Das Tübinger Tor in den 80er Jahren
Bildertanz-Quelle: Alfred Betz
Eine Mauer aus Weinstein
Die Stadttore waren so angelegt, dass sie direkten Zutritt
zu den Fernstraßen boten. So war es auch beim Tübinger Tor. Die Tore galten
aber auch im Falle eines Angriffs als die Gefahrenpunkte einer ummauerten
Stadt. Denn Feinde würden auf jeden Fall versuchen, über die Tore in eine Stadt
einzufallen. Deshalb waren sie ganz besonders befestigt.
Hier waren zudem permanent Wachtposten aufgestellt. Die
Stadttore waren auch höher als die
anderen Türme. So boten sie auch den besten Ausblick. Mit der Verbreitung der
Feuerwaffen verloren die Türme ihre Bedeutung. Sie wurden danach vor allem
genutzt als Wachposten der Feuerwehr, was aber den großen Brand von 1726 nicht
verhinderte, von dem übrigens das Tübinger Tor verschont blieb. Ebenso unbeschadet
hatte es 100 Jahre zuvor den 30jährigen Krieg (1618-1648) überstanden. Und
gehen wir noch ein Jahrhundert weiter zurück, so hatte das Tübinger Tor den
Überfall Herzog Ulrich von Württemberg im Jahr 1519 offenbar unversehrt
überlebt - obwohl es in den Annalen heißt, dass "ein Turm zerschossen
ward". Reutlingen hatte damals kapitulieren müssen.
In der Anfangszeit war das Tübinger Tor kaum viel höher als
die Mauern, die die gesamte Stadt umgaben. 1267 wird es erstmals ausdrücklich erwähnt
als "media porta, vulgari eloquio metmannes tor" (mittleres Tor,
gewöhnlich Mettmannstor genannt). Sechs Fuß tief in die Erde gingen die
Fundamente der Mauer, wobei ein Fuß etwa 40 Zentimetern entsprochen haben
könnte. Mit den Maßen nahm man es damals noch nicht so genau. Oberhalb der Erdoberfläche
ragte die Mauer zwölf Fuß hoch, also fast fünf Meter, empor. Sie war aber
teilweise noch höher. 1,5 Meter breit war sie. Die Steine - so berichtet Gerda
Domes - kamen aus Pfrondorf und Dettenhausen. Sie waren unbehauen, sie wurden
nur aufeinander geschichtet. "Der Mörtel bestand aus einem Gemisch von
gelöschtem Kalk mit Sand und Wasser", berichtet Gerda Domes, die aber
erfahren hat, dass "zur Festigung des Baus mitunter auch die Wirkung der
Weinsäure ausgenützt" wurde. Sie bildet eine "schwer lösliches
Kaliumsalz, den harten Weinstein".
Erst später ist es zu den Aufstockungen gekommen zu sein. Ja, es war anfangs wohl auch so gewesen, dass
die Innenseite der Tore offen gewesen sind - aus militärischen Gründen, wie
Gerda Domes erklärt: "War es nämlich den Angreifern gelungen, die Tore zu
erstürmen, so versuchten sie wohl zuerst auf den Turm zu gelangen, um von hier
die Stadt besser unter Beschuss setzen zu können. Da die Türme aber zur Stadt
hin offen waren, befanden sich die Angreifer in einer Falle, denn nun konnten
die Verteidiger, die sich im Schutz der Häuser hielten, die im Turm
freistehenden Feinde leicht treffen." Die Autorin glaubt, das um 1528
damit begonnen wurde, auch die Innenseiten der Türme zu verkleiden. Die Angst
vor den Türken und die Religionskriege hatten dazu geführt, dass überall die
Befestigungsanlagen verstärkt wurden.
Das Tübinger Tor war eines von zuletzt sechs Haupttoren. Es
gab das Obere Tor, das Obere Mühltörle, das Mettmannstor, das untere Mühltörle,
das Untere Tor und das Neue Tor, das wir als Gartentor kennen. Aber am Anfang
waren es nur drei Tore und der ummauerte Bereich war auch erheblich kleiner. (Text: Raimund Vollmer)
Das Tübinger Tor um 1911
Bildertanz-Quelle:Sammlung Bildertanz