im Falle eines Angriffs als die Gefahrenpunkte einer ummauerten Stadt. Denn Feinde würden auf jeden Fall versuchen, über die Tore in eine Stadt einzufallen. Deshalb waren sie ganz besonders befestigt.

Hier waren zudem permanent Wachtposten aufgestellt. Die Stadttore  waren auch höher als die anderen Türme. So boten sie auch den besten Ausblick. Mit der Verbreitung der Feuerwaffen verloren die Türme ihre Bedeutung. Sie wurden danach vor allem genutzt als Wachposten der Feuerwehr, was aber den großen Brand von 1726 nicht verhinderte, von dem übrigens das Tübinger Tor verschont blieb. Ebenso unbeschadet hatte es 100 Jahre zuvor den 30jährigen Krieg (1618-1648) überstanden. Und gehen wir noch ein Jahrhundert weiter zurück, so hatte das Tübinger Tor den Überfall Herzog Ulrich von Württemberg im Jahr 1519 offenbar unversehrt überlebt - obwohl es in den Annalen heißt, dass "ein Turm zerschossen ward". Reutlingen hatte damals kapitulieren müssen.

In der Anfangszeit war das Tübinger Tor kaum viel höher als die Mauern, die die gesamte Stadt umgaben. 1267 wird es erstmals ausdrücklich erwähnt als "media porta, vulgari eloquio metmannes tor" (mittleres Tor, gewöhnlich Mettmannstor genannt). Sechs Fuß tief in die Erde gingen die Fundamente der Mauer, wobei ein Fuß etwa 40 Zentimetern entsprochen haben könnte. Mit den Maßen nahm man es damals noch nicht so genau. Oberhalb der Erdoberfläche ragte die Mauer zwölf Fuß hoch, also fast fünf Meter, empor. Sie war aber teilweise noch höher. 1,5 Meter breit war sie. Die Steine - so berichtet Gerda Domes - kamen aus Pfrondorf und Dettenhausen. Sie waren unbehauen, sie wurden nur aufeinander geschichtet. "Der Mörtel bestand aus einem Gemisch von gelöschtem Kalk mit Sand und Wasser", berichtet Gerda Domes, die aber erfahren hat, dass "zur Festigung des Baus mitunter auch die Wirkung der Weinsäure ausgenützt" wurde. Sie bildet eine "schwer lösliches Kaliumsalz, den harten Weinstein".

Erst später ist es zu den Aufstockungen gekommen zu sein.  Ja, es war anfangs wohl auch so gewesen, dass die Innenseite der Tore offen gewesen sind - aus militärischen Gründen, wie Gerda Domes erklärt: "War es nämlich den Angreifern gelungen, die Tore zu erstürmen, so versuchten sie wohl zuerst auf den Turm zu gelangen, um von hier die Stadt besser unter Beschuss setzen zu können. Da die Türme aber zur Stadt hin offen waren, befanden sich die Angreifer in einer Falle, denn nun konnten die Verteidiger, die sich im Schutz der Häuser hielten, die im Turm freistehenden Feinde leicht treffen." Die Autorin glaubt, das um 1528 damit begonnen wurde, auch die Innenseiten der Türme zu verkleiden. Die Angst vor den Türken und die Religionskriege hatten dazu geführt, dass überall die Befestigungsanlagen verstärkt wurden.  

Das Tübinger Tor war eines von zuletzt sechs Haupttoren. Es gab das Obere Tor, das Obere Mühltörle, das Mettmannstor, das untere Mühltörle, das Untere Tor und das Neue Tor, das wir als Gartentor kennen. Aber am Anfang waren es nur drei Tore und der ummauerte Bereich war auch erheblich kleiner. (Text: Raimund Vollmer)

Das Tübinger Tor um 1911

Bildertanz-Quelle:Sammlung Bildertanz

1 Kommentar:

Raimund Vollmer hat gesagt…

Auf Facebook schreibt BasT An dazu: Der beschriebene "zerschossene Turm" ist auf den Kupferstichen von Merian und Ditzinger gut zu erkennen. Er Stand nahe des heutigen List-Gymnasiums. Die Reutlinger Befestigung war für die damalige moderne Artillerie kein wirklicher Gegner. Die alten Mauern und Türme waren zu diesem Zeitpunkt ja schon mehr als 250 Jahre alt... der weitere Ausbau der Stadtbefestigung mit Zwinger, breitem Graben, den Flankierungstürmen (z.B. Eisturm, Kesselturm...) und den beiden Bollwerken als Geschützplattform wurde wenige Jahre nach der Belagerung in die Wege geleitet.