Samstag, 28. Februar 2015

Dammbruch im Neckartal




Es war in den frühen Morgenstunden des 28. Februar 1938. Plötzlich brach der Damm des Speichersees oben am Einsiedel, 130 Meter über dem Neckartal. Eine 15 Meter breite und acht Meter tiefe Lücke ließ 252.000 Kubikmeter Wasser des bis zum Rand gefüllten Speicherbeckens den Hang hinunterstürzen. Die Wassermassen rissen Bäume mit sich und überschwemmten das Tal bis auf Höhe der Einmündung der Pfrondorfer Steige. Ursache der Katastrophe: letztlich unbekannt. Vermutet wird, dass eine Gesteinsformation im Umfeld des Beckens unterspült worden war und herausbrach.
Zwischen 1924 und 1926 war das Kraftwerk entstanden. 60 Prozent ihres Stroms bezog damals die Stadt Reutlingen aus Kirchentellinsfurt. 430 Meter lang, 140 Meter breit und 5,5 Meter tief ist der Speichersee, dessen Wasser nachts aus dem Neckar mit der überschüssigen Energie des Kraftwerks nach oben gepumpt wird, um dann tagsüber wieder zur Deckung von Stromspitzen abgelassen zu werden.
Trotz der beachtlichen Zerstörung könnte der See am 16. April wieder in Betrieb genommen werden. Allerdings durfte er nur bis zu einer Wasserhöhe von 1,4 Meter gefüllt werden. Am 2. Dezember 1938 war er dann vollständig saniert. Doch von nun an durfte er nicht mehr bis zum Rand vollgepumpt werden, sondern bei 3,5 Meter war Schluss. 171.000 Kubikmeter Wasser sind das Limit. 

Bildertanz-Quelle: Tapetenalbum

Freitag, 27. Februar 2015

DIE ECHAZ: Als Reutlingen noch Mautgebühren zwischen Honau und Wannweil verlangte


1962: Blick durch das Echaztal in Richtung Achalm vor bald 50 Jahren.
Bildertanz-Quelle: Geschichtsverein Pfullingen

Die Echaz war dereinst von der Quelle bis zu ihrer Mündung in den Neckar bei Kirchentellinsfurt Eigentum der Stadt Reutlingen, berichtet der Heimatforscher Herbert Kopp in seinem Buch "Die Anfänge der Stadt Reutlingen". Und deshalb gehörten ihr auch die Mühlen, die sich anfangs noch in privater Hand befanden. So heißt es im Buch der Stadtrechnerei 1742/43 (wohl einer Art Haushaltsplan) über den "Echitzfluß", dass er "auf gemeinsamer Stadt umstrittigem Grund und Boden hinstreichet." Dieses Eigentum bestand (wer weiß es besser?) wohl seit dem 10. Jahrhundert. Man fragt sich, wie wohl heute der Albaufstieg aussähe, wenn Reutlingen immer noch bis Honau die Eigentumsrechte hätte. Wären Pfullingen und Lichtenstein dann heute Vororte von Reutlingen? Wie würde dann der gesamte Fernverkehr gelenkt? Tatsächlich durch das Echaztal? Vielleicht müssen die Lichtensteiner und Pfullinger eine Maut einführen wie dereinst die Stadt Reutlingen. (Vielleicht ist ja die 30er Zone, mit der die B312 in Lichtenstein ausgestattet werden soll, auch so etwas wie eine Mautgebühr - wem gehören aber dann die Einnahmen aus der Verkehrsüberwachung, also der Radarkontrolle?)
»Dass im Raum der späteren Reichsstadt sich relativ bedeutendes Reichsgut nachweisen lässt, ist weiter nicht überraschend; ist doch für das gesamte Echaztal Königs- oder Reichsgut ausgiebig bezeugt. Die Echaztalstraße, ein Teilstück der sogenannten Rheinstraße Speyer Pforzheim - Lustnau - Reutlingen - Hayingen - Riedlingen, wird mehrfach als Königstraße oder Reichsstraße bezeichnet. Öfter noch heißt sie Heerstraße, wie im 14. Jahrhundert die alten Fernstraßen meistens genannt wurden, oder dann im 15. und 16. Jahrhundert Landstraße. Zoll und Geleit sind nach Karl Weller die Bestimmungsmerkmale einer Reichsstraße: die Stadt Reutlingen hatte bis 1803 ihre Zollstücke für den Straßenzoll an dieser Reichsstraße dort, wo diese das Echaztal betrat und wieder verließ, nämlich zu Honau und in der Betzinger Mark und ebenso unterhalb von Wannweil; auch das Geleit stand ihr ausdrücklich zu. Auf diesen Zoll- und Geleitrechten gründete ohne Zweifel auch die Verpflichtung der Stadt, diese Straße samt ihren Brücken zwischen Honau und Jettenburg zu unterhalten.«
Herbert Kopp: Die Anfänge der Stadt Reutlingen
Pfullingen: Hochwasser in der Heerstraße

Donnerstag, 26. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (5)



Die drei Bögen des Tores

Es war der dritten Bombenangriff auf unsere Stadt. Am 1. März 1945 erwischte es denn auch das Tübinger Tor. Drei Sprengbomben explodierten in der Nähe des Tores. Eine davon fetzte Löcher ins Steinwerk der gotischen Durchfahrt. Insgesamt erzeugte die Detonation der drei Bomben eine derartige Druckwelle, dass sogar Steine aus den Fugen des Fachwerks herausgerissen wurden, schreibt Stadthistoriker Karl Keim. 1948 drangen einige mächtige Kräfte darauf, das Tor vollends abzureißen, da es weitaus größere Bombenschäden abbekommen hatte als ursprünglich gedacht. 
  Es war dann wohl Oberbürgermeister Oskar Kalbfell, der sich energisch für den Erhalt dieses Wahrzeichens einsetzte. Keim nannte es "eine kritische Situation".
Er erinnert uns auch daran, dass zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Durchfahrt für hochbeladene Heuwagen und andere Fuhrwerke zu niedrig geworden war. Deshalb hatte die Stadt 1907 das Stadtmauerhaus Nummer 10 erworben, um es abzureißen. Hier war vorher ein Volkskaffeehaus entstanden. Bewirtschaftet wurde es von Ernst Fischer, der ein Verfechter der alkoholfreien Bewirtung war. Auf jeden Fall wurde das Haus, nachdem es abgerissen worden war, 1910 durch einen Neubau ersetzt, der dann eine zweite Durchfahrt bekam - in Gestalt eines Rundbogens. Nach dem 2. Weltkrieg wollten die Stadtväter das beschädigte Stadtmauerhaus Nummer 6 ebenfalls durch eine Durchfahrt ersetzen. Sie hatten sich dabei einen "gerade überdeckten Durchgang" ausgedacht. Doch das Landesdenkmalamt legte sein Veto ein. Ein gotischer Spitzbogen umgeben von einem Rundbogen und einem gradlinigen Durchgang - das war dem Amt ein zu großes stilistische Durcheinander. 1950 entstand somit ein dritten Durchgang als Rundbogen. Die Mehrkosten in Höhe von 1000 Mark (!) übernahm der Denkmalschutz.




Bildertanz-Quelle:Wolf-Rüdiger Gassmann (oben), Helmut Akermann (Mitte), Raimund Vollmer (unten)

Mittwoch, 25. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (4)




Der Wächter auf dem Turme

Bis zum 2. Weltkrieg war das Tübinger Tor von Wächtern und deren Familien besetzt. Jahrhundertelang hatten sie die Stadt behütet und bewacht. Zuerst dienten sie dazu, das Vorgelände im Blick zu behalten und vor dem Anrücken kriegerischer Truppen zu warnen. Später war ihr Blick mehr nach innen gerichtet - aus feuerpolizeilichen Gründen. Und natürlich sollten sie der Bevölkerung mitteilen, welche Stunde geschlagen hat. Die Bürger wussten dann nicht nur, wie spät es ist, sondern hatten auch die Gewissheit, dass der Posten besetzt war.
Mächtige Konkurrenz hatten die Torwächtern in den Hütern der Marienkirche. Deren Hochwächter wohnten nicht im Turm, sondern in der Stadt. Jeweils zwölf Stunden Dienst hatten die drei Wächter, die auf einer Stechuhr anzeigen mussten, dass sie treu und brav ihre Runden drehten. Das Läutwerk, das jeder Viertelstunde ausgelöst wurde, mussten sie nicht betätigen. Dafür sorgte ein automatisches Uhrwerk.
Konkurrenz zu den Wächtern des Tübinger Tors waren sie insofern, weil beide Gruppen darum wetteiferten, wer als erster einen Brand meldete. Denn dafür bekamen sie dann eine Sondervergütung. Der Lohn war alles andere als üppig, so dass Besucher stets sehr willkommen waren - vor allem dann, wenn sie neben dem Lob für die schöne Aussicht auch noch ein Trinkgeld hinterließen. Dass dies erwartet wurde, darauf wies ein Plakat hin: "Wer diese Höhe will ermessen, Darf den Hochwächter nicht vergessen."(Text: RV)

Dienstag, 24. Februar 2015

Manfred Reicherter übergab heute dem Bildertanz seine Sammlung Reutlinger Geschichtsblätter

Er selbst war sogar Autor eines umfangreichen Beitrags. 1993 veröffentlichte der Reutlinger, dessen Familienstammbaum sich bis ins 15. Jahrhundert zurückführen lässt, die Geschichte der Polizei in Reutlingen. Das war 1993. Und wir werden sie mit besonderer Aufmerksamkeit lesen. Manfred Reicherter, Jahrgang 1938, steht uns auch als Zeitzeuge zur Verfügung. Jetzt aber machte er uns eine Riesenfreude, als er uns seine Sammlung der Reutlinger Geschichtsblätter übergab - zwei Waschkörbe voll Bücher, voll Geschichte. Danke!  Da ist bestimmt jede Menge Stoff drin für unsere Internet-Chroniken der Stadt Reutlingen.
Bildertanz-Quelle: Raimund Vollmer

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (3)




 Die Innensicht nacht außen
Bildertanz-Quelle: Sammlung Helmut Akermann

Als der große Abriss drohte

Im November 1802 war Reutlingen im Gefolge der napoleonischen Kriege zu Württemberg gekommen. Sie hatte damit ihren Status als Reichsstadt verloren. Und damals hat man vom Tor alle Zeichen und Embleme, die an die Reichsstadtherrlichkeit erinnerten, mit der Spitzhacke entfernen lassen.

Es war die Zeit, in der man allgemein nicht mehr so recht einsah, weshalb die ohnehin schwerbeschädigten Mauern und Türme erhalten werden sollten. Und es war dann vor nunmehr bald 200 Jahren, am 26. April 1816, dass niemand anders als Friedrich List "als württembergischer Staatskommissar mit der Verwaltung seiner Heimatstadt und den alten städtischen Behörden über die Niederlegung des alten, nun zwecklos und hinderlich gewordenen Befestigungswerks" bemerkt Reutlingens Historiker Karl Keim. 
Obwohl der Antrag angenommen wurde, dauerte es eine Weile, bis sich die Stadtväter trauten, mit den Abbrucharbeiten zu beginnen. 70 Jahre dauerte es, bis diese Spuren des Mittelalters getilgt waren - und das Tübinger Tor wäre 1840 den Abbruchbegehren beinahe ebenfalls zum Opfer gefallen. Das Vortor war abgerissen worden, der 30 Meter breite Stadtgraben, die heutige Lederstraße, war zugeschüttet worden. Die Stadtmauer war verschwunden, stattdessen waren links und rechts vom Tübinger Tor Häuser "angepflanzt" worden. Ein Stück der Stadtmauer am Ledergraben können wir noch am "Pfauen" erkennen. Von den insgesamt noch vier Haupttoren waren 1834 das Obere Tor und ein Jahr später das Untere Tor abgetragen worden. Als man nun aber daranging, das Tübinger Tor ebenfalls abreißen zu wollen, regte sich Bürgerprotest. Die Menschen hatten wohl mit Entsetzen festgestellt, wie die Abbrucharbeiten die Stadt regelrecht verwüstete. "Zweifellos war die spätere Niederlegung des Berings mit 36 Türmen und Toren in ihrer Planlosigkeit barbarisch", schreibt Keim 1975 in den "Geschichtsblättern". 
Um das Tübinger Tor zu retten, wurde der Gemeinderat gleichsam aufgerufen, seinen eigenen Beschluss von 1816 aufzuheben. Erst mit Hilfe des Oberamtes, zu dem Reutlingen 1803 geworden war, gelang es, den Abbruch abzuwenden.
 
Bildertanz-Quelle:Dimitri Drofitsch (2015)

Montag, 23. Februar 2015

Kleine Geschichte des Tübinger Tores (2)



Das Tübinger Tor in den 80er Jahren 
Bildertanz-Quelle: Alfred Betz

Eine Mauer aus Weinstein

Die Stadttore waren so angelegt, dass sie direkten Zutritt zu den Fernstraßen boten. So war es auch beim Tübinger Tor. Die Tore galten aber auch im Falle eines Angriffs als die Gefahrenpunkte einer ummauerten Stadt. Denn Feinde würden auf jeden Fall versuchen, über die Tore in eine Stadt einzufallen. Deshalb waren sie ganz besonders befestigt.

Hier waren zudem permanent Wachtposten aufgestellt. Die Stadttore  waren auch höher als die anderen Türme. So boten sie auch den besten Ausblick. Mit der Verbreitung der Feuerwaffen verloren die Türme ihre Bedeutung. Sie wurden danach vor allem genutzt als Wachposten der Feuerwehr, was aber den großen Brand von 1726 nicht verhinderte, von dem übrigens das Tübinger Tor verschont blieb. Ebenso unbeschadet hatte es 100 Jahre zuvor den 30jährigen Krieg (1618-1648) überstanden. Und gehen wir noch ein Jahrhundert weiter zurück, so hatte das Tübinger Tor den Überfall Herzog Ulrich von Württemberg im Jahr 1519 offenbar unversehrt überlebt - obwohl es in den Annalen heißt, dass "ein Turm zerschossen ward". Reutlingen hatte damals kapitulieren müssen.

In der Anfangszeit war das Tübinger Tor kaum viel höher als die Mauern, die die gesamte Stadt umgaben. 1267 wird es erstmals ausdrücklich erwähnt als "media porta, vulgari eloquio metmannes tor" (mittleres Tor, gewöhnlich Mettmannstor genannt). Sechs Fuß tief in die Erde gingen die Fundamente der Mauer, wobei ein Fuß etwa 40 Zentimetern entsprochen haben könnte. Mit den Maßen nahm man es damals noch nicht so genau. Oberhalb der Erdoberfläche ragte die Mauer zwölf Fuß hoch, also fast fünf Meter, empor. Sie war aber teilweise noch höher. 1,5 Meter breit war sie. Die Steine - so berichtet Gerda Domes - kamen aus Pfrondorf und Dettenhausen. Sie waren unbehauen, sie wurden nur aufeinander geschichtet. "Der Mörtel bestand aus einem Gemisch von gelöschtem Kalk mit Sand und Wasser", berichtet Gerda Domes, die aber erfahren hat, dass "zur Festigung des Baus mitunter auch die Wirkung der Weinsäure ausgenützt" wurde. Sie bildet eine "schwer lösliches Kaliumsalz, den harten Weinstein".

Erst später ist es zu den Aufstockungen gekommen zu sein.  Ja, es war anfangs wohl auch so gewesen, dass die Innenseite der Tore offen gewesen sind - aus militärischen Gründen, wie Gerda Domes erklärt: "War es nämlich den Angreifern gelungen, die Tore zu erstürmen, so versuchten sie wohl zuerst auf den Turm zu gelangen, um von hier die Stadt besser unter Beschuss setzen zu können. Da die Türme aber zur Stadt hin offen waren, befanden sich die Angreifer in einer Falle, denn nun konnten die Verteidiger, die sich im Schutz der Häuser hielten, die im Turm freistehenden Feinde leicht treffen." Die Autorin glaubt, das um 1528 damit begonnen wurde, auch die Innenseiten der Türme zu verkleiden. Die Angst vor den Türken und die Religionskriege hatten dazu geführt, dass überall die Befestigungsanlagen verstärkt wurden.  

Das Tübinger Tor war eines von zuletzt sechs Haupttoren. Es gab das Obere Tor, das Obere Mühltörle, das Mettmannstor, das untere Mühltörle, das Untere Tor und das Neue Tor, das wir als Gartentor kennen. Aber am Anfang waren es nur drei Tore und der ummauerte Bereich war auch erheblich kleiner. (Text: Raimund Vollmer)

Das Tübinger Tor um 1911

Bildertanz-Quelle:Sammlung Bildertanz